HIER WOHNTE
LEOPOLD SIMKE
JG. 1874
VERHAFTET 27.5.1942
VERGELTUNGSAKTION
NACH ANSCHLAG AUF
AUSSTELLUNG
‘DAS SOWJETPARADIES’
SACHSENHAUSEN
ERMORDET 28.5.1942
Leopold Simke wurde am 19. September 1874 als Sohn des Schneidermeisters Moritz Simke und seiner Ehefrau Emilie geb. Kaul in Posen geboren. Er besuchte dort die Oberrealschule, absolvierte eine Ausbildung zum Uniformschneider und zusätzlich eine kaufmännische Ausbildung. Er übernahm später das Geschäft des Vaters, der in Posen eine Uniformschneiderei betrieb. 1901 siedelte er nach Berlin über und betrieb dort eine eigene Uniformschneiderei.
Am 9. September 1901 heirateten Leopold Simke und Bertha Koschminski, geboren am 3. Dezember 1875 in Witkowo bei Posen. Das Ehepaar bekam zwei Kinder, die Tochter Margarete, geboren am 16. Juli 1902, und den Sohn Ernst, geboren am 10. Juni 1908 in Berlin. Für die Kinder hatten die Eheleute eine Erzieherin engagiert. Ernst Simke wanderte bereits als junger Mann 1928 nach Shanghai aus und lebte dann für den Rest seines Lebens in Manila/Philippinen.
Nach dem Ersten Weltkrieg betrieb Leopold Simke einen – nach Aussagen der Ehefrau – gut gehenden Handel mit Herrenstoffen und Schneiderbedarfsartikeln, zuerst in der Waitzstraße 19 in Charlottenburg, später – in den 1930er Jahren – in der Ravensberger Straße 5. Diese Adresse war gleichzeitig die Wohnanschrift der Familie und auch der letzte gemeinsame Wohnort des Ehepaars Simke.
Leopold Simke soll in seinem Betrieb eine Kontoristin und mindestens zwei Vertreter beschäftigt haben. Für 1932 bis 1934 gibt Bertha Simke ein monatliches Einkommen von ca. 1.200 RM an. Danach flaute das Geschäft stark ab, ab 1935 wurden kaum noch Erträge erwirtschaftet. 1937 verfügte Leopold Simke über lediglich 200 RM als monatliche Einnahmen. Wie seine Tochter berichtet, hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits 2 Zimmer der insgesamt 5 Zimmer großen Wohnung untervermietet.
1927 wurde Leopold Simke vom Schöffengericht Wedding zu einer Strafe von 14 Monaten Gefängnis verurteilt, der Grund ist unbekannt. Es gelang ihm die Strafverbüßung immer weiter hinaus zu zögern. Als er schließlich 1936 wegen eines Betrugsverfahrens (gem. Aktenlage wegen Verstoßes gegen das Branntweinmonopol des Staates) erneut straffällig wurde und nunmehr die (alte) Strafe antreten sollte, flüchtete er in die Tschechoslowakei, wo er in Prag aller Wahrscheinlichkeit nach auch seinen älteren Bruder Robert Simke getroffen hat. Leopold Simke wurde per Haftbefehl vom 17. September 1936 gesucht, sodass er nach seiner Rückkehr ins Deutsche Reich im April 1937 festgenommen wurde. Er wurde in Moabit in Untersuchungshaft genommen und am 23. Juni 1937 schließlich wegen ‚Kommissionsbetrug‘ zu 10 Monaten Haft verurteilt. Im November erfolgte eine weitere Verurteilung wegen Devisenvergehens. Es wurde nunmehr eine Gesamtstrafe von 21 Monaten zuzüglich 1.000 RM
Geldstrafe gebildet, die Leopold Simke in der Haftanstalt Tegel absitzen musste. Aus den erhaltenen Unterlagen lässt sich allerdings nicht feststellen, wann er tatsächlich – unter Berücksichtigung der Strafe aus dem Jahre 1927 – aus der Haft entlassen wurde, vermutlich jedoch im 2. Quartal 1939.
Während Leopold Simke sich noch in Haft befand, gelang es seiner Frau Bertha am 1. März 1939 Deutschland in Richtung England zu verlassen, wo ihre mit dem Zahnarzt Dr. Erich Cohn verheiratete Tochter Margarete bereits länger lebte. Erich Cohn hatte für sie gebürgt. Der Kriegsbeginn am 1. September 1939 und die Haft von Leopold Simke machte eine Kommunikation zwischen den Ehepartnern nicht mehr möglich, sie sahen sich nie wieder.