Stolpersteine Duisburger Straße 6

Hausansicht Duisburger Straße 6

Diese 14 Stolpersteine wurden am 23. November 2021 verlegt.
Die Stolpersteine für das Ehepaar Kaufmann wurden vom Urenkel Darryl Kaufmann gespendet, der für Erna Keins von Jutta Weege und der für Anna Zippert von Bärbel und Thomas Baltes.
Die weiteren zehn Stolpersteine finanzierte die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft m.b.H, die das Haus für die Katholische Kirche, verwaltet.

Stolperstein Joseph Kaufmann

HIER WOHNTE
JOSEPH KAUFMANN
JG. 1865
DEPORTIERT 10.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Joseph Kaufmann wurde am 31. Dezember 1865 in Bamberg als Sohn des Hopfenhändlers Julius Kaufmann geboren. Er war das zweite von fünf Kindern. Auch er wurde ein erfolgreicher Hopfenhändler – zunächst in Bamberg und ab Anfang des 20. Jahrhunderts in London.

1896 heiratete er Bertha Klein, die ebenfalls aus einer Hopfenhändlerfamilie in Bamberg stammte. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Erna, die 1897 geboren wurde und 1939 in die USA floh und Julius, der 1906 das Licht der Welt erblickte und sein Leben durch Flucht nach Südafrika 1935 retten konnte.

Im Laufe des Ersten Weltkrieges wurde Joseph Kaufmann auf der Isle of Man als „enemy alien“ – gemeinsam mit vielen weiteren in Großbritannien lebenden Deutschen, die als Bürger des Feindeslandes galten – interniert. Seine Familie hatte er nach Deutschland zurückgeschickt. Möglicherweise noch während des Krieges, auf alle Fälle aber nach Kriegsende, kehrte auch er nach Deutschland zurück.

Die Kaufmanns ließen sich in Berlin-Wilmersdorf nieder, wo Joseph in den 20er und 30er Jahren weiterhin als Geschäftsmann (angestellt bei Wilhelm Kaufmann, Mommsenstraße 49) tätig war. Diese Stellung hatte er bis 1939 inne. Vermutlich lebten Joseph und Bertha Kaufmanns anfänglich in der Helmstedter Straße 16, anschließend wohl mindestens für zehn Jahre in der Pfalzburger Straße 87. Mindestens ab 1937 – der Sohn war bereits geflohen, die Tochter verheiratet – wohnten sie in der Duisburger Straße 6.

Im Sommer 1939 hatten Bertha und Joseph Kaufmann sehr konkrete Pläne, ebenfalls nach Johannesburg zu emigrieren. Sie befanden sich tatsächlich schon auf einem Schiff nach London, als der Zweite Weltkrieg am 1. September 1939 ausbrach und das Schiff nach Deutschland zurückkehren musste. Die Kaufmanns mussten bis zu ihrer Deportation in Berlin bleiben. 1940/41 wurden sie zwangsweise aus ihrer Wohnung in der Duisburger Straße 6 ausgewiesen. Das gesamte Vermögen und die Einrichtung wurden – wie es bei solchen Zwangsumzügen üblich war – „zugunsten des Deutschen Reiches“ beschlagnahmt. Sie wurden in die Konstanzer Straße 59 einquartiert. Dort lebten sie möbliert zur Untermiete mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Bad für 80 Reichsmark im Monat. In der Vermögenserklärung, die sie unmittelbar vor der Deportation ausfüllen mussten und die das „Inventar“ dieser letzten Unterkunft betraf, heißt es „kein Vermögen jeglicher Art, keine Möbel, kein Geschirr“.

Die sog. „kleinen Alterstransporte“ zum „Altersghetto“ Theresienstadt mit 50 bis 100 Menschen wurden meist mit den vom Anhalter Bahnhof fahrplanmäßig über Dresden nach Prag verkehrenden „Karlsbader Bäderzügen“ organisiert, an die man ein oder zwei „Sonderwaggons“ anhängte. Die darin eingepferchten Menschen wussten nicht, wohin die Reise ging und was sie erwartete. Angeblich sollten sie „umgesiedelt“ werden.

