im Rathaus Schmargendorf, Berkaer Platz 1
Sehr geehrte Frau Yang!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Lassen Sie mich gleich zu Beginn ein Geständnis machen: Ich liebe China. Seit vielen Jahren reise ich regelmäßig nach China, und ich bin noch immer fasziniert von dem riesigen Land, von den Menschen und auch von der Sprache. Deshalb freue ich mich persönlich ganz besonders, dass ich heute gemeinsam mit meiner Kollegin Yiwen Yang ein Memorandum unterzeichnen kann, mit dem wir besondere Beziehungen zu Dongcheng, dem City-Bezirk von Peking, beginnen wollen.
Wir wollen damit die von Eberhard Diepgen 1988 begründete Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Peking auf der bezirklichen, kommunalen Ebene mit Leben erfüllen, “um freundschaftliche Beziehungen zwischen Dongcheng und Charlottenburg-Wilmersdorf sowie die Freundschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der VR China zu fördern, den Weltfrieden zu bewahren, den Austausch und die Kooperation zu verstärken”, wie es in dem Text des Memorandums heißt.
Ich will nicht verschweigen, dass es bei uns dagegen noch Vorbehalte gibt. Die Gegner einer Partnerschaft verweisen darauf, dass unser Bezirk bereits insgesamt 21 Partnerschaften pflegt, davon 13 internationale Partnerschaften. Wegen dieser großen Zahl bestehender Partnerschaften sollten wir keine neuen begründen. Und eine Partnerschaft mit Dongcheng sei wegen der großen Entfernung besonders schwierig mit Leben zu erfüllen.
An diesem Einwand ist sicher richtig, dass eine Partnerschaft nur dann einen Sinn hat, wenn sie auch lebendig ist und von beiden Partnern aktiv unterstützt wird.
Wir haben aber bei der großen Zahl unserer Partnerschaften auch die Erfahrung gemacht, dass die Partner sich gegenseitig helfen können, dass neue Beziehungen untereinander entstehen und sich so eine Art Partnerschaftsnetz entwickelt, das für alle Beteiligten ein großer Gewinn sein kann.
Die Gegner einer Partnerschaft mit China verweisen aber auch darauf, dass der chinesische Staat nicht unserem Demokratieverständnis entspricht und dass in China die Menschenrechte nicht garantiert seien.
Dieser Einwand scheint mir angesichts der immer enger werdenden deutsch-chinesischen Beziehungen und der Partnerschaft zwischen Berlin und Peking nicht sehr plausibel. Führende Politikerinnen und Politiker aller Parteien nehmen jede Gelegenheit gerne wahr, China in offizieller Mission zu besuchen. Dabei werden Meinungsverschiedenheiten inzwischen meist deutlich und öffentlich ausgesprochen.
Gerade wenn wir China auf dem Weg zu mehr Freiheit und Demokratie unterstützen wollen, dürfen wir nicht den Dialog verweigern, sondern wir müssen im Gegenteil möglichst enge Beziehungen gerade auch auf der kommunalen Ebene herstellen, so wie wir es beispielsweise mit Split und Kiew-Petschwersk getan haben, bevor Kroatien und die Ukraine sich eine demokratische Verfassung gegeben haben.
Gerade wenn wir andere von den Vorteilen unseres Demokratieverständnisses überzeugen wollen, müssen wir den Kontakt suchen, müssen wir dafür sorgen, dass wir uns gegenseitig näher kennen lernen, dass vor allem die Menschen sich näher kommen und eben nicht nur die Spitzenpolitiker.
Gerade dies ist doch das wichtigste Ziel einer kommunalen Zusammenarbeit.
Niemand bezweifelt mehr, dass die Entwicklung Chinas für uns alle von großer Bedeutung sein wird. Deutschland wird seine Rolle als Exportweltmeister wohl an China abgeben. Das bedeutet, dass China immer mehr zum Konkurrenten aber ebenso auch zum immer bedeutenderen Handelspartner für uns wird. Aber nicht nur auf wirtschaftlichem, technologischem und wissenschaftlichem Gebiet wird die Zusammenarbeit und der Austausch immer enger werden.
Wir wissen inzwischen, dass auch Chinas Umweltpolitik Auswirkungen auf uns und unser Klima hat. In diesen Tagen haben die Umwelt- und Energieminister aus 20 Ländern nach Lösungen für die Probleme des Klimawandels gesucht, und ich bin sehr froh, dass auch China an diesen Gesprächen konstruktiv teilnimmt. Ein Dialog mit China ist für uns nicht nur von größtem Interesse, er ist sogar lebenswichtig.
China ist den meisten von uns noch immer fremd: wegen der großen Entfernung, wegen der schwierigen Schriftzeichen, wegen der so ganz anderen Kultur und auch wegen der unglaublich heftigen politischen Umbrüche im letzten Jahrhundert. Aber gerade weil es uns so fremd ist, bewundern wir dieses Land auch immer wieder von neuem. Wir bewundern Künstler wie den Pianisten Lang Lang, der hier bei uns in der Waldbühne neben dem Olympiastadion gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern den Durchbruch als Weltstar in Europa geschafft hat.
