Krematorium Ruhleben
Bild: BACW/Farchmin
Bild: BACW/Farchmin
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Ideelle Zielsetzungen der Architekten
Abbau der konventionellen Grenzlinie zwischen Pathetik (des Feierhallenbereiches) und Technik (des Kremationsbereichs), durch schlichte Signifikanz der Bauformen (Einheit der Dächer über den Feierhallen und der Kremationshalle) und ehrliche Verwendung der Materialien (nacktes Mauerwerk aus Betonsteinen).
Neben der Möglichkeit für große Feiern ein verbessertes räumliches Angebot für die Aufbahrung (stilles Abschiednehmen) in drei feierlichen Aufbahrungsräumen an einem Innenhof des Hauptgeschosses.
Ersetzen der peinlichen Versenkung des Sarges am Ende der Feier durch den angemesseneren horizontalen Transport bzw. Stehen lassen und Vorbeidefilieren.
Abbau der ritualisierten Kondolenz, die sich in freieren Formen zwischen den Ausgängen, den offenen Höfen und dem Friedhofsausgang abspielen soll.
Bild: Krematorium Ruhleben
Allgemeine Angaben zur Entstehung des Krematoriums
- Bauherr: Bezirksamt Charlottenburg von Berlin
- Architekten: Jan und Rolf Rave, Berlin
- Bildende Kunst: Markus Lüperts (Wandbilder)
- Bauzeit: 1972-1975
- Betriebsbeginn: April 1975
Die bauliche Anlage besteht aus dem Krematorium selbst (1 Hauptgeschoss, 2 Kellergeschosse) mit einem separaten Glockenturm, einem eingeschossigen Verwaltungsgebäude mit Blumenladen und zwei teilunterkellerten, eingeschossigen Dienstwohnhäusern.
Die Konstruktion der Anlage besteht in den Kellergeschossen aus einem Stahlbetonskelett mit Kalksandstein-Ausfachungen. Die tragenden Wände des Hauptgeschosses und alle Außenwände wurden als Sichtmauerwerk aus holländischen Betonhohlsteinen errichtet. Die Attika- und Hallendächer-Verkleidung besteht aus Kupfer.
Bild: Krematorium Ruhleben
Die Architekten über die Anlage
“Die seltene Bauaufgabe Krematorium ist stark mit Traditionen behaftet, und der um die Jahrhundertwende revolutionäre Gebäudetyp hat sich seitdem so wenig verändert wie der Totenkult selbst: Ängstlich wird die Trennungslinie zwischen Pathetik und technischer Perfektion aufrechterhalten. Wie weit konnten wir bei der Entwicklung eines Gebäudetyps der Zukunft gehen?
Ein Fernziel, die Kremation selbst zu einem Bestandteil der Feier zu machen, konnte aus betriebstechnischen Gründen nicht realisiert werden. Die Idee der anonymen Beisetzung der Asche setzt sich nur sehr langsam durch. Da dies aber keine baulichen Konsequenzen nach sich zieht, blieben uns nur drei reformatorische Ansätze:
1. Die Möglichkeit zum großen pompe funèbre mit Orgelmusik bleibt bestehen: zwei Feierhallen verschiedener Größe. Gleichzeitig wird aber das stille Abschiednehmen, das Betrachten des Toten im kleinen Kreise in den Mittelpunkt der Anlage gerückt: drei Aufbahrungshallen an einem Innenhof des Hauptgeschosses. Dieser intime Abschied kann der großen Feier vorangestellt werden, er kann diese jedoch auch ersetzen.
2. Das Versenken des Sarges am Schluss der Feier ist eine Nachahmung der Erdbestattung. In Ruhleben wird der Katafalk durch eine Schleuse aus der Feierhalle hinausgeschoben. Dies bot sich außerdem an, weil auch die Leichenzüge zur Erdbestattung von den Feierhallen ausgehen.
3. Die im Raumprogramm vorgesehenen Kondolenzräume wurden zugunsten von offenen Hallen und Höfen fallengelassen, um die konventionelle Zwangskondolenz abzubauen.
Der Standort in zwar landschaftlich reizvoller, doch durch weithin sichtbare Bauten städtischer Versorgungsbetriebe beeinträchtigter Lage erforderte schlichte Bauformen, die sich von den Bauobjekten der Umgebung abheben. Eine landschaftsgärtnerische Öffnung zu den Murellenbergen und zur Fließwiese sollte diese Anforderungen unterstützen.
Das Verwaltungsgebäude wurde in die bisher beziehungslose Friedhofsachse gestellt, es verhilft – mit dem kleinen Glockenturm – zur Orientierung. Von der Mittelachse des Verwaltungsgebäudes aus erfolgen die Urnenbeisetzungen.
Der Hauptzugang zum Krematorium führt parallel zur alten Tannenallee auf den Vorplatz, der zu den beiden Vorhallen leicht ansteigt. Ein langer Bauteil mit Personalräumen und der Elektrostation schließt den Vorplatz zum Wirtschaftshof ab; dieser bildet den Zielpunkt der Anlieferungsstraße, er ist auf das Kellerniveau abgesenkt.
Nach der Feier verlassen die Besucher das Krematorium durch die Kondolenzhöfe, sie gelangen am Glockenturm vorbei auf die Tannenallee. Währenddessen kann sich in den Vorhallen und Warteräumen das Publikum für die folgende Feier versammeln.
Der Baukörper zeigt die funktionelle Gliederung der Anlage. Entsprechend dem parallelen Ablauf der Feiern gliedert sich das Bauwerk in drei nebeneinanderliegende Zonen: zwei durchlaufende Achsen für die kleine, drei für die große Feierhalle; die Hallendächer und Oberlichter der Warteräume erheben sich über die flache Dachlandschaft.
Zwischen diesen Feierhallenbereichen liegt, ebenfalls dreiachsig, eine im vorderen Teil halböffentliche Zone mit dem Innenhof und den Aufbahrungszellen; dahinter die Betriebszone mit dem Oberlicht des Gewächshauses und dem Hallendach über der Kremations- und Rauchgasfilteranlage, das die Schornsteine enthält. Es ist so hoch wie die Feierhallendächer und bildet mit ihnen zusammen ein baukörperliches Ensemble. Die drei Hauptzonen werden durch niedrigere Flurbereiche voneinander abgesetzt.”
Aus: Sonderdruck “Bauwelt” 1975, Heft 42
Weitere Fotos des Friedshofs.
Krematorium Ruhleben