Joseph Kaufmann wurde so – zusammen mit seiner Frau Bertha – am 10. Juli 1942 mit dem sog. „19. Alterstransport“ vom Anhalter Bahnhof, Gleis 2, nach Theresienstadt deportiert und am 19. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort ermordet.

Recherche: Darryl Kaufmann, Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen: – Volkszählung vom 17.5.1939 – Gedenkbuch des Bundesarchivs – Berliner Adressbücher – Deportationsliste – Bericht von Nachfahren

Stolperstein Bertha Kaufmann

HIER WOHNTE
BERTHA KAUFMANN
GEB. KLEIN
JG. 1873
DEPORTIERT 10.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Bertha Kaufmann kam am 13. Mai 1873 als eines von sechs Kindern des Hopfenhändlers Max Klein und seiner Frau Louise geb. Hoffmann in Bamberg zur Welt. Im Alter von 23 Jahren heiratete sie 1896 den acht Jahre älteren, ebenfalls aus einer Bamberger Hopfenhändlerfamilie stammenden Joseph Kaufmann. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: Die Tochter Erna wurde 1897 geboren, der Sohn Julius 1906.
Anfang des 20. Jahrhunderts lebten die Kaufmanns in London, wo Joseph als Hopfenhändler weiter erfolgreich war.

Bertha Kaufmann ging mit den beiden Kindern nach Deutschland zurück, als ihr Mann nach Beginn des Ersten Weltkrieges als „enemy alien“ auf der Isle of Man interniert wurde. Sie lebte in Nürnberg. Nachdem der Familienvater noch während – oder spätestens nach Ende – des Krieges auch nach Deutschland zurückkehren konnte, zogen die Kaufmanns nach Berlin.

Die Kaufmanns ließen sich nun in Berlin-Wilmersdorf nieder, wo Joseph in den 20er und 30er Jahren weiterhin als Geschäftsmann (angestellt bei Wilhelm Kaufmann, Mommsenstraße 49) tätig war. Diese Stellung hatte er bis 1939 inne. Vermutlich lebten die Kaufmanns anfänglich in der Helmstedter Straße 16, anschließend wohl mindestens für zehn Jahre in der Pfalzburger Straße 87. Spätestens ab 1937 wohnten sie in der Duisburger Straße 6.

Die Tochter Erna hatte bereits 1914 geheiratet. Sie hatte mit ihrem Mann Paul Hartog den gemeinsamen Sohn Gert Hartog (geboren 1924 in Berlin, ermordet 1945 in Mauthausen). Erna emigrierte nach der Scheidung von Paul Hartog 1939 in die USA, wo sie erneut heiratete.

Der Sohn Julius war bereits 1935 nach Südafrika ausgewandert. Er war mit der protestantischen Künstlerin Doris Zach (geb. 8. April 1909) verheiratet. Sie folgte ihm, nur wenige Monate nach dessen Flucht, nach Südafrika. Das Ehepaar hatte einen Sohn und zwei Töchter, die in Johannesburg zur Welt kamen. Julius selbst litt sein Leben lang unter dem Trauma des Holocaust. Dies hatte auch Auswirkungen auf seine Ehe und seine eigenen Kinder. Nachfahren von Julius und Doris Kaufmann leben heute in Südafrika, Australien und in Großbritannien.

Im Sommer 1939 hatten Bertha und Joseph Kaufmann sehr konkrete Pläne, ebenfalls nach Johannesburg zu ihrem Sohn zu emigrieren. Sie befanden sich tatsächlich schon auf einem Schiff nach London, als der Zweite Weltkrieg am 1. September 1939 ausbrach und das Schiff nach Deutschland zurückkehren musste. Die Kaufmanns mussten bis zu ihrer Deportation in Berlin bleiben. Vor der Deportation wurde das Ehepaar noch zwangsweise aus der Duisburger Straße 6 in ein Untermietzimmer in der benachbarten Konstanzer Straße 59 umgesiedelt und des gesamten Vermögens beraubt.