Und wir bewundern Architekten wie I.M.Pei, der mit seinem Neubau für das Deutsche Historische Museum nicht nur den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl begeistert hat.
Bei einem Kiezspaziergang vor einigen Tagen haben wir festgestellt, dass in Charlottenburg der Austausch mit China schon seit mindestens 100 Jahren intensiv stattfindet.
Kulinarisch sind die Küchen der verschiedenen chinesischen Regionen in Berlin schon lange präsent, und zwar gerade in unserem Bezirk rund um die Kantstraße. Chinesische Studenten haben schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts die Technische Universität in Charlottenburg besucht. Was mich besonders freut: Inzwischen kommen auch immer mehr Frauen aus China zu uns, nachdem es über Jahrzehnte fast nur Männer waren, die uns besucht haben und für einige Zeit hier gelebt haben oder auch hier geblieben sind und Familien gegründet haben.
Wir haben ein wenig gerätselt, warum gerade die Kantstraße für viele Chinesen in Berlin besonders anziehend war. In den 1920er Jahren vermutete die Berliner Presse, dass Kant die Gäste aus Fernost an ihre Heimatstadt Kanton erinnern könnte und es sie deshalb hier herzog. Das ist allerdings doch eher unwahrscheinlich, denn der chinesische Name von Kanton hat mit Kant nun wirklich nichts zu tun. Die Stadt Kanton heißt Guangzhou, die Provinz Guangdong. Allerdings ist Immanuel Kant in China ein sehr bekannter Philosoph, fast so bekannt wie Konfuzius, der bereits lange vor Kant den kategorischen Imperativ formuliert hat. Er lautet bekanntlich sinngemäß: “Was du nicht willst, das man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu!”. So steht es auch auf dem Granitsockel des Konfuzius im chinesischen Garten in Berlin-Marzahn
Aber vermutlich ist die Erklärung viel einfacher: Die meisten Chinesen kamen nach Berlin wegen der Technischen Universität, und sie fanden ganz in der Nähe rund um die Kantstraße billigen Wohnraum, und wenn sie ein Restaurant oder ein Geschäft eröffnen wollten, auch günstige Gewerbemieten – und das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kurfürstendamm.
Wer sich mit der Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen in Charlottenburg näher beschäftigen will, dem rate ich, die Ausstellung in unserem Heimatmuseum zu besuchen, die wir gestern Abend gemeinsam eröffnet haben. Sie wurde von Dagmar Yu-Dembski konzipiert, die zur Ausstellung auch ein Buch über “Chinesen in Berlin” geschrieben hat. Ihr Vater war Chinese, ihre Mutter Deutsche, und sie selbst leitet das Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin. Sie ist also der lebende Beweis für die intensiven deutsch-chinesischen Beziehungen.
Und diese Beziehungen sind inzwischen sehr vielfältig: Am 18. September 2001 wurde die Boulevardpartnerschaft des Kurfürstendammes mit der Pekinger Haupteinkaufsmeile Wangfujing besiegelt. Der Mädchenchor Berlin war 2004 zum Jugendmusikfestival in Peking/China eingeladen und betreibt einen regelmäßigen Austausch mit einem Schulchor in Peking. Das Palace-Hotel hat eine Hotelpartnerschaft geschlossen. Im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gestern ein Memorandum über die Zusammenarbeit Berlins mit Chengdu unterzeichnet.
Vor einigen Wochen hat der Berliner Landessportbund in dem 600 Jahre alten kaiserlichen Getreidespeicher in Dongcheng den Berliner Champions Club eröffnet. Dort wird im nächsten Jahr der Olympiastützpunkt der Berliner Sportlerinnen und Sportler sein, und natürlich werden dort viele Begegnungen zwischen Spitzensportlern, Wirtschaft, Politik und Medien stattfinden. Der Getreidespeicher wurde im Jahr 1409 zur Versorgung Pekings gebaut. Die Menschen nennen ihn den “Bauch von Peking”, und er wirkt wie eine Oase zwischen den Hochhäusern des City-Bezirks Dongcheng.
Ich danke meiner Kollegin Yang Yiwen herzlich für ihre Unterstützung bei der Anmietung dieses sehr begehrten historischen Denkmals für unsere Berliner Sportlerinnen und Sportler.
Natürlich wird die Partnerschaft zwischen Berlin und Peking während der Olympischen Spiele eine besondere Rolle spielen, und ich freue mich sehr, dass auch unsere Beziehungen mit Dongcheng dazu beitragen können.
Unser Memorandum fügt diesen vielfältigen gemeinsamen Aktivitäten einen weiteren Mosaikstein hinzu, der beiden Bezirken, Dongcheng und Charlottenburg-Wilmersdorf, von großem Nutzen sein wird. Wenn es uns gelingt, dass möglichst viele Menschen aus unseren Bezirken sich kennen lernen, dann haben wir mehr erreicht als die hohe Politik.
Ich bin sicher, dass wir auch diejenigen überzeugen werden, die heute noch gegen eine Partnerschaft zwischen den beiden City-Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf und Dongcheng sind. Denn China fasziniert jeden, der sich auf dieses Land einlässt, das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung versichern.