HIER WOHNTE
ELISABETH HESKEL
GEB. PETZALL
JG.1876
DEPORTIERT 30.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET
Elisabeth Gertrud Petzall wurde am 6. Dezember 1876 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Moritz Petzall (* 1839 – 1914) und Regine Cohn (* 1843 – 1909). Elisabeth hatte eine älter Schwester namens Margarete, die am 24. Januar 1875 zur Welt kam. Der Vater Moritz war 1880 in der Rosenthaler Str. 66 mit einer Putz- und Modehandlung ausgewiesen, offenbar hatte die Familie aber 1885 bereits eine Wohnung in der Rosenthaler Str. 11. 1890 bis 1896 befand sich das Geschäft in der Oranienburger Straße 32, während die Familie vermutlich weiter in der Rosenthaler Straße 11 wohnte. Ab 1897 war die Putz und Modehandlung von Elisabeths Vater Moritz Petzall in der Französischen Straße 63. 1897 war Elisabeths Mutter Regina bereits als Eigentümerin eines größeren Mietshauses in der Charlottenburger Marchstraße 23 im Adressbuch eingetragen. Daher war hier ab 1897 der langjährige Wohnsitz der Familie Petzall. 1903 war das Geschäft von Moritz Petzall
offenbar nochmals umgezogen, da er nun die Adresse Jägerstr. 63 zu finden war. 1909 verstarb Elisabeths Mutter Regina. Der Vater Moritz war nun erstmals unter der Anschrift Marchstraße 23 als Rentier verzeichnet. Elisabeth heiratete mit knapp 20 Jahren den Bankkaufmann Julius Heskel (* 8. Juni 1868) am 29. März 1895. Elisabeth und Julius hatten drei Kinder :
- Charlotte Lucie * 22.Dezember 1895 – 22. Oktober 1942
- Walter * 10. Dezember 1897 – ca. 1960 USA
- Alice * 24. Juli 1900 – 1987 USA
Vor 1905 lässt sich der Wohnsitz von Julius Heskel und seiner Familie im Berliner Adressbuch nicht zweifelsfrei nachweisen.
Ab 1905 findet man Julius Heskel mit Wohnung in der Nollendorfstraße 16.
Ab 1910 war für Elisabeth und ihre Familie die Nürnberger Straße 37/38 der langjährige Lebensmittelpunkt. Hier lebte das Ehepaar bis 1933.
Julius Heskel war bis zum Ende seines aktiven Berufslebens – vermutlich 1922/23 – als Vertreter der „Nederlandschen Bankinstelling, s’Gravenhage“ ausgewiesen.
Ob 1933 die Wohnung in der Nürnberger Straße freiwillig oder gezwungenermaßen aufgegeben wurde, konnte nicht ganz nachvollzogen werden.
Einige Anhaltspunkte sprechen dafür, dass es keinen „geordneten Übergang“ in die Wohnung am Kaiserdamm 105 gab, die erst im Oktober 1936 bezogen wurde.
Augenscheinlich musste das Ehepaar fast zwei Jahre in unterschiedlichen Unterkünften überbrücken.
So war Julius Heskel im Adressbuch von 1934 in der Düsseldorfer Straße 42 zu finden, 1935 in der Trabener Straße 24 im Grunewald. Beide Adressen lassen sich (Antoinette) Toni Philipp zuordnen, der langjährigen Eigentümerin des Hauses in der Trabener Straße 24. Vielleicht handelte es sich bei Toni und ihrem Ehemann Dr. Hans Walter Philipp um Freunde aus dem jüdischen Bekanntenkreis der Heskels. Toni und Dr. Hans Walter emigrierten vor 1939 nach Großbritannien.
Auf Karteikarten im Bestand des Arolsen-Archivs finden sich für Elisabeth und Julius Heskel folgende Eintragungen, die ihre weiteren Unterkünfte vor ihrem Einzug in den Kaiserdamm 105 ausweisen: Demnach lebten sie vorübergehend in der Lietzenburger Straße 7, und ab 1. April 1936 in der Luciusstraße 12 bei Goldmann.
Am 8. Oktober 1936 erfolgte dann der Einzug in die Wohnung am Kaiserdamm 105. Der Mietvertrag für die 2 ½-Zimmer-Wohnung am Kaiserdamm 105 wurde am 21.Juli 1936 abgeschlossen; ab 1937 war Julius Heskel, Rentier, unter dieser Anschrift im Berliner Adressbuch.