Am 10. Juli 1942 wurde Bertha Kaufmann – gemeinsam mit ihrem Mann Joseph – mit dem sog. „19. Alterstransport“ vom Anhalter Bahnhof, Gleis 2, zusammen mit 98 weiteren jüdischen Berlinern und Berlinerinnen nach Theresienstadt deportiert. Am 19. September 1942 wurden beide in das Vernichtungslager Treblinka weiter deportiert und dort ermordet.

Recherche: und Text: Darryl Kaufmann, Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen: – Volkszählung vom 17.5.1939 – Gedenkbuch des Bundesarchivs – Berliner Adressbücher – Deportationsliste – Bericht von Nachfahren.

Stolperstein Erna Keins

HIER WOHNTE
ERNA KEINS
GEB. OPPENHEIM
JG. 1884
DEPORTIERT 29.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Margot Gottfeld

HIER WOHNTE
MARGOT GOTTFELD
GEB. KEINS
JG. 1912
DEPORTIERT 29.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Dr. Erich Gottfeld

HIER WOHNTE
DR. ERICH GOTTFELD
JG. 1906
DEPORTIERT 29.1.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 22.2.1943

Erich Gottfeld wurde am 18. April 1906 in Bromberg (heute Bydgoszcz in der polnischen Woiwodschaft Kujawien-Pommern, Województwo Kujawsko-Pomorskie) geboren. Wann genau er nach Berlin kam, war nicht festzustellen. Sicher ist aber, dass er seine Ausbildung zum promovierten Diplomkaufmann (Dr. oec.) in Berlin absolviert und im Verlauf seines erfolgreichen Werdegangs eine Beteiligung an der Firma für Arbeiterbekleidung seines Bruders Hugo in Stettin erworben hatte.

Zwischen 1936 und 1940 veröffentlichte Dr. Gottfeld zahlreiche kleinere Artikel zu Wirtschafts- und Steuerthemen in jüdischen Zeitungen. 1938 publizierte er zusammen mit Heinz Julius Mendel Cohn das Buch „Auswanderungs – Vorschriften für Juden in Deutschland”.
Dr. Erich Gottfeld und Margot Keins heirateten am 5. Mai 1936 vor dem Wilmersdorfer Standesamt. Das Ehepaar bewohnte in der Duisburger Straße 6 eine wertvoll eingerichtete und ausgestattete Wohnung mit drei Zimmern. Ein Zeitzeuge berichtet von einem echten orientalischen Teppich, Silberbesteck und wertvollem Schmuck, einer wirtschaftlich abgesicherten, gutbürgerlichen Lebenssituation also. Das änderte sich jedoch, als die Stettiner Firma, an der Erich Gottfeld beteiligt war, im Verlauf des Boykotts jüdischer Firmen und Geschäfte – was sowohl den Einkauf als auch die Begleichung von Schulden betraf – zwangsverkauft wurde.

Im Verlauf der antijüdischen Verfolgungsmaßnahmen wurden die wertvollen Möbel und Besitztümer der Gottfelds in Berlin von der Gestapo beschlagnahmt und später „zugunsten des Deutschen Reiches” enteignet, sodass nur das Nötigste in der Wohnung verblieb. Ebenso beraubten die Nationalsozialisten das Ehepaar aller sonstigen Vermögenswerte.

Dr. Erich Gottfeld musste bei der Firma „Fritz Weber und Co. Metallwaren- und Laternenfabrik” in der damaligen Graetzstraße für 110 RM im Monat Zwangsarbeit leisten. Der Firmeninhaber Fritz Weber war Parteigenosse und wurde als „Wehrwirtschaftsführer“
- ein Ehrentitel, der von der NSDAP an die Leiter rüstungswichtiger Betriebe vergeben wurde – ausgezeichnet. In den Fabrikgebäuden mit den Hausnummern 1–4 produzierte das Unternehmen mit mehr als 2300 ZwangsarbeiterInnen Waffen und Kriegsmaterialien für den Zweiten Weltkrieg.

In dieser schwierigen Zeit wurde 1940 das Töchterchen Zilla geboren. Die Mutter von Margot Gottfeld, Erna Keins, war bereits verwitwet. Sie zog in eines der Zimmer bei Tochter und Schwiegersohn und dem kleinen Enkelkind ein. Der Gerichtsvollzieher stellte 1943 – nach der Deportation der gesamten Familie – fest, dass Erna Keins „…kein Vermögen, kein Hausrat, nichts hinterlassen…” hatte.

