Der Versicherungsunternehmer Otto Gerstenberg ließ die Villa für sich und seine Familie von 1903 bis 1904 bauen. Otto Gerstenberg wurde 1848 geboren und starb 1935 in Berlin. Er studierte Mathematik und Philosophie und begann 1873 seine berufliche Karriere als Versicherungsmathematiker bei der Allgemeinen Eisenbahn-Versicherungs-Gesellschaft. Das Unternehmen änderte bereits zwei Jahre später den Namen in Victoria zu Berlin Allgemeine Versicherungs-Actien-Gesellschaft, um die Ausweitung der Geschäftsfelder zu berücksichtigen. Gerstenberg entwickelte neue Versicherungstarife und trug so zum Erfolg des Unternehmens bei. 1888 stieg er ins Direktorium der Versicherung auf und wurde 1901 Generaldirektor. Unter seiner Leitung wurde die Victoria zur führenden deutschen Lebensversicherungsgesellschaft, 1997 fusionierte sie zur Ergo Versicherungsgruppe, die es heute noch gibt. Als Gerstenbergs wichtigste Innovation in der Versicherungswirtschaft gehört die Einführung der Lebensversicherung als Volksversicherung in Deutschland. Er führte als Unternehmer bemerkenswerte soziale Leistungen für die Angestellten der Victoria zu Berlin ein. Hierzu zählten ab 1903 der arbeitsfreie Samstagnachmittag, ab 12.00 Uhr, und wenig später die Einrichtung einer Werksküche.
Gerstenberg besaß eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen des beginnenden 20. Jahrhunderts. Seine Sammlung wurde teilweise im Zweiten Weltkrieg zerstört, andere Teile befinden sich als sogenannte „Beutekunst“ in den großen russischen Museen. Der Rest verblieb erst einmal in Familienbesitz. Die Söhne von Margarethe Scharf, also Gerstenbergs Enkel, Walter und Dieter Scharf, führten die Sammlung weiter. Dieter Scharf sammelte vor allem symbolistische und surrealistische Kunst. Die Sammlung Scharf-Gerstenberg wird seit 2008 im östlichen Stülerbau vor dem Schloss Charlottenburg gezeigt.
Architekt der Villa hier war Carl Vohl. Carl Vohl wurde 1853 geboren und starb 1932. Zwischen 1895 und 1918 war er als Architekt und Baubeamter in Berlin tätig, u.a. baute er das Kammergericht in der Elßholzstraße und das Kriminalgericht in Moabit.
Die Villa Gerstenberg ist in einem zurückhaltenden neobarocken Stil gehalten. Sie dokumentiert die großbürgerlichen Lebensverhältnisse in der deutschen Kaiserzeit.
Aus der Erläuterung des Landesdenkmalamts:
bq. […] waren die Schwerpunkte der Gestaltung beim Außenbau die Abstimmung der Proportionen von Villa und Parkgrundstück, die […] Austarierung der Gebäudeteile und die abwechslungsreiche und lebendige Öffnungsstruktur in Bezug auf den inneren Organismus des Gebäudes.
[Carl Vohl] hielt sich bei seinem Entwurf [zwar] an den gängigen Villentyp, fasste das Gebäude jedoch malerisch auf und entwickelte es von Innen und Aussen, was zu einer lebendigen, an allen vier Seiten unterschiedlichen Fassadenabwicklung führte. Der verputzte Hauptbaukörper erhebt sich über einer beinahe quadratischen Grundfläche. Der Architekt erklärte, dass er, um das große Grundstück beherrschen zu können, eine beträchtliche Höhenentwicklung des Hauses erreichen musste. Daher besitzt es einen hohen Rustikasockel aus Kalkstein, dessen Podestwirkung durch die Absenkung des […] Parks noch gesteigert wird.
Für seine Kunstsammlung ließ Otto Gerstenberg von 1908 bis 1909 von demselben Architekten an der Ostseite eine zweistöckige Galerie mit einem Oberlichtsaal im Obergeschoss errichten. Der Oberlichtsaal existiert nicht mehr, aber der frühere Torbogen ist noch sichtbar.
Die Villa Gerstenberg wurde ab 1946 als Privatkrankenhaus genutzt. Erhalten blieben aber der Eingangsbereich der Villa und die imponierende zweistöckige zentrale Halle. Die Villa wurde inzwischen verkauft. Im Moment wird sie wieder in ihre ursprüngliche Nutzung als Villa überführt. Die Villa und der Park stehen unter Denkmalschutz. Die Teile der ursprünglichen Villa, die noch erhalten sind, werden bei dem Umbau denkmalgerecht erhalten.