HIER WOHNTE
WILLY ROSEN
JG. 1894
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 4.9.1944
THERESIENSTADT
ERMORDET 1.10.1944
AUSCHWITZ
Willy Julius Rosen wurde am 18. Juli 1894 in Magdeburg geboren und lebte am Breiter Weg 147. Seine Eltern waren Arthur Rosenbaum (1863-1939) und Amalie, geb. Maerker (1872-1942). Er hatte eine ältere Schwester, Lucie geb. 1893, die noch rechtzeitig nach Südamerika auswanderte und eine jüngere, Edith, geb. 1896, die nach England flüchten konnte und nach dem Krieg Opernsängerin in Deutschland wurde. Ein weiteres Geschwisterkind starb kurz nach der Geburt.
Rosen besuchte das König-Wilhelm-Gymnasium in Magdeburg und machte später auf Wunsch seines Vaters eine Lehre in der Konfektionsfirma “Kleider en gros” in Berlin, die er erfolgreich abschloss, auch wenn sein Interesse seit frühester Jugend der Musik galt. 1915, im Ersten Weltkrieg, wurde Rosen zum Militär eingezogen, diente an der russischen Front und wurde schwer verwundet, spielte aber Klavier und sang für die deutschen Truppen, noch während er sich erholte. Bereits 1915 veröffentlichte er seinen ersten Schlager (“Ich möchte so gern Soldaten haben”).
Nach dem Krieg kehrte Rosen nach Berlin und in seine alte Firma zurück. Im Berliner Adressbuch von 1919 ist er als „Schürzenkonfekt“ (also als Kaufmann) unter der Adresse Pankstr. 4 aufgeführt. 1929 zog er in die Cicerostr. 55 in Halensee, wo er bis 1939 wohnte. Im Berliner Telefonbuch von 1932 ist er als Komponist verzeichnet, da hatte er seine Tätigkeit für die Konfektionsbranche schon lange hinter sich gelassen. 1939 starb sein Vater nach schwerer Krankheit.
Abends spielte er Klavier in verschiedenen Bars und Clubs wie Die Spinne und Die Rakete und gründete seine erste eigene Band, die Rosen Kapelle. In den zwanziger Jahren machte er sich einen Namen als Gründungsmitglied des “Kabaretts der Komiker” (zusammen mit Paul Morgan, Kurt Robitschek und Max Hansen). Mit der Produktion von “Quo Vadis”, für die Rosen die Musik schrieb, kam nicht nur ein ganz neuer Stil in die Kabarettszene, man machte sich über den Film und über Hitlers Putschversuch von 1923 lustig. Es gab über 300 Vorstellungen, hochgelobt von der Kritik, waren die Nazis alles andere als begeistert. Rosen schrieb Musik auch für andere bekannte Künstler wie Harry Woldau, Max Hansen, Curt Bois und Paul O’Montis. Will Meisel veröffentlichte Rosens Kompositionen und Texte. Er avancierte zu einem gefragten Kabarettstar und Schlagerkomponisten, mit unzähligen Auftritten – auch für Kinder, was ihm besonders wichtig war – als inzwischen
berühmter Entertainer und Alleinunterhalter, der seine Vorstellungen stets mit “Text und Musik von mir”, seinem späteren Markenzeichen, eröffnete. 1923 heiratete er Elsbeth Hoffmann.
Auf Einladung des Magdeburger Bürgermeister Hermann Beims trat er 1927 in seiner Heimatstadt auf, Schauplatz der letzten Deutschen Theaterausstellung, sein Auftritt war ein grandioser Erfolg. Zweimal gewann er die Goldene Geige im Deutschen Schlagerwettbewerb.
Am 15. September 1931 ließ Willy Rosenbaum seinen Nachnamen auch offiziell in “Rosen” ändern.