Erich, Margot und Zilla Gottfeld sowie Erna Keins mussten sich im ehemaligen Jüdischen Altenheim in der Großen Hamburger Straße 26, das von den Nationalsozialisten als „Sammellager” missbraucht wurde, einfinden. Von dort wurden sie am 29. Januar 1943 mit dem sog. „27. Osttransport” – zusammen mit weiteren 996 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern – nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht. Erna Keins war 59 Jahre alt, Erich war 37 und Margot 31 Jahre alt und die kleine Zilla kaum drei Jahre.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen: – Volkszählung vom 17.5.1939 – Gedenkbuch des Bundesarchivs – Landeshauptarchiv Berlin-Brandenburg

– Landesarchiv Berlin – Ehem. Fabrikgebäude Fritz Weber und Co: Wanderungen und Rundwege | komoot

Stolperstein Zilla Gottfeld

HIER WOHNTE
ZILLA GOTTFELD
JG. 1940
DEPORTIERT 29.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Selma Lewald

HIER WOHNTE
SELMA LEWALD
GEB. DEUTSCHKRON
JG. 1878
DEPORTIERT 11.7.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Selma Lewald geb. Deutschkron wurde am 7. Mai 1878 in Zirke in der Nähe von Posen (heute Sieraków in der Woiwodschaft Großpolen) geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Moritz Deutschkron und seine Frau Flora.
Selma heiratete am 9. Juni 1908 den Dampfwäschereibesitzer Arthur Lewald. Ihr Beruf wurde in der Heiratsurkunde mit „Näherin“ angegeben. Das Ehepaar wohnte zunächst in der Prenzlauer Allee 48, später in der Christburger Straße 2. Arthur Lewald starb im Alter von 37 Jahren am 12. November 1913. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zog die junge Witwe in die Seesener Straße 2, dort ist sie im Adressbuch von 1937 eingetragen. Zur Zeit der Volkszählung von 1939 lebte sie in der Duisburger Straße 6 in Wilmersdorf.

Vor ihrer Deportation wurde sie zwangsweise in ein sogenanntes „Judenhaus” in der Sybelstraße 15 in Charlottenburg umquartiert. Sie wurde in die Wohnung von Sara Cohnheim geb. Prager eingewiesen, in der bereits andere „Untermieter:innen” wohnten. Frau Cohnheim nahm sich am 6. August 1942 das Leben.

Am 11. Juli 1942 wurde Selma Lewald mit dem sog. „17. Osttransport” mit weiteren 199 jüdischen Berliner:innen in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Dieser Deportationszug wurde für Berlin als „Teiltransport” bezeichnet, da mit ihm insgesamt über 1000 Menschen – u.a aus Hamburg, Westfalen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Pommern – in den Tod geschickt wurden.

Selma Lewalds Spur verliert sich mit diesem Transport, was vermuten lässt, dass sie bereits während der Fahrt von Berlin nach Auschwitz umkam oder unmittelbar nach Ankunft dort ermordet wurde.

Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- ITS Arolsen
- Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer,
- Landesarchiv Berlin
- Berliner Adressbücher

Stolperstein Hugo Lublinski

HIER WOHNTE
HUGO LUBLINSKI
JG. 1887
FLUCHT BELGIEN
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 4.3.1943
SOBIBOR
ERMORDET

Hugo Lublinski wurde am 27. Mai 1887 in Gembitz in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Woiwodschaft Kujawien-Pommern, Województwo Kujawsko-Pomorskie) geboren. Seine Familie siedelte im Jahr 1900 nach Berlin über.

Hugo Lublinski war Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg und wurde schwer verwundet. Nach dem Krieg etablierte er sich als Kaufmann in Berlin und gründete im Jahr 1920 die Firma „Kriegerdank”, die u.a. eine Zeitschrift für Kriegsverletzte und Hinterbliebene herausgab, welche sich sehr schnell weiterentwickelte. Zudem führte er für eine große Anzahl bekannter Zeitungen im Deutschen Reich technische Beratung und auch die Ausführung moderner Zeitungswerbung durch und betätigte sich auf dem Gebiet der Auswertung von Patenten. So erwarb er im Laufe der Zeit ein großes Vermögen, besaß ein elegantes ausländisches Auto und hatte in der Bayernallee eine große, sehr vornehm eingerichtete 5–6 – Zimmer – Wohnung.

