Gedenktafel für das Zwangsarbeiterlager

Die neue Gedenktafel für das ehemalige bezirkliche Zwangsarbeiterlager wurde am 20. August 2021 an der Wilhelmsaue 40 enthüllt.
Seit Dezember 2017 hing an dem Gedenkort eine provisorische Gedenktafel, die seinerzeit von der Berliner Geschichtswerkstatt, dem Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, der Topographie des Terrors und dem Aktiven Museum gestiftet wurde, um an das Zwangsarbeiterlager zu erinnern.

Gedenktafel für das Zwangsarbeiterlager Wilhemsaue 40

An diesem Ort befand sich im
Zweiten Weltkrieg ein vom
Bezirksamt Wilmersdorf geleitetes
Zwangsarbeiterlager.

Über 50 Menschen aus Polen, Jugoslawien,
der Tschchoslowakei, Frankreich und den
Niederlanden waren hier untergebracht.

Die Bezirksverwaltung Wilmersdorf
setzte sie bei der Trümmerbeseitigung
und anderen kommunalen Aufgaben ein.

Zwangsarbeit war Teil der national-
sozialistischen Kriegswirtschaft und
im Berliner Alltag unübersehbar.

Brief von Józef Rosiński

Józef Rosiński, Jg. 1928, wurde 1943 als Zwangsarbeiter aus Polen nach Berlin verschleppt. Untergebracht war er in der Wilhelmsaue 39/40. In einem Brief berichtet er von seinen Einsätzen in der Enttrümmerung der Stadt und der Bergung von Toten, die durch alliierte Luftangriffe umgekommen waren. Zu seinen weiteren Aufgaben zählte die Versorgung von Bombengeschädigten mit Lebensmitteln und die Sicherstellung von deren Hab und Gut.
In mehreren Briefen adressierte Rosiński spätestens ab 1989 u.a. den Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen mit der Bitte um einen Nachweis seines Zwangsarbeitseinsatzes.

Brief von Józef Rosiński, Cieszyn (Polen), 21.3.19[91].
Bearbeitete Fassung. Arolsen Archives, 6.3.3.2 / 118605014.

bq. Am 18.10.1988 um ca. 22.00 Uhr hörte ich die Rundfunksendung vom Deutschen Funk Köln am Rhein betreffend Entschädigung für die im Dritten Reich während des Zweiten Weltkrieges arbeitenden Personen. Nachdem das auch mich betrifft, bitte ich höflichst um Berücksichtigung meiner Sache. Im Zusammenhang damit sende ich meinen Lebenslauf und den Verlauf meiner Zwangsarbeit in Deutschland.
Ich wurde am 10.3.1928 in Nowy Sącz, ul. Sabały 4 – als Sohn des Tadeusz und der Maria geb. Górska geboren. Anfang 1943 wurde ich ins Arbeitsamt in Nowy Sącz/Neu-Sandez vorgeladen. Nichtsahnend meldete ich mich und sollte meine Familie bis ans Kriegsende nicht mehr sehen. Ich wurde mit anderen Polen einer ärztlichen Untersuchung unterzogen und nachts unter Polizeischutz mit der Bahn nach Krakau gebracht. Abermals einer Untersuchung unterzogen bekamen wir eine sehr kleine Lebensmittelzuteilung − 1 kg Brot und ½ kg Pferdewurst. Unter Polizeischutz wurden wir zum Bahnhof in Krakau gebracht und zu je 40 Personen in einen Waggon eingeladen. In Unsicherheit und Angst fuhren wir in unbekannte Richtung. Während der zweitägigen, unerträglichen Reise in ungeheizten Waggons, bei -30°C Frost, durften wir unsere Plätze unter Lebensbedrohung nicht verlassen. Erschöpft kamen wir in die Gegend von Berlin und wurden in einem Übergangslager untergebracht. Dort wurden wir einer Desinfektion unterzogen, auch unsere Kleidung, wir wurden kahl rasiert und gebadet. Danach wurden wir fotografiert und mit Identifikationsnummern versehen – leider kann ich mich nicht an sie erinnern.
Am Lagerplatz versammelt, wurden wir durch den Dolmetscher benachrichtigt, dass wir nach Berlin zur Arbeit fahren. Unsere Ausweise wurden eingesammelt und weggenommen. Wir fuhren mit der U-Bahn nach Schmargendorf – Wilhelmsauestraße 39/40. Ins Kasernenleben eingeführt bekamen wir die einheitliche Kleidung der Magistratsarbeiter − graue Drillichuniform, Mützen mit weißer Umrandung, Holzschuhe – und an der linken [Brust]Seite den aufgenähten Buchstaben “ P “. Wir wurden ständig bewacht. Unsere Arbeit beruhte auf dem Umzug und der Sicherung der Möbel und jeglichen Gutes aus den brennenden Häusern. Wir brachten die Sachen mit LKWs an den Stadtrand von Berlin, in vielstöckige Neubauten, wo sie durch den Meister mit dem Namen des Geschädigten versehen wurden. Zu unseren Pflichten gehörte auch die Enttrümmerung der Straßen und Kreuzungen sowie die Beseitigung der Toten, um einer Epidemie vorzubeugen. Darunter waren auch Pferde, welche nach dem Transport an den Stadtrand von der Haut beseitigt/befreit in Bombentrichtern von uns begraben wurden. Nach den Anflügen suchten wir zuerst die toten Einwohner von Berlin. Wir stellten Lebensmittel für die Ausgebombten zu und brachten sie an den Bestimmungsort.
Unsere Arbeitszeit war nicht begrenzt, öfters bis zu 14 Stunden, je nach Lage und Bedarf. Unsere Gruppe zählte 40 Männer in unterschiedlichem Alter. Unser Chef hieß Kamiński und sprach polnisch. Außer mir damals 15-jährigem Burschen waren es noch drei andere Minderjährige. Wir waren aus verschiedenen Gebieten des Generalgouvernements. Unsere Arbeit zu Gunsten des Berliner Magistrats war sehr schwer, für mich 15-jährigen völlig erschöpfend. Das Essen war mehr als bescheiden: 1,5 kg Brot und ein Stück Margarine für fünf Tage. Kartoffeln in der Schale und Kohlrüben. In solchen Verhältnissen arbeitete ich zum Besten des Dritten Reiches in der Zeit von Januar 1943 bis Mai 1945. In den letzten Kriegstagen, als die Kämpfe intensiver wurden, wurde ich am linken Fuß verwundet, an dessen Folgen ich bis heute trage.
Ich bin jetzt ein 60-jähriger sehr kranker Mann und die ärgsten Folgen trage ich die ganzen Jahre in meiner Psyche. Bis heute schrecke ich in der Nacht auf, in Schweiß gebadet, träume und sehe vor meinen Augen die endlosen Bombenangriffe, Sirenen und Schreie….
Ich bitte innigst um eine Stellungnahme in meiner Sache und hoffe auf eine Antwort.

Im Voraus vielen Dank für Ihre Mühe
Józef Rosiński