Als Lektorin von Johanna Moosdorf beim S. Fischer Verlag hatte ich das Glück, die Autorin nicht nur kennen lernen und häufig besuchen zu dürfen, sondern von ihr als Freundin ins Herz geschlossen zu werden. Es hat mich immer wieder gerührt, wie sie sich freute, wenn ich sie besuchte, und wie traurig sie war, wenn ich wieder fortgehen musste. Alle, die ihr nahe standen, werden das erlebt haben: sie schweren Herzens wieder allein lassen zu müssen.
Während meines Literaturstudiums hatte ich nichts über sie erfahren. Immerhin hatte sie 1962 den Nelly-Sachs-Preis erhalten, doch an der Uni hier in Berlin kam sie als Lyrikerin und Schriftstellerin nicht vor.
Auf den 1969 im Henry Goverts Verlag erschienenen Roman >Die Andermanns< wurde ich ein paar Jahre nach Erscheinen eher zufällig aufmerksam und las ihn mit großer Anteilnahme. Es gibt Szenen darin, die ich nicht vergessen kann.
Sie, die Autorin aber, wurde sehr bald vergessen und von den Literaturkritikern kaum noch wahrgenommen. Ein Schicksal, das sie damals mit manchen Schriftstellerinnen teilte. Doch das Vergessen und Verdrängen von Johanna Moosdorfs Werk hatte, so scheint es, Methode: Sie passte in keine Kategorie, schrieb über Faschismus und Frauenliebe, und das schon in einer Zeit, in der dies noch tabuisiert war, in den fünfziger Jahren.
Ich begegnete Johanna Moosdorf wieder durch ein Buch, das ich 1987 in der von mir bei S. Fischer herausgegebenen Reihe >Die Frau in der Gesellschaft< veröffentlichte: >Frauenliteratur ohne Tradition?Die Freundinnen< aufmerksam, der inzwischen vergriffen war. 1988 konnte ich >Die Freundinnen< in meiner Taschenbuchreihe herausbringen. Und das war dann der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Johanna Moosdorf und mir, für die ich sehr, sehr dankbar war und bin.
Ihr für mich bedeutendster Roman erschien ein Jahr später, 1989, in meiner Reihe: >Jahrhundertträume<. Hier hat sie autobiographisches Material in einen Jahrhundertroman verwandelt, ohne sich in den Fallen des Autobiographischen zu verstricken. Johanna Moosdorf erzählt die Geschichte der Schriftstellerin Jenny Meininger – eine Geschichte, die genau und unerbittlich das 20. Jahrhundert widerspiegelt. Sehr früh schon ist das Zusammenleben von Jenny und ihrem Mann, dem Juden Karl Meerstern, vom Naziterror bedroht, so wie es Johanna Moosdorf und ihrem Mann, Paul Bernstein, erging. br /
Dieser große Roman fasziniert durch seine Erzählform, seine Sprache und seine Bilder. Eine bestürzende und bewegende Trauerarbeit von großer Glaubwürdigkeit.br /
Dass dieses Buch – das auch für Johanna Moosdorf ihr wichtigstes Werk gewesen ist – in meiner Reihe erscheinen konnte, hat mich sehr glücklich gemacht, auch wenn ich mir gewünscht hätte, es im Hardcoverprogramm des S. Fischer Verlags publizieren zu dürfen. Denn von der Literaturkritik wurde der Roman kaum wahrgenommen, erschien er doch »nur« in einem Frauenbuchprogramm.br /
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Unter der mangelnden Aufmerksamkeit der wichtigen Medien, Rezensenten und Großkritiker hat Johanna immer gelitten, und so froh sie über die Veröffentlichung in der Fischer-Taschenbuchreihe war, hat sie oft beklagt, dass ihre Bücher beinahe versteckt geblieben seien, dass nur eine kleine Leserinnengemeinde ihr Schreiben wahrnehme. Wie alle Autorinnen und Autoren erhoffte sie sich eine breitere Rezeption ihres Werkes. Dass dies nicht gelang, hat ihr einsames Leben in den letzten Jahren sicherlich noch einsamer gemacht.br /
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Insgesamt erschienen sieben Bücher von Johanna Moosdorf in meiner Reihe, worauf ich stolz bin. Traurig nur, dass nicht eines davon mehr lieferbar ist. br /
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>Die Freundinnen< (1977 Nymphenburger) 1988
>Jahrhundertträume< 1989
>Fahr hinaus in das Nachtmeer< (Gedichte) 1990
>Die Tochter< (Erzählungen) 1991
>Die Andermanns< (1969 Henry Goverts) 1992
>Franziska an Sophie< 1993
>Flucht aus der Zeit< (1997 Achilla Presse) 2001
In den letzten Lebensjahren von Johanna Moosdorf haben viele junge Leserinnen, die sie verehrten und bewunderten, darunter Studentinnen, die sich mit der Autorin während ihres Studiums beschäftigt und Magisterarbeiten über sie und ihr Werk geschrieben hatten, Kontakt zu ihr aufgenommen. Darüber hat Johanna sich sehr gefreut, es hat ihr ein bisschen Hoffnung gegeben und sie vielleicht weniger einsam gemacht.
Bei der Arbeit an ihrem letzten Roman, >Flucht aus der Zeit< , durfte ich sie wie bisher als Lektorin beraten und begleiten, obwohl sie ihn zuerst in einem Hardcoververlag publizieren wollte, weil sie dort auf mehr Presseresonanz hoffte. Leider hat sich die Hoffnung auf breitere Aufmerksamkeit nicht erfüllt.
Die Taschenbuchausgabe dieses letzten größeren Werks von Johanna Moosdorf erschien dann als letztes Buch der Autorin in der Fischer-Reihe.
Danach schrieb Johanna noch hin und wieder Gedichte, für ein weiteres Prosawerk fehlte ihr die physische Kraft. Als ich Anfang 1998 schwer an Krebs erkrankt war, hat Johanna mir ein wunderschönes Geschenk gemacht und ein Gedicht für mich geschrieben, das mir Mut machen sollte. Und das hat es getan.
Unser freundschaftlicher Kontakt, der Gedankenaustausch, die vielen intensiven Gespräche, dieses schöne Miteinander dauerte bis wenige Monate vor ihrem Tod an. Johanna fehlt mir oft, ich habe sie, wie so manche unter uns, sehr geliebt.