Dann allerdings wurde 1933 seine Firma, in der 30 Angestellte und ein Prokurist arbeiteten, „arisiert”. Es gelang ihm, die Firma pro forma an einen Angestellten zu verkaufen, sodass er bis 1938 am Gewinn beteiligt war. 1938 wurde jedoch das gesamte Vermögen der Familie beschlagnahmt. Hugo Lublinski mietete zu dieser Zeit seine Wohnung in der Duisburger Straße 6, möglicherweise aus Sicherheitsgründen, um auch seine Auswanderung vorzubereiten.

Er emigrierte wohl noch 1939 mit seiner nicht-jüdischen Ehefrau nach Belgien, wurde dort jedoch im Mai 1940 verhaftet und nach Frankreich ausgewiesen. Von der Vichy-Regierung, die mit den Nazis kollaborierte, wurde er als „unerwünschter Ausländer” in das Internierungslager Saint – Cyprien verbracht. Von dort wurde er in das Sammellager Drançy „überstellt” und am 4. März 1943 auf Anordnung der deutschen Regierung nach Sobibor deportiert. Dort wurde er ermordet.

Die Ehefrau, die wegen ihrer „arischen” Herkunft nicht interniert worden war, teilte seinem Bruder Hermann den Tod von Hugo Lublinski in einem Brief mit. Sie erschoss sich im Jahr 1946. Dem Bruder Herrmann gelang die Flucht zuerst nach Ecuador und dann in die USA . Er überlebte als Einziger der Familie.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Entschädigungsamt Berlin

Stolperstein Henriette Refeld

HIER WOHNTE
HENRIETTE REFELD
JG. 1886
DEPORTIERT 28.3.1942
PIASKI
ERMORDET

Henriette Refeld wurde am 1. Dezember 1886 in Rogasen in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Rogoźno in der Woiwodschaft Großpolen) geboren.

Sie hatte zwei Schwestern: – Selma, die am 7. Juli 1884 ebenfalls in Rogosen geboren wurde. Sie war ledig, Schneiderin und wohnte in Berlin-Prenzlauer Berg. Von ihr wird berichtet, dass sie einen größeren Lottogewinn erhalten habe. Sie wurde am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet, – und Rosa, der es gelang nach Chile auszuwandern und die als einzige der Schwestern überlebte.

Wann und warum Henriette Refeld nach Berlin kam, ist nicht bekannt. Sie war unverheiratet und bezeichnete sich selbst als Modistin. In den Berliner Adressbüchern ist sie 1935 als Schneiderin in der Mommsenstraße 50, ab 1937 am Kurfürstendamm 109 und ab 1939 in der Duisburger Straße 6 eingetragen. Hier lebte sie in einer eineinhalb Zimmerwohnung.

Ein Zimmer hatte sie sich als Schlaf – Wohnzimmer sehr ansprechend eingerichtet.
Das halbe Zimmer war ihr Atelier mit einer neuen Singer Nähmaschine, wie in den Akten berichtet wird. Sie lebte in wirtschaftlich abgesicherten Verhältnissen und konnte sich auch schönen Schmuck leisten. Ihre Schwester Rosa berichtete über schöne Porzellangegenstände und Gläser aus Kristall.

Eigentlich hatte auch Henriette Refeld vor, zusammen mit ihrer Schwester Selma auszuwandern, aber “leider ging es dann nicht mehr”, wie Zeugen berichteten.
Sie wurde zum Arbeitsdienst gezwungen und am 28. März 1942 zusammen mit 972 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern mit dem sog.„XI.Osttransport” vom Güterbahnhof Moabit aus in das Ghetto Piaski, ca. 20 km südöstlich von Lublin, deportiert.

