Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zur Eröffnung der Fortbildungsveranstaltung zum 100jährigen Jubiläum des Auguste-Victoria-Hauses am 24.11.2007 in der Europäischen Wirtschaftshochschule ESCP-EAP am Heubnerweg 6

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Zur Eröffnung der Fortbildungsveranstaltung zum 100jährigen Jubiläum des Auguste-Victoria-Hauses am 24.11.2007 in der Europäischen Wirtschaftshochschule ESCP-EAP am Heubnerweg 6

Sehr geehrter Prinz Biron!
Sehr geehrter Prof. Dr. Bergmann!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen in Charlottenburg-Wilmersdorf! Ich freue mich, Sie zu einer Fortbildungsveranstaltung begrüßen zu dürfen, mit der Sie eine gute alte Charlottenburger Tradition fortsetzen: Die Verknüpfung von sozialem Engagement, Wissenschaft und Bildung in historischer Verantwortung.
Das war die Devise vieler Bürgerinnen und Bürger in Charlottenburg während der Kaiserzeit. Wir haben ihnen unsere Volkshochschule, das Schiller-Theater, die Deutsche Oper und neben vielem anderem auch dieses Haus zu verdanken.
Im Kaiserreich wurde Charlottenburg schlagartig zur Großstadt, und zwar zur reichsten Stadt Preußens. Die Bevölkerungszahl und die bauliche Entwicklung in Charlottenburg explodierten zwischen 1870 und 1900 geradezu. Charlottenburg hatte 1870 knapp 20.000 Einwohner, im Jahr 1900 waren es mehr als 180.000, 1910 schließlich mehr als 300.000.
Entsprechend selbstbewusst war die Bürgerschaft – nicht immer zur Freude des Kaisers.

Wilhelm II soll das 1905 eingeweihte neue Rathaus Charlottenburg auf seinem Weg zum Schloss Charlottenburg weiträumig umfahren haben, weil der Rathausturm höher war als die Schlosskuppel, was ihm sehr missfiel. Und der damalige Charlottenburger Oberbürgermeister Kurt Schustehrus besuchte als einziger staatlicher Vertreter die Ausstellungseröffnungen der Berliner Sezession am Kurfürstendamm, obwohl der Kaiser die Werke von Käthe Kollwitz, Heinrich Zille, Max Liebermann und Walter Leistikow als Rinnsteinkunst bezeichnet hatte.
Die 1895 eingeweihte Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche wurde respektlos “Taufhaus des Westens” genannt, nachdem 1907 das Kaufhaus des Westens eröffnet hatte. Aber immerhin: Der zentrale Platz der westlichen City, auf dem dann der Kaiser persönlich diese Kirche errichten ließ, wurde bereits 1892 nach Auguste Victoria benannt.
Der Spitzname “Kirchen-Juste” war wohl eher berlinisch liebevoll gemeint und bezog sich auf das kirchenpolitische Engagement der Kaiserin als Schirmherrin des evangelischen Kirchenbauvereins. Beliebt war sie zweifellos wegen ihres sozialen Einsatzes, und die Senkung der Kindersterblichkeit war eines ihrer wichtigsten Anliegen. Schließlich hat sie auch selbst sieben Kinder zur Welt gebracht.
Ich bin sehr froh darüber, das Auguste Victoria sich durch die Vorbehalte ihres Gatten gegenüber den selbstbewussten Bürgerinnen und Bürgern von Charlottenburg nicht daran hindern ließ, die Schirmherrschaft für dieses erste Institut zur frühen Prävention zu übernehmen. Sicher hat es ihr gefallen, dass das Kaiserin-Auguste-Victoria-Haus hier unmittelbar neben dem Schloss Charlottenburg gebaut werden konnte.

Immerhin haben dieses Schloss und der Ort Charlottenburg ihren Namen und die Stadtrechte vom ersten preußischen König Friedrich I erhalten, der damit 1705 an seine früh verstorbene Frau, Königin Sophie Charlotte erinnern wollte.
Ich hatte mich sehr darüber gefreut, dass heute der Chef des Hauses Hohenzollern, seine königliche Hoheit Georg Friedrich Prinz von Preußen persönlich diese Jubiläumsveranstaltung eröffnen wollte. Dass er nun wegen eines Trauerfalls verhindert ist, tut mir leid, und ich bitte Prinz Biron von Curland, ihm meine herzlichen Grüße und meine Anteilnahme zu übermitteln.
Vielen Dank, Prinz Biron, dass Sie heute die Hohenzollernfamilie hier vertreten. Ich entnehme daraus, dass die Familie keine Vorbehalte mehr gegen unser Rathaus Charlottenburg und seinen hohen Turm hat.
Ich lade Sie herzlich ein, mich dort einmal zu besuchen. Gerne können wir dann auch den Turm besteigen. Von oben hat man einen wunderbaren Blick über ganz Berlin und natürlich vor allem auch über das Schloss Charlottenburg und diese Häuser.
Es war eine wunderbare Idee, das 100jährige Jubiläum des Kaiserin-Auguste-Victoria-Hauses mit dieser Fortbildungsveranstaltung zu feiern. Wie könnte man den Intentionen der letzten deutschen Kaiserin und ihres Instituts besser gerecht werden als mit einer Diskussion und Weitervermittlung der neuesten Forschungsergebnisse im Vergleich zu den Anfängen der Forschung hier in diesem Haus.
Ich wünsche Ihnen allen eine interessante und anregende Jubiläumsveranstaltung zur frühen Prävention, wie sie vor 100 Jahren hier entwickelt wurde und wie sie heute praktiziert wird.