Bruno und Paul Cassirer ließen den Großteil ihrer Kataloge und Kunstbände bei Imberg & Lefson drucken, z.B. die der Sezessionsausstellungen. Auch Texte, an die sich aus politischen Bedenken größere Verleger nicht trauten, wurden dort gedruckt, wie das 1919 erschienene Buch „Der Todesgang des armenischen Volkes“ von Johannes Lepsius, das das Genozid an den Armeniern 1915-17 thematisierte. Lepsius hatte bereits zuvor einen „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ veröffentlicht, der aber von der Militärzensur verboten wurde, da Deutschland im 1. Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet war.
1909 wandelten die Brüder Lefson die Firma mit weiteren Einlegern zu einer GmbH um. Sie kauften andere Druckereien auf und errichteten eine Filiale in Nowawes. Ende 1919 beschlossen sie, den Sitz der Firma nach Neubabelsberg zu verlegen, nach einem halben Jahr war er aber wieder in Berlin. Die Firma ging bald in Liquidation, allerdings zog sich diese über fast zwei Jahrzehnte hin. Liquidatoren waren Ernst und Max Lefson, der Geschäftsbetrieb ging wohl weiter. Zuletzt wickelte nur Max den Briefverkehr ab, er hatte seit Mitte der 20er Jahre eine eigene Graphische Firma, Beckert & Lefson, und fungierte für beide Druckereien als Geschäftsführer. Imberg & Lefson wurde 1937 endgültig gelöscht.
Ernst Lefson war mit seiner Familie 1908 von Neubabelsberg nach Zehlendorf gezogen. 1915 kaufte er ein Haus in der Mühlenstraße 11, später wohnten die Familie in der Heidestraße 16. Von dort heirateten beide Töchter, Eva Leontine den Juristen Arnold Glücksmann, Margarethe – Grete – den Chemiker Viktor Jules André Rister, den sie wohl schon in Nowawes kennen gelernt hatte. Beide, Eva Leontine und Grete, sollten sich später von ihren Partnern trennen. Grete heiratete ein zweites Mal, einen Erich Klein.
Mitte der 20er Jahre ziehen Ernst und Anna abermals um, nun nach Saalfeld an der Saale. Im Adressbuch wird er 1930 als Fabrikdirektor bezeichnet. Hat er einen neuen Betrieb gegründet oder übernommen? Wir wissen es nicht. Drei Jahre später ist er im Ruhestand. Eva Leontine wohnt wieder bei den Eltern, sie ist die nicht ganz unbekannte Sopranistin Eva Leonti Lefson.
Inzwischen sind die Nationalsozialisten an die Macht gekommen, und es zeichnet sich ab, dass das Dasein für Juden schwieriger wird. 1936 finden wir Anna und Ernst in der Ahrweiler Straße in Berlin-Wilmersdorf wieder – womöglich wurde das Leben in der Kleinstadt für Juden zu bedrohlich. In Wilmersdorf verortet sie das Adressbuch nur in diesem Jahr, es gibt aber auch Indizien, dass sie bei Bruder Max in der Steglitzer Grunewaldstraße 6 wohnten. Eine eindeutige Spur findet sich allerdings erst wieder 1939 und zwar rätselhafter Weise in Darmstadt. Dort wurden sie im Rahmen der Volkszählung in der Riedeselstraße 21 erfasst. Es gibt keinen erklärenden Hinweis auf einen Bezug von Lefsons zu Darmstadt, vielleicht waren sie dort nur zufällig zu Besuch. Nicht nur warum sie dort waren, sondern auch wie lang sie dortblieben, wissen wir nicht. Möglich auch, dass sie vergeblich versuchten, dort unauffällig unterzukommen, nachdem nicht nur die Firma in Berlin gelöscht,
sondern auch Max seine Graphische Anstalt 1939 verkaufen musste. Mit der drastischen Steigerung der antisemitischen Verordnungen nach den Pogromen vom November 1938 war zudem der Alltag für Juden immer unerträglicher geworden. Dies wird allerdings auch in Darmstadt so gewesen sein.
Max gelang es, 1939 nach London mit seiner Frau und den zwei Söhnen zu flüchten, auch Eva Leontine konnte dorthin gelangen. Nicht so Ernst und Anna. Sie waren nachweislich 1942 wieder in Berlin, unklar bleibt, wo sie sich zwischenzeitlich aufhielten. Vielleicht bewohnten sie erstmal weiter die Wohnung in der Grunewaldstraße 6, denn diese ist im Adressbuch weiterhin bis 1943 aufgeführt – auf den Namen von Max. Wo auch immer sie waren, 1942 wurden sie, wie viele ihrer Leidensgenossen gezwungen, bei anderen Juden in Untermiete zu gehen – ein Vorgehen der Nazis, um sie einerseits weiter zu drangsalieren, andererseits Wohnraum für Nicht-Juden frei zu machen.
Ab Februar 1942 wohnten Anna und Ernst bei Frimeth Story in der Wielandstraße 8. Dies bezeugt Annas Bruder Felix Heimann, ehemals Vorstandsvorsitzender der Reich-Kredit-Gesellschaft, seit 1931 in Italien im Ruhestand wohnhaft. Er hatte Anna und Ernst mit 400.- RM monatlich unterstützt, von seinem Vermögen in Deutschland. 1941 wurde dieses beschlagnahmt, und ein Antrag, die Hilfe dennoch fortzusetzen, wurde abgelehnt.
Ernst und Anna Lefson, entrechtet, verarmt und gedemütigt, konnten auch in der Wielandstraße nicht lange bleiben: Am 3. Oktober 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert.
Laut NS-Propaganda war dieses „Altersghetto“ eine Stätte für einen ruhigen Lebensabend, tatsächlich erwartete die Menschen dort ein grausames Lebensende. In den erbärmlichen Unterkünften grassierten Krankheiten und Seuchen infolge von Hunger, Kälte und katastrophalen Hygienebedingungen. Etwa ein Viertel der Insassen starben an diesen Umständen. Auch Ernst und Anna überlebten nur wenige Wochen. Ernst starb am 20. November, angeblich an Altersschwäche. Anna am 5. Dezember desselben Jahres, offiziell aufgrund einer Nierenentzündung.
Max Lefson konnte mit seiner Familie in England überleben. Während des II. Weltkrieges wurden sie dort als Deutsche interniert. Auch Eva Leontine wurde interniert, 1948 erhielt sie dann die Britische Staatsbürgerschaft. Von ihrer Schwester Grete Klein ist das Schicksal unbekannt, aber, da sie in keinem Gedenkbuch aufgeführt wird, kann man hoffen, dass auch sie den NS-Schergen entkam. Annas Bruder Felix Heimann starb 1943 eines natürlichen Todes in seinem Haus am Gardasee.
Frimeth Story geb. Weinberger, Ernst und Annas letzte Vermieterin, wurde am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wahrscheinlich im Rahmen der “Fabrikaktion”, bei der alle noch in der Rüstungsindustrie zwangsverpflichteten Juden am Arbeitsplatz verhaftet werden sollten.
Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Adressbuch Saalfeld; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akten der Oberfinanzdirektion; Landesarchiv Berlin; Arolsen Archives; https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/;
https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger.html;
www.pnn.de/potsdam/im-archiv-papiere-zum-massenmord/22405166.html
Martin Buber, Die Legende des Baalschem, 1908; Secession 1908: Katalog der fünfzehnten Berliner Secession, Berlin 1908
Recherchen/Text: Micaela Haas
Stolpersteininitiative Charlottenburg-Wilmersdorf