Ein Zeitzeuge berichtet, dass es in diesem Ghetto unvorstellbar eng und schmutzig war, die sanitären Anlagen waren unzumutbar, 10 bis 20 Menschen drängten sich in kleinen Wohnräumen. Die Lebensmittel -Tagesration bestand aus 50 g Brot, 1/2 l Kaffee, 3/4 l Suppe ohne Fett, und die Trinkwasserversorgung war unzureichend. Nur bei harter Zwangsarbeit gab es etwas mehr und es war schwer, dem Tod durch Hunger oder Seuchen zu entkommen.

Im Ghetto Piaski verliert sich Henriette Refelds Spur. Es bleibt die Vermutung, dass Henriette Refeld die lebensfeindlichen Bedingungen im Ghetto Piaski nicht überlebte oder umgebracht wurde. Ihr Tod wurde fiktiv auf den 8.5.1945 festgesetzt.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch Bundesarchiv
- Berliner Adressbücher
- Deportationsliste
- Entschädigungsamt Berlin, Fehrbelliner Platz

Stolperstein Wanda Wechselmann

HIER WOHNTE
WANDA
WECHSELMANN
GEB. LACHMANN
JG. 1863
DEPORTIERT 16.6.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 7.2.1944

Wanda Wechselmann wurde am 23. Juli 1863 als Wanda Lachmann in Schubin in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Szubin in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern) geboren.

Wann und wo sie ihren Mann kennenlernte und heiratete, ist nicht bekannt. Das Ehepaar muss aber gegen Ende der 1880er Jahre in Ratibor gelebt haben, denn dort wurden die beiden Kinder geboren – 1888 der Sohn Georg Isidor, 1889 die Tochter Edith.

Ob die Familie gemeinsam oder nur die früh verwitwete Wanda mit ihren Kindern nach Berlin kam, war nicht herauszufinden. In den Berliner Adressbüchern ist sie mindestens ab 1902 als „Kaufmannswitwe” verzeichnet. Seit 1910 lebte Wanda Wechselmann zusammen mit dem ledigen Georg und der ebenfalls unverheirateten Edith als „Privatiere” in der Duisburger Straße 6.

Im Oktober 1942, als ihre Kinder nach Riga deportiert wurden, wurde sie in das Jüdische Krankenhaus in der Iranischen Straße 2-4 „verlegt”, das die Nationalsozialisten damals als „Sammellager” und Zwischenstation für die Deportation jüdischer Menschen in die Konzentrationslager nutzten. Von hier aus wurde Wanda Wechselmann am 16. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert und dort am 7. Februar 1944 ermordet.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Deportationsliste
- Entschädigungsakten im Landesarchiv Berlin

Stolperstein Dr. Georg Wechselmann

HIER WOHNTE
DR. GEORG
WECHSELMANN
JG. 1888
BERUFSVERBOT 1938
DEPORTIERT 19.10.1942
RIGA
ERMORDET 22.10.1942

Dr. Georg Isidor Wechselmann wurde am 3. März 1888 in Ratibor in der damaligen preußischen Provinz Schlesien geboren.

Er war nicht verheiratet und wohnte seit 1913 zusammen mit seiner Schwester Edith bei seiner verwitweten Mutter Wanda, geb. Lachmann, in deren 3-Zimmerwohnung in der Duisburger Straße Nr. 6. Er war Landgerichtsrat und wurde 1938 aufgrund des „Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933”, durch das alle jüdischen Beamten – später auch Angestellte – aus dem Staatsdienst entfernt wurden, entlassen. Er erhielt ein Ruhegehalt von mtl. 373, 20 RM brutto.

Bis zu seiner Deportation im Jahr 1942 unterstützte er seine Mutter mit 80 RM monatlich und lebte für 25 RM Miete in einem der Zimmer. Die anderen zwei Zimmer bewohnten die Mutter Wanda und die Schwester Edith Wechselmann.

Sein „Vermögen” bestand zum Zeitpunkt der Deportation aus 30 RM (bar) und 182,66 RM auf dem Sparbuch bei der Sparkasse sowie der Einrichtung des Zimmers und etwas Kleidung. Rückschlüsse, dass es früher auch bessere Zeiten gab, lassen sich aus seiner Vermögenserklärung, die er vor der Deportation abgeben musste, entnehmen.
Denn er führte u. a. an: diverse Bücher und Lexika, 2 Atlanten, 3 Hüte und 7 Krawatten.