Rosen arbeitete mit vielen anderen Textern und Komponisten zusammen. Er schrieb insgesamt 600 Kompositionen und spielte 75 Schallplatten ein, er trat in sieben Spielfilmen auf und schrieb Texte oder Musik für 21 Spielfilme zwischen 1926 und 1934. Zahlreiche berühmte Künstler der zwanziger und dreißiger Jahre interpretierten seine Musik.
Heute kennt man seinen Namen praktisch nicht mehr, auch wenn seine Lieder und Texte auch heute noch aufgeführt werden. In etlichen seiner Kompositionen ist sein Name nicht erwähnt oder anderen Musikern zugeschrieben. Nach 1933 und mit der Einführung der Rassengesetze durch die Nazis ist der jüdische Künstler Rosen Schritt für Schritt aus der deutschen Kultur verschwunden. Zusammen mit dem kleinen “Theater der Prominenten” ging er zunächst in die Niederlande, wo sie von den niederländischen Musiker-Gewerkschaften aber nicht geduldet wurden. Rosen nahm heimlich Musik auf, in den Kellern einer Synagoge, z.B. 1935 für Lukraphon, eine jüdische Schallplattenfirma. Sein Vertrag mit der jüdischen Musikagentur Odeon wurde beendet, als sie die Lizenz verlor. Rosen durfte nur noch im Jüdischen Theater und im Jüdischen Kulturbund auftreten.
Auftritte hatte er in den folgenden Jahren, ausgehend von den Niederlanden, in Österreich und der Schweiz. Ein Visumsantrag für die Schweiz scheiterte. Er flüchtete schließlich in die Niederlande, trat mit „Die Prominenten“ in Revuen in Scheveningen auf, die er produzierte und für die er die Songs schrieb. Max Ehrlich, der in Berlin geblieben war, kam später dazu. In den Revuen, insgesamt 50 zwischen 1936 und 1941, traten auch andere jüdische Künstler aus Deutschland und den Niederlanden auf, “Die Prominenten”, dazu gehörten u.a. Siegfried Arno, Oskar Karlweis und Camilla Spira.
Mit den niederländischen Revuen war es im Mai 1942 vorbei, knapp ein Jahr, nachdem die Nazis die Niederlande besetzt hatten und Juden in Westerbork im Norden des Landes, zunächst ein Transit-, dann Konzentrationslager, interniert wurden. Rosen hatte der Scheidung von seiner nicht-jüdischen Frau Elsbeth zugestimmt, nachdem sie von der Gestapo verhaftet und drangsaliert worden war (sie würde nach dem Krieg mit seiner Schwester Edith Maerker zusammen in Berlin wohnen), und heiratete 1942 in Westerbork Olga Maria Krauskopf (1905-1944). Im Dezember 1942 starb Willy Rosens Mutter Amalie im Ghetto Theresienstadt, er wusste nicht einmal, dass sie dorthin deportiert worden war.
Zwischen 1942 und September 1944 stellte Rosen, zusammen mit Erich Ziegler und Max Ehrlich, sowie einer Vielzahl an künstlerischen Talenten, das “beste Kabarett in Europa” auf die Bühne. Albert Gemmeker, der damalige deutsche SS-Lagerkommandant, förderte diese künstlerischen Aktivitäten, indem er Material und Kostüme bereitstellte. Etty Hillesum erinnert sich in ihrem Tagebuch, dass Willy Rosen, als sein Name schon auf der Liste stand, seine Songs vor der Aufführung dem Kommandanten vortragen musste, um zu beweisen, dass er sich seinen Aufenthalt in Westerbork auch verdiente. Hohe Nazivertreter, z.B. Adolf Eichmann, besuchten die Shows und saßen in der ersten Reihe, die inhaftierten Zuschauer dahinter, bevor sie am nächsten Tag auf die Osttransporte kamen.
Rosen komponierte trotz seiner Gefangenschaft weiterhin, einige der Stücke für die “Lager Bühne Westerbork” haben überlebt.