Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Wowereit!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Für den Kurfürstendamm gibt es keine Geburtsurkunde. Warum können wir trotzdem in drei Tagen seinen 125. Geburtstag feiern?
Der Kurfürstendamm hat eine lange Vorgeschichte. Sie beginnt im Jahr 1542 mit dem Bau des Jagdschlosses Grunewald. Vermutlich wurde damals bereits ein Damm für die kurfürstlichen Reiter als Verbindungsweg zwischen dem Jagdschloss und dem Berliner Schloss angelegt. 1685 konnte man diesen Weg erstmals auf einer Karte sehen, und auf einem Plan von 1767 war dann zum ersten Mal der Name “Churfürsten-Damm” zu lesen.
Aber erst 1883 begann auf Initiative des Reichskanzlers Fürst Bismarck der Ausbau zu einer 54 Meter breiten Straße. Mit dem Abschluss der Pflasterung und der Eröffnung der Dampfstraßenbahn vom Bahnhof Zoo nach Grunewald am 5.5.1886 beginnt die Geschichte des Kurfürstendammes als Boulevard und damit die Geschichte der City West.
Deshalb feiern wir seinen Geburtstag in drei Tagen, am 5. Mai, mit der Eröffnung der Schaustelle auf dem Breitscheidplatz und der Ausstellung „Der Kurfürstendamm. 125 Jahre – 125 Geschichten“ in den Vitrinen entlang des Kurfürstendamms. Viele weitere Veranstaltungen wird es in diesem Jahr bis in den Oktober hinein geben. Sie werden uns die Vielfalt des Kurfürstendammes vor Augen führen. Und wenn wir seine Geschichte betrachten, stellen wir fest: Das einzig Bleibende war und ist der ständige Wandel.
In der veröffentlichten Meinung hat der Kurfürstendamm ein ständiges Auf und Ab erlebt. In der Weimarer Republik verkörperte er die Goldenen Zwanziger wie kein anderer Ort in Deutschland, die Nationalsozialisten haben ihn gehasst. Mal wurde er zum Prachtboulevard hochstilisiert – was er nie war -, dann wurde er zur Boulettenmeile degradiert – was er auch nie war. Dieses schwankende Bild in der Öffentlichkeit hat aber seiner gleichbleibenden Popularität bei den Menschen nie geschadet. Für Berlin-Besucher und vielleicht noch mehr für Berlin-Besucherinnen war und ist der Ku’damm-Bummel ein Muss. Die Passantenzahlen zwischen KaDeWe und Kranzler waren und sind fast immer die höchsten in Berlin.
Entscheidend für diesen Erfolg war von Anfang an die Mischung zwischen Wohnen, Arbeiten, Kaufen, Genießen, Sehen und Gesehen Werden, zwischen Kommerz und Kultur. Deshalb sehen wir als Bezirksamt unsere Aufgabe darin, diese Mischung zu erhalten. Am Kurfürstendamm wird tatsächlich auch noch gewohnt, und zwar nicht schlecht. In welcher anderen weltberühmten Geschäftsstraße gibt es das noch? Ich freue mich, dass mit dem Haus Cumberland gerade wieder eine große, wunderbare Wohnanlage entsteht, und eine Reihe weiterer Wohnhäuser wurden und werden aufwändig restauriert.
Um die Geschäftswelt am Kurfürstendamm müssen wir uns nicht sorgen. Leerstand ist hier so gut wie ausgeschlossen. Vom Discounter bis zur Edelboutique gibt es hier für jeden Geldbeutel alles, was der Mensch begehrt. In den Schaufenstern und Vitrinen ist viel Spektakuläres zu sehen, und für den Einkauf gibt es keine Grenzen.
Kümmern müssen wir uns um die Kultur. Denn sie ist in den letzten Jahren ins Hintertreffen geraten. Nachdem viele Kinos am Kurfürstendamm geschlossen haben und durch Modegeschäfte ersetzt wurden, hatte es für uns oberste Priorität, den Zoo-Palast und mindestens eines der beiden Boulevardtheater im Ku’damm Karree zu erhalten. Das ist schwierig, weil der Verwertungsdruck groß ist und bei Umbauten immer die unmittelbare Rentabilität im Fordergrund steht. Aber intelligente Investoren verstehen am Ende doch: Kommerz funktioniert nur dann gut, wenn nicht nur Kommerz vorhanden ist. Die Menschen gehen gerne bummeln und shoppen, aber sie tun das besonders gern, wenn es noch mehr zu sehen und zu erleben gibt. Deshalb ist die Mischung das Entscheidende.
Alles andere lässt sich am Kurfürstendamm kaum beeinflussen. Wer hier aus nostalgischen Gefühlen heraus etwas konservieren will, der steht auf verlorenem Posten: Das einzig dauerhafte am Kurfürstendamm ist der Wandel.