Im selben Jahr, am 17. Oktober 1937 verfasste Elisabeths Ehemann Julius Heskel sein Testament, in dem er Elisabeth als Alleinerbin einsetzte. Julius führte darin aus, dass Elisabeth aus dem Verkauf des von ihren Eltern geerbten Hauses in der Marchstraße 23 noch Geld zustünde, sowie, dass seine Kinder bereits zu Lebzeiten mehr als ihre Pflichtteile erhalten hätten:
„Für den Fall meines Todes fällt meiner Ehefrau Elisabeth, geborene Petzall, allein mein gesetzlicher Nachlass ohne jede Einschränkung zu: ihr schulde ich die bei der Verheiratung erhaltene Mitgift von Fünfzigtausend Mark….
….Im November 1921 verkaufte ich das meiner Frau gehörige Grundstück Marchstr. 23. Den Erlös …habe damals erhalten und schulde ihn noch jetzt meiner Ehefrau.“
Knapp fünf Jahre später, am 12. März 1942 nahm sich Elisabeths Ehemann Julius das Leben.
Er vergiftete sich mit einer Überdosis Veronal, einem damals leicht zugänglichen Schlafmittel, um dem bevorstehenden Schicksal der Deportation zu entgehen. Julius wurde auf dem jüdischen Friedhof in Weißensee bestattet.
Im Juli 1942 bereiteten die Behörden die Deportation von Elisabeth Heskel vor:
Zunächst verfügte die Geheime Staatspolizei am 1. Juli 1942 die Einziehung des Vermögens „der Reichsfeindin“ Elisabeth Heskel. Sie musste die Wohnung verlassen und sich in der Sammelstelle im Jüdischen Altersheim in der Großen Hamburger Straße 26 einfinden. Unmittelbar danach wurde die hochwertige Wohnungseinrichtung zu Schleuderpreisen geschätzt, und am 28. Juli 1942 als „geräumt und versiegelt“ den Behörden gemeldet.
Am 30. Juli 1942 wurde Elisabeth Gertrud Heskel ab Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt deportiert.
Am 26. September 1942 wurde sie von Theresienstadt nach Treblinka weiterdeportiert und ermordet.
Schicksal der Kinder von Elisabeth und Julius Heskel
Tochter Charlotte Lucie ( * 22. Dezember 1895) heiratete am 26. Juli 1920 den Kaufmann Julian Rothholz ( * 7.Januar 1886), der ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte.
Julian hatte 1918 das Kurzwarengeschäft seines Vaters Isidor in Charlottenburg übernommen, das sich zuvor in der Sybelstraße 9 befand, und es in die Droysenstraße 4 verlegt.
Heskels Enkel Karl Heinz Paul wurde am 28. Mai 1921 in Berlin geboren.
Die Familie Rothholz wohnte bis 1922 in der Droysenstraße 4, und ab 1923 in der Mommsenstraße 61. Hier lebte sie bis 1933.
Ab 1934 wohnte die Familie in der Droysenstraße 12. Mit dieser Adresse wurden Julian und sein Sohn Karl Heinz Paul auch zur Volkszählung 1939 registriert. Charlotte lebte zu diesem Zeitpunkt in der Nassauischen Straße 47.
Laut Karteikarte im Arolsen Archiv war Charlotte Lucie mit letzter Unterkunft in der Wullenweber Straße 3 verzeichnet.
Am 19. Oktober 1942 wurde Charlotte Rothholz nach Riga deportiert, wo sie nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 ermordet wurde.
Karl Heinz Paul hatte Kontakte zum antifaschistischen Widerstand um Herbert Baum. Im Dezember 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet und kam in die Strafanstalt Plötzensee.
Am 4. Mai 1943 wurde mit dem Fallbeil hingerichtet.
Heskels Schwiegersohn Julian Rothholz , Charlottes Ehemann, war zuletzt im Adressbuch aus dem Jahr 1941 in der Droysenstraße 12 zu finden.
Am 1. März 1943 wurde Julian Rothholz mit dem 31. Osttransport in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Am 4. März 1943 wurde er ermordet.
In der langjährigen Wohnung der Familie in der Droysenstraße 12 wohnte 1939 ebenfalls Julians Mutter Hulda Rothholz, geb. Samuel (* 11. Januar1866).
Hulda Rothholz wurde am 25.8.1942 nach Theresienstadt deportiert.
Auch Julians Schwester Edith Rothholz-Craupton (* 16. Juni 1882), lebte 1939 dort. Sie konnte (vermutlich nach Frankreich) fliehen und starb 1953 in Paris 1953.
Für Charlotte Rothholz wurde 2006 ein Stolperstein in der Nassauischen Straße 47 in Charlottenburg-Wilmersdorf verlegt.