Georg Wechselmann wurde zusammen mit seiner Schwester Edith am 19. Oktober 1942 mit dem sog. „21. Osttransport” vom Güterbahnhof Moabit aus mit weiteren 962 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Riga deportiert. Das Ghetto Riga war damals bereits seit einem Jahr geschlossen und alle Menschen, die mit diesem Transport aus Berlin kamen, wurden unmittelbar nach der Ankunft am 22. Oktober 1942 in den umliegenden Wäldern ermordet – mit Ausnahme von 81 Männern, die Zwangsarbeit leisten mussten. 17 von ihnen überlebten. Dr. Georg Wechselmann gehörte nicht zu ihnen.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Deportationsliste
- Entschädigungsakten im Landesarchiv Berlin
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam-Golm
- Alfred Gottwald, Diana Schulte: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, eine kommentierte Chronologie. marixverlag, Wiesbaden 2005

Stolperstein Edith Wechselmann

HIER WOHNTE
EDITH
WECHSELMANN
JG. 1889
DEPORTIERT 9.10.1942
RIGA
ERMORDET 22.10.1942

Edith Wechselmann kam am 20. Juni 1889 in Ratibor in der damaligen preußischen Provinz Schlesien zur Welt. Sie war die 15 Monate jüngere Schwester von Georg Isidor Wechselmann. Auch sie war unverheiratet und lebte zusammen mit ihrem Bruder in der Wohnung ihrer Mutter Wanda Wechselmann, geb. Lachmann, in der Duisburger Straße 6.

Ob sie einen Beruf hatte, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass sie – wie viele Menschen der arbeitsfähigen jüdischen Bevölkerung – Zwangsarbeit leisten musste. Sie verdiente als Arbeiterin bei der Fa. Krone – Presswerk AG an der Frankfurter Allee 288 in Berlin-Lichtenberg einen Stundenlohn von 0,51 RM. Auch ihre „Vermögenserklärung” lässt bessere Zeiten vermuten, denn sie weist u.a. einen Bücherschrank mit diversen Büchern, einen Hutschrank und ein Seidenkleid auf.

Edith Wechselmann wurde zusammen mit ihrem Bruder am 19. Oktober 1942 mit dem sog. „21. Osttransport” mit weiteren 962 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Riga deportiert und – wie fast alle Menschen, die mit diesem Transport aus Berlin kamen – am 22. Oktober 1942 in den umliegenden Wäldern ermordet.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Deportationsliste
- Entschädigungsakten im Landesarchiv Berlin
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam-Golm
- Alfred Gottwald, Diana Schulte: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, eine kommentierte Chronologie. marixverlag, Wiesbaden 2005

Stolperstein Louis Flatow

HIER WOHNTE
LOUIS FLATOW
JG. 1870
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
29.6.1942

Louis Noah Flatow wurde am 22. Juni 1870 im damaligen Stolp, preußische Provinz Pommern (heute Słupsk in der Woiwodschaft Pommern, Województwo Pomorskie) geboren. Seine Eltern waren der Aufseher Lingmann Flatow und dessen Ehefrau Rosalie geb. Friedländer. Louis Flatow war von Beruf Kaufmann. Am 7. Juni 1895 heiratete er in Berlin die Kassiererin Sara Hirsch. Aus dieser Ehe stammte die Tochter Rosalie, die am 25. Juni 1897 in der Wohnung Holzmarktstraße 68 geboren wurde. Sara Hirsch starb am 19. Juni 1911 im Jüdischen Krankenhaus. Damals wohnte die Familie in der Marsiliusstraße 20.
Am 3. November 1920 heiratete Louis ein weiteres Mal. Seine zweite Ehefrau, die Schneiderin Elisabeth Auguste Erna Greinke, geb. 25. Januar 1895, war ebenfalls in Stolp gebürtig. Diese Ehe wurde im Mai 1936 geschieden.
Die Volkszählung von 1939 sagt aus, dass er zu diesem Zeitpunkt in der Duisburger Straße 6 gewohnt hat.