Für den positiven Wandel steht derzeit vor allem das Haus, in dem wir uns gerade befinden. Nach langer Inkubationszeit wird jetzt das Waldorf Astoria hier einziehen und mit seiner Mischung aus ein wenig Nostalgie, viel technischer Innovation, Selbstbewusstsein und Gelassenheit, Luxus und Popularität genau das verkörpern, was auch den Kurfürstendamm ausmacht. Er war immer etwas Besonderes aber nie elitär, manchmal vielleicht ein wenig schrill und seiner Zeit voraus, aber immer populär.
Für diesen Wandel stehen aber auch eine Reihe weiterer Projekte vom gegenüberliegenden Zentrum am Zoo mit dem Bikinihaus über das Ku’damm-Karree und das Haus Cumberland bis zum Bauhaus auf dem ehemaligen Güterbahnhof Halensee, um nur die größten Bauvorhaben zu nennen. Der Kurfürstendamm ist für Investoren hoch attraktiv.
Aber er ist vor allem attraktiv für die Menschen, und zwar für Touristen und für die Berlinerinnen und Berliner gleichermaßen. Das merke ich immer am jeweils zweiten Sonnabend eines Monats, wenn ich ab 14.00 Uhr meinen Kiezspaziergang veranstalte, in diesem Jahr geht es dabei jedes Mal auch um den Kurfürstendamm, und wir sind jeweils mindestens 300 Personen. Als wir im Februar das Cumberland besuchten, haben wir mit mehr als 600 alle Rekorde gebrochen.
Am 14. Mai, um 14.00 Uhr startet meine Kollegin, Umweltstadträtin Martina Schmiedhofer, auf dem Henriettenplatz und stellt bei einem Spaziergang durch Halensee den Jubiläumsbeitrag der Gewerbegemeinschaft Quartier KuDamm-Halensee vor. Er konzentriert sich unter dem Motto “Erfahre Halensee!” besonders auf das Fahrrad, und viele Geschäfte zwischen Kurfürstendamm und Westfälischer Straße beteiligen sich.
Morgen werde ich im Jüdischen Gemeindehaus an der Fasanenstraße, wenige Meter vom Kurfürstendamm entfernt ein neues Buch vorstellen, das die Archivarin unseres Museums Charlottenburg-Wilmersdorf, Sonja Miltenberger geschrieben hat: “Jüdisches Leben am Kurfürstendamm” ist ein Titel. In diesem Buch geht es nicht etwa um ein Randthema für speziell Interessierte, sondern es geht um ein ganz zentrales Thema in der Geschichte des Kurfürstendammes. Ohne den jüdischen Beitrag seit Beginn in der Kaiserzeit und dann in der Weimarer Republik wäre der Kurfürstendamm nicht zu dem weltberühmten Boulevard geworden, der er bis heute ist. Nicht zuletzt deshalb haben ihn die Nationalsozialisten abgelehnt. Für sie war er der Inbegriff alles dessen, was sie hassten: Internationale Ausstrahlung, bunte Vielfalt, kulturelle Avantgarde, geistreiche Unterhaltung, moderne Tanzmusik, futuristische Kinopaläste und leuchtende Konsumtempel. Für die Nazis war der Kurfürstendamm
regelmäßig Gegenstand antisemitischer Hasstiraden.
Sie veranstalteten schon in den 1920er Jahren antisemitische Pogrome auf dem Kurfürstendamm. Um so mehr ist es für uns heute wichtig, an diesen zentralen Teil seiner Geschichte zu erinnern.
Das, was die Nazis ablehnten, war ein besonders wichtiger Teil unserer deutschen Geschichte, ein herausragender Beitrag zu unserer Kultur und zur Entwicklung unseres Landes. Mit dem, was sie als deutsch verstanden, grenzten sie vieles von dem aus, was für uns heute zum Besten unserer deutschen Geschichte gehört. Das gilt für unsere Geschichte insgesamt, und das gilt für die Geschichte des Kurfürstendammes insbesondere. Er ist wie ein besonders intensiver Spiegel unserer Geschichte.
Ich freue mich, dass es gelungen ist, in kurzer Zeit eine Ausstellung zusammen zu stellen, die während des gesamten Jubiläumszeitraums bis in den Oktober hinein in den Vitrinen direkt auf dem Kurfürstendamm mit 125 Geschichten an seine 125jährige Geschichte erinnert.
Ich freue mich auf die Schaustelle und auf viele große und kleine originelle Jubiläumsveranstaltungen in diesem Jahr. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben und weiter daran mitwirken, den Geschäftsleuten, den Sponsoren, der AG City, der Kulturprojekte Berlin GmbH und allen anderen.