Stolpersteine Fritschestr. 68

Hauseingang Fritschestraße 68

Hauseingang Fritschestraße 68

Die Stolpersteine für Therese Weinstock und Clara Seligsohn wurden am 8. April 2022 verlegt. Clara Seligsohns Stolperstein wurde von Gabriele Ivo gespendet.

Stolperstein Therese Weinstock

Stolperstein Therese Weinstock

HIER WOHNTE
THERESE WEINSTOCK
JG. 1866
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 13.10.1942

Therese wurde am 17. Juni 1866 in Lauenburg, Ost-Pommern geboren. Sie war das vierte von sieben Kindern und die zweite von drei Töchtern. Ihr Vater starb früh und die Mutter Bertha musste die sieben Kinder ohne fremde Hilfe aufziehen. Ihren Lebensunterhalt erwirtschaftete sie durch den Betrieb eines kleinen Geschäfts.

Mutter Bertha versuchte einen passenden Mann für Therese zu finden. Sie aber war entschlossen, nicht zu heiraten. Wann immer ein würdiger junger Mann eintraf, flüchtete sie auf den Dachboden, so berichtete Ilse Lasnitzki, ihre Nichte. Auch Max Lasnitzki lehnte sie rundweg ab. Später kam sein jüngerer Bruder Adolf und heiratete Jenny, die jüngste Tochter Berthas. Diese beiden sind Ilses Eltern, Miriam Glucksmann´s (Autorin des Berichts) Großeltern.

Therese heiratete nicht und lebte mit ihrer Mutter zusammen. In den 1890-er Jahren zogen beide von Lauenburg nach Berlin, um nahe bei der Familie zu sein, denn die meisten ihrer Söhne wohnten bereits hier. Von da an lebten sie mehrere Jahrzehnte in ihrer Wohnung in der Fritschestraße 68. Therese sorgte für ihre Mutter, bis sie 83-jährig im Jahr 1924 starb. Ilse und ihre verwitwete Mutter wohnten nahebei in der Kantstraße und Ilse besuchte ihre Großmutter und Tante jeden Tag auf ihrem Heimweg von der Schule. Ihre Mutter litt unter Panikattacken und verließ nur zum Einkaufen die Wohnung. Tante Therese war freundlich und fürsorglich und eine große Hilfe für die junge Ilse. Sie liebte sie sehr. Sie kümmerte sich um ihre Nichte, deren Vater tot und die Mutter krank war.

1935 verboten die „Rassenschande-Gesetze“ jegliche Beziehungen zwischen Juden und Ariern und Ilse und ihr nichtjüdischer Partner beschlossen, nicht weiter zusammen zu leben. Therese lud sie ein, bei ihr zu wohnen und dort blieb sie, bis sie Berlin endgültig verließ.

Ilse erfuhr trotz mehrerer Versuche nichts vom Verbleib Thereses, aber sie fürchtete das Schlimmste. Sie bat ihren früheren Lebenspartner herauszufinden, was geschehen war. Er sprach mit der nicht-jüdischen Mieterin, die seit 1941 in der Wohnung wohnte. Auf die Frage nach Thereses Möbeln und Schmuck, antwortete sie vage und und behauptete, Therese sei freiwillig ausgezogen.

Wahr ist, dass Therese 1941 die Wohnung verlassen musste und in der Turmstraße 51 untergebracht wurde. Vermutlich ein sogenanntes Judenhaus, in denen die Menschen zusammengepfercht leben mussten, um sie weiter zu demütigen und unter Kontrolle zu halten.

Am 3. Oktober 1942 wurde Therese mit insgesamt ca. 1000 Personen in Viehwaggons nach Theresienstadt gebracht. Ihr Bruder Werner und ihre Nichte Alice Weinstock waren ebenfalls hier. Vielleicht haben sie sich noch gesehen. Therese starb schon kurze Zeit später, am 13. Oktober 1942 im Alter von 70 Jahren an Darmkatarrh. Eine Krankheit, an der dank der schlechten sanitären Verhältnisse und mangels medizinischer Versorgung viele Menschen starben.

Bericht von Miriam Glucksmann für ihre Mutter Ilse Lasnitzki-Glucksmann (1908-2000), Nichte von Therese

Quellen: Opferlisten, Deportationslisten, Yad Vashem, Arolsen-Archiv

Stolperstein Clara Seligsohn

Stolperstein Clara Seligsohn

HIER WOHNTE
CLARA SELIGSOHN
GEB. NEUMANN
JG. 1872
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 10.3.1943

Clara Neumann wurde am 27. Oktober 1872 in Neumarkt, Schlesien geboren. Von ihrer Familie, über ihren Ehemann Seligsohn, ob sie Kinder hatte, wann sie nach Berlin gezogen ist, ist nichts bekannt. Sie war Nachbarin von Therese Weinstock und erlitt dasselbe Schicksal. Auch sie musste ihre Wohnung von heute auf morgen verlassen und wohnte bis zu ihrer Deportation zur Untermiete in der Bozener Str. 13/14 bei Rittlewski.

Beide Frauen mussten sich am Bahnhof Berlin-Moabit einfinden. Bei der Deportation nach Theresienstadt am 3. Oktober 1942 handelte es sich um den dritten von insgesamt vier Transporten mit mehr als 1000 Menschen. Es waren mehrheitlich ältere Menschen über 65 Jahren aus unterschiedlichen Stadtteilen, die nicht in Heimen, sondern zuletzt in Wohnungen gewohnt hatten. Eine Strapaze für jeden Menschen, ohne Essen und Trinken und ohne Toiletten. Besonders aber für alte Menschen. Am folgenden Tag traf der Zug in Theresienstadt ein.

Clara Seligsohn überlebte in dem Ghetto ein halbes Jahr. Am 10. März 1943 starb sie, vermutlich an den Folgen der schlechten Ernährung und mangelnden medizinischen Versorgung. Clara wurde 70 Jahre alt.

Text: Monika Herz

Quellen:
Yad Vashem
Arolsen-Archiv
Gedenkbuch