Stolpersteine Rankestraße 7

Hauseingang Rankestr. 7

Die Stolpersteine wurden am 7.10.2020 verlegt.

Stolperstein Adele Halberstam

HIER WOHNTE
ADELE
HALBERSTAM
GEB. MAMROTH
JG. 1871
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 19.11.1943

Stolperstein Albert Halberstam

HIER WOHNTE
ALBERT
HALBERSTAM
JG. 1899
FLUCHT 1933 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 31.3.1944

Stolperstein Wilhelm Halberstam

HIER WOHNTE
WILHELM
HALBERSTAM
JG. 1866
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
TOT 4.10.1943

Adele Halberstam

Adele Halberstam

Adele Halberstam, geb. Mamroth, geboren am 14. Dezember 1871 in Breslau, deportiert aus dem Lager Westerbork nach Auschwitz und dort ermordet am 17. November 1943.
Adele und ihr Mann Wilhelm emigrierten im April 1939 nach Amsterdam, deportiert am 20.6.1943 aus Jan van Eijkstraat 14, Amsterdam Zuid in das Lager Westerbork, Niederlande.

Adele Mamroth aus Breslau war eine für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts außergewöhnlich moderne junge Frau. Statt Handarbeiten und Aussteuer sammeln, trieb sie lieber Sport, machte sogar ihren Rettungsschwimmer. Bis zum Schluss führte sie eine glückliche Ehe mit Wilhelm Halberstam, aus der ihr Sohn Albert und ihre Tochter Käthe entstammen.

Wilhelm Halberstam

Wilhelm Halberstam

Wilhelm war der einzige männliche Nachkomme der Familie Halberstam, die im 18. Jahrhundert aus dem von antisemitischen Pogromen heimgesuchten Polen nach Deutschland ausgewandert war. Er wurde in die Zeit der Entstehung des deutschen Reiches hineingeboren, einer Zeit des blühenden Nationalismus. Auch Wilhelm wurde ein glühender Patriot, voller Stolz auf seine deutsche Heimat. Voller Leidenschaft absolvierte er seinen Militärdienst und wurde für die Offizierslaufbahn vorgeschlagen. Da aber hätte er seinem jüdischen Glauben abschwören müssen und so verzichtete er auf die militärische Karriere.

Die Halberstams waren eine glückliche Familie, voller Liebe zu ihren Kindern und Enkeln. Als sich die Deutschen in das Unglück des Nationalsozialismus stürzten, sah Albert 1933 für sich keine Zukunft mehr in Deutschland und emigrierte in die Niederlande. Adele und Wilhelm blieben, waren überzeugt, dass der Spuk bald vorbei sein würde. Sie blieben, trotz antijüdischer Diskriminierungen und Drangsalierungen, bis ihr Schwiegersohn, ein erfolgreicher Anwalt, beim November-Pogrom 1938 nach Sachsenhausen
verschleppt wurde. Da wurde allen in der Familie klar, dass ihnen nur noch die Emigration aus ihrem geliebten Deutschland blieb.

Im April 1939 siedelten Adele und Wilhelm nach Amsterdam über, nahmen dort im Mai Abschied von Tochter, Schwiegersohn und Enkeln, die Deutschland mit einem Visum für Kuba verlassen hatten. Es folgte der stete Abstieg aus dem wohlhabenden Bürgertum in ärmliche Verhältnisse. Jahrelang lebten sie in der Hoffnung, doch noch irgendwie ein Visum für die neue Heimat ihrer Kinder in Chile zu bekommen, Naziterror und Not, nach dem Einmarsch der Deutschen in die Niederlande, zu entkommen. Sie sollten ihre geliebten Kinder nie wiedersehen.

Rankestr. 07 Albert Halberstam

Albert Halberstam

Albert Halberstam, Sohn von Adele und Wilhelm, geboren 1899 in Berlin, 1933 emigriert in die Niederlande. Deportiert im Juni 1943 in das Lager Westerbork und von dort am 29. September 1943 nach Auschwitz, dort ermordet am 31. März 1944.

Lore Hepner-Halberstam
Lore aus Chile, geboren am 23. Juli 1929, ist die Enkelin von Adele und Wilhelm Halberstam und Nichte von Albert Halberstam, deren Stolpersteine nun, seit dem 7.Oktober 2020 vor deren letztem Wohnsitz, Rankestraße 7, liegen.

Sie lebte bis 1939 mit ihren Eltern, dem Anwalt Dr.Heinrich Halberstam, seiner Frau Käthe und ihren beiden Brüdern in Berlin Schmargendorf, besuchte zuerst die benachbarte Grundschule und dann die Schule von Leonore Goldschmidt am Hohenzollerndamm (1).

Während der Novemberpogrome von 1938 wurde Lores Vater, ein Rechtsanwalt, von SA-Männern verschleppt und kehrte erst 6 Wochen später krank, als gebrochener Mann, aus dem KZ Sachsenhausen zurück. Das war nur möglich, weil seine Frau, auf welchem Wege auch immer, ein Visum für Kuba erhalten hatte, wohin die Familie über die Niederlande und England mit dem Schiff aufbrachen. Auch die Flüchtlinge auf diesem Schiff wurden von Kuba abgewiesen, wie kurz zuvor die Menschen auf der St. Luis. Aber im Gegensatz zu den Passagieren der St. Luis nahm die Flucht für die Familie Hepner-Halberstam ein glücklicheres Ende.

Lore beschreibt die schrecklichen Ereignisse und die abenteuerliche Flucht, die sie endgültig nach Chile führte, in ihrem Büchlein “Respuesta a Albert… Una Crónica Familiar“, (2) und in „Geliebte Kinder…’. Briefe aus dem Amsterdamer Exil in die Neue Welt 1939 – 1943“ (3). In Ihren Büchern hat sie auch die Geschichte der Familien Halberstam und Hepner festgehalten, sie vor dem Vergessen bewahrt und hat ihnen mit Ihren Kindern, zahlreichen Enkeln und Urenkeln statt der vernichteten deutschen Zweige einen lebendigen chilenischen Zweig hinzugefügt.

Nach dem Tode ihrer Mutter findet sie auf dem Dachboden in Santiago, Chile, einen Karton mit Briefen zwischen Ihren Eltern und Großeltern, Wilhelm und Adele Halberstam, die sie zusammen mit ihrer Historiker-Freundin Irmtrud Wojak zu dem anrührenden Buch „Geliebte Kinder…’. Briefe aus dem Amsterdamer Exil in die Neue Welt 1939 – 1943,“ (3) verarbeitet. Sie setzt damit ihren Großeltern und auch ihrem Onkel Albert ein Denkmal, dem nun die Stolpersteine ein i-Pünktchen hinzufügen. Leider konnte sie nicht bei der Verlegung dabei sein, da die COVID 19 Pandemie ihre Reise nach Berlin verhindert hat. Obwohl inzwischen 91 Jahre alt, ist sie immer noch aktiv beim Auffinden und Übersetzen der Hinterlassenschaften und Briefe jüdischer Emigranten in Chile, gegen das Vergessen derer deutschen, polnischen und russischen Geschichte. Wir und sie hoffen, dass sie eines Tages doch noch nach Berlin kommen kann um sich die Stolpersteine anzusehen.

Text: Michael Macht, nach Lore Hepner-Halberstam