Den ersten Plan, Wilmersdorf mit Berlin durch ein Straßennetz zu verbinden, entwickelte Johann Anton Wilhelm von Carstenn. Er sah voraus, dass die Hauptstadt des 1871 gegründeten Kaiserreiches sich schnell ausdehnen würde:
Berlin und Potsdam sollten eine Stadt werden, verbunden durch den Grunewald als Park, so die Vision von Carstenn. In Wilmersdorf kaufte er 1870 das Gelände des ehemaligen Rittergutes, ließ hier sehr prächtig die Kaiserallee, die heutige Bundesallee, und ein streng geometrisches System aus Straßen und Plätzen anlegen, das noch heute existiert: die ‘Carstenn-Figur’ mit dem Nikolsburger, Prager, Nürnberger und Fasanenplatz im Norden und im Süden dem Ortsteil Friedenau.
Den Plan einer Landhaussiedlung konnte Carstenn nicht mehr verwirklichen, er musste Konkurs anmelden. Das Gebiet um die neu angelegten Straßen blieb zunächst, bis auf einige alleinstehende Villen, unbebaut. 1880 wurde das traditionsreiche Joachimsthalsche Gymnasium an der Kaiserallee, heute Bundesallee, eröffnet. In dem prächtigen neoklassizistischen Hauptgebäude sind heute Räume der Musikhochschule und eine Filiale der Stadtbibliothek untergebracht.
Um 1890, also 20 Jahre nach der Carstennschen Erschließung begann die Bebauung, die sich mit rapider Geschwindigkeit auf fast die gesamte Wilmersdorfer Fläche ausdehnte. Statt einer Landhaussiedlung entstanden nun fünfgeschossige Mietshäuser. Innerhalb weniger Jahre wuchs Wilmersdorf von einem kleinen Ort mit knapp 5.000 Einwohnern zu einer Großstadt mit über 100.000. 1906 erhielt es Stadtrechte, 1907 schied es aus dem Kreis Teltow aus.
Die Wilmersdorfer Stadtväter taten alles, um steuerkräftige Berliner Familien anzulocken. Sie konkurrierten dabei mit den beiden anderen westlichen Vororten Charlottenburg und Schöneberg. Prächtige Schulen wurden gebaut, wie das Victoria-Luise-Lyceum an der Gasteiner Straße (heute Goethe-Gymnasium).
1913 wurde die U-Bahnlinie vom Wittenbergplatz bis Krumme Lanke mit den aufwendig gestalteten Bahnhöfen Heidelberger Platz, Rüdesheimer Platz u.a. feierlich eröffnet. Die Verkehrserschließung war das Startsignal für die Anlage der “Rheingau-Siedlung” einer Gartenterrassenstadt rund um den Rüdesheimer Platz.
Schon 1897 wurde die evangelische Auenkirche eingeweiht, die das Dorfkirchlein an der Wilhelmsaue ersetzte, das wenig später abgerissen wurde. Im selben Jahr konnte die katholische Gemeinde ihre erste freistehende große Kirche St. Ludwig einweihen. Sie erhielt ihren Namen im Gedenken an den Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst und dessen Namenspatron, Ludwig IX. dem Heiligen, König von Frankreich. Die Lilie aus dem Wappen der Bourbonen ist in der Kirche vielfach zu sehen – dieselbe Lilie, die das Wilmersdorfer Wappen ziert.
Das Rittergeschlecht “derer von Wilmerstorf”, das seit dem sechzehnten Jahrhundert in Wilmersdorf und Schmargendorf ansässig war, führte das Lilienwappen, die Großstadt Deutsch-Wilmersdorf übernahm es 1906 als ihr Stadtwappen. In der am 3.10.1955 durch Senatsbeschluss verliehenen Fassung mit der Mauerkrone und dem Berliner Bären war es das offizielle Bezirkswappen bis zur Fusion mit Charlottenburg am 1.1.2001.