Da die Berliner Verwaltung alles akribisch dokumentiert hat, ist nachgewiesen, dass Louis Flatow die allen jüdischen Deutschen – unabhängig von einer Fluchtabsicht – auferlegte „Reichsfluchtsteuer“ in Höhe von 25 % des Gesamtvermögens und auch die nach der Pogromnacht vom 9./10 November 1938 jüdischen Menschen abverlangte Sondersteuer, die sogenannte „Judenvermögensabgabe“ – ebenfalls in Höhe von 25% – zahlen musste.

Aufgrund der seit Beginn der 30er Jahre ständig zunehmenden Drangsalierungen, Bedrohungen und zumindest psychischer Folter durch das nationalsozialistische Regime nahm sich Louis Flatow laut Sterbeurkunde am 28. Juni 1942 in seiner Wohnung durch Erhängen das Leben. Höchstwahrscheinlich wollte er damit der drohenden Deportation entgehen und selbstbestimmt seinem Leben ein Ende setzen.

Recherche undText: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg,
Quellen: – Volkszählung vom 17.5.1939 – Brandenburgisches Landeshauptarchiv – Landesarchiv Berlin

Stolperstein Anna Zippert

HIER WOHNTE
ANNA ZIPPERT
GEB. KALISKI
JG. 1874
DEPORTIERT 19.1.1942
RIGA
ERMORDET

Anna Zippert wurde am 6. Juni 1874 als Anna Kaliski in Samter in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Szamotuly in der Woiwodschaft Großpolen) geboren.
Den Akten ist nichts über ihre Eltern und wenig über ihr Leben zu entnehmen. Offenbar war sie zweimal verheiratet. Sie hatte aus ihrer ersten Ehe einen Sohn, Ernst Wreszynski.

Sie lebte zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939 als Witwe in der Duisburger Straße 6. Sie war Kauffrau. Vor ihrer Deportation wurde sie zwangsweise aus Wilmersdorf nach Kreuzberg in die Ritterstraße 63 umgesiedelt. Anna Zippert musste sich in der von den Nationalsozialisten ab 1941 als “Sammellager” missbrauchten Synagoge in der Levetzowstraße 7 einfinden. Am 19. Januar 1942 wurde sie mit dem sogenannten “IX Osttransport” – mit weiteren 1008 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern – vom Güterbahnhof Grunewald aus nach Riga deportiert. Nur 19 Menschen überlebten.

Anna Zipperts Sohn Dr. Ernst Wreszynski gelang es, nach Toronto zu fliehen. Dort war er unter diesem Namen als Arzt – später als Musiker unter dem Namen Ernesto Vinci – tätig. Höchstwahrscheinlich hatte man ihm geraten, einen Antrag auf Entschädigung zu stellen. Allerdings schrieb der ihn vertretende Anwalt im Juli 1960 an das Entschädigungsamt: “Der einzige Erbe der Anna Zippert zögert immer noch, ein Verfahren wegen Entschädigungsansprüchen zu betreiben”, denn – so der Sohn – der “Schaden” könne “durch Geldleistungen nicht wieder ausgeglichen werden.”

Es folgt die Bitte des Anwalts, dem Antragsteller eine “gewisse Bedenkzeit zu bewilligen”.
Das Amt verwaltete den Vorgang, listete am 7.11.1961 die möglichen, verschiedenen Ansprüche ( z. B. Gesundheit, Freiheit, Eigentum und Vermögen ) auf und forderte, bis zum 31.3.1962 genaueste Angaben über Art und Umfang des Schadens zu machen. Ansonsten würden die Ansprüche als unbegründet zurückgewiesen.

Daraufhin teilte der Anwalt einen Monat vor Ablauf der Frist jedoch mit, dass der “vorsorglich eingereichte Entschädigungsantrag zurückgenommen” werde.

Recherche und Text: Angelika Kaufel, Monica Schümer-Strucksberg
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Akte im Entschädigungsamt Berlin, Fehrbelliner Platz
- Deportationsliste “IX Osttransport” v19.1.1942.
- Alfred Gottwald, Diana Schulte: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, eine kommentierte Chronologie. marixverlag, Wiesbaden 2005