Mittlerweile hatte Irenes Familie sich um die Emigration in die USA bemüht. Ein Bruder ihres Vaters, Danny, hatte Deutschland bereits 1936 verlassen und war nach Chile emigriert. Einem weiteren Bruder, Martin, war Anfang 1938 die Ausreise nach New York gelungen, zusammen mit seiner Tochter Dorit, der Charlotte, Irenes Mutter, sehr nahestand. Die Eltern Blumenthal mit ihrer Tochter Eva schafften es nicht, Visa zu bekommen. Und so wurden sie am 1. Januar 1939 gezwungen, ihre große Wohnung zu verlassen und stattdessen zur Untermiete in die Wiesener Str. 33 in Schöneberg umzuziehen.
Glücklicherweise, trotz aller widrigen Umstände, gelang es Erich, Charlotte und Eva Blumenthal doch noch, Berlin im August 1939 zu verlassen. Möglicherweise mit der Hilfe eines Berliner Polizeibeamten, den Erich noch aus seiner aktiven Zeit als Rechtsanwalt kannte. Sie schafften es nach Melbourne mit gerade einmal 200 Pfund. Ihre Tochter Irene mit Ehemann Paul Glaser sollte nachkommen, sobald sie nach ihrer Ankunft die nötigen Mittel mit Hilfe ihres Sponsors Mr. Henly aus Geelong, Australien aufgetrieben hätten. Im September jedoch brach der Krieg aus, es war zu spät und ab jetzt unmöglich, aus Deutschland herauszukommen.
Zwar gelang es vielen Menschen auch nach Ausbruch des Krieges, aus Deutschland zu flüchten. Irene hatte ihren früheren Berliner Rabbi Swarensky, der bereits in die USA emigriert war, um Hilfe gebeten, er schien aber nichts mehr für sie tun zu können.
In der Zeit zwischen Anfang 1940 und März 1941 schickte Irene ihrem Onkel Atty Leske in Amsterdam 14 handgeschriebene Postkarten. Es gibt sie noch, sie ließen den Überlebenden und auch uns heute die junge Frau lebendig werden, indem sie uns einen kleinen Einblick gewähren, wie mutig und selbstbestimmt sie ein eigenes, wenn auch kurzes, Leben für sich gewählt hat.
Darin schrieb sie, dass ihr im Laufe des Jahres 1940 klar wurde, dass sie ihren Mann Paul nie wirklich geliebt habe und sich scheiden lassen wollte. Dazu musste sie einige Hürden überwinden, Paul wollte erst nicht einwilligen, aber schließlich gab er nach und die Scheidung wurde am 19. März 1941 ausgesprochen. An ihren Onkel schrieb sie am 28.12.1940: “Ich bin glücklich, allein zu sein. Mein neues Leben begann gerade heute vor 2 Wochen, ich möchte nie wieder zurück. Ich freue mich, dass du mir keine moralischen Predigten gehalten hast und einfach Verständnis für mich hast”.