Heskels Tochter Alice (* 24.Juli 1900) heiratete den Gynäkologen Dr. Albert Stahl (* 29. März 1899). Das Ehepaar wohnte in der Zähringer Str. 11. Der Sohn Rolf Helmut wurde am 29. Dezember 1926 geboren.
1932 zog die Familie nach Tegel, in die Berliner Straße 100. Hier führte Albert Stahl seine Praxis weiter, bis 1936 Wohnung und Praxis sich in der Dietrich-Eckard-Straße 2-4 befanden.
1938 emigrierte Dr. Albert Stahl mit seiner Ehefrau Alice und Sohn Rolf Helmut in die USA.
„Ralph Henry“ Stahl wurde ein renommierter Kernphysiker. Er arbeitete zunächst an der University of California Berkeley und ab 1956 für General Atomic Corp. in La Jolla (nahe San Diego) an der Entwicklung des Forschungsreaktors TRIGA. Dieser wurde in den folgenden Jahren in mehr als 65 verschiedenen Ausführungen weltweit (24 Länder in fünf Kontinenten, darunter auch 6 in Deutschland) installiert. Ralph Henry starb 2004.
Alice Stahl stellte 1958 mehrere Wiedergutmachungs- und Entschädigungsanträge für den Verlust von Wertpapieren, der Wohnungseinrichtung und Demütigungsmaßnahmen, die ihre Eltern erdulden mussten.
Alice Stahl verstarb am 18. September 1984 in San Diego, Kalifornien.
Heskels Sohn Walter (* 10. Dezember 1897) lebte nachweislich Jüdisches Adressbuch von 1929 und 1931 im Haushalt seines Onkels Georg und Franziska Heskel und deren Sohn Albert – seinem Cousin – in der Kurfürstenstraße 125 a.
Walter heiratete Lotte Amanda Sliwinski (* 16. März 1898), ein Datum der Eheschließung ist nicht bekannt.
Bei der Volkszählung 1939 wurde Walter in der Kurfürstenstraße 10 registriert, für Lotte ist die Bachstraße 3 notiert.
Auf Karteikarten im Arolsen Archiv ist hinterlegt, dass Walter und Lotte Heskel am 19. August 1940 in der Brückenallee 10 zur Untermiete bei Straßburger, am 06.10.1942 in der Heilbronner Straße 3 bei Salomanson lebten. Außerdem kann man einer weiteren Karteikarte entnehmen, dass offenbar beide am 1.März 1943 verhaftet wurden. Weiterhin wurde unter dem Datumseintrag 8. November 1943 „von der Gestapo abgeholt“ vermerkt.
Tatsächlich konnten Walter und Lotte Heskel fliehen und untertauchen. Mit Hilfe vom Fluchthilfe-Netzwerk um Luise Meier in Berlin Grunewald und Josef Höfler in Singen (Hohentwiel) konnten Walter und Lotte Heskel am 17. April 1944 nach Hofen in der Schweiz entkommen.
Von dort konnten sie nach Ende des Krieges mit Hilfe der Familien von Alice und Albert Stahl sowie des Cousins Albert Heskel in die USA auswandern.
Walter starb vermutlich zwischen 1957 – 1961 in New York., Lotte nach 1961.
Schicksal von Elisabeth Heskels Schwester Margarete
Margarete Petzall (* 24. Januar 1875) heiratete Leopold Hamburger (* 8. Februar 1862).
Leopold Hamburger war Fabrikbesitzer. Das Ehepaar wohnte im Grunewald, Jagowstraße 30. Die beiden mussten 1939 ihr Anwesen verlassen; Leopold hielt sich bei der Volkszählung offenbar in der Richard-Strauss Str. auf, Margarethe hingegen war in der Havelstraße 14 in Charlottenburg registriert.
Margarethes Ehemann Leopold starb am 4. Januar 1940 mit 78 Jahren. Über die Todesursache ist nichts näheres bekannt.
Wie lange Margarethe in der Havelstraße 14 lebte, ist nicht bekannt. Aus der im Bestand des Arolsen-Archives befindlichen Karteikarte geht lediglich ihr letzter Aufenthalt vor der Deportation hervor. Dies war in Charlottenburg in Alt Lietzow 42, bei Treubert.
Vermutlich am 9. Juli 1942 wurde Margarethe Hamburger mit einem der fünf Alterstransporte, die zwischen 6. bis 10.Juli 1942 von Berlin mit je 100 Menschen abgingen, nach Theresienstadt deportiert.
Am 19. September 1942 wurde Margarethe noch nach Treblinka deportiert und ermordet.
Biografische Zusammenstellung
Stiftung KUNSTFORUM der Berliner Volksbank gGmbH und Sabine Davids