Grußwort der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zum Bundeskongress "Ab in die Mitte!"

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

zum Bundeskongress "Ab in die Mitte!"

am 23.11.2006, 19.00 Uhr im Europa-Center

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen in der westlichen City Berlins!
Was zeichnet eine erfolgreiche Stadt aus? Ich könnte es mir jetzt einfach machen, und sagen: Schauen Sie sich doch einfach um in der City rund um das Europa-Center! Gehen Sie auf den Breitscheidplatz, wo die Tauentzienstraße und der Kurfürstendamm sich treffen und regelmäßig die höchsten Passantenzahlen Berlins gezählt werden. Bummeln Sie den Kurfürstendamm ein Stückchen westwärts Richtung Halensee! Sie werden über eine Reihe imposanter Neubauten staunen und feststellen, dass der Boulevard funktioniert, dass die Geschäfte immer luxuriöser werden, je weiter Sie in Richtung Adenauerplatz kommen, und schließlich werden Sie bemerken, dass hier alles, was Rang und Namen hat, vertreten ist und dem Boulevard zusätzlichen Glanz verleiht. Und vielleicht werden Sie sich verwundert die Augen reiben, denn in den letzten Monaten konnten Sie in den Medien immer wieder lesen, dass die City-West in Berlin im Niedergang begriffen sei und dass der Kurfürstendamm gegenüber der neuen alten Mitte ins Hintertreffen geraten sei. Wie ist dieser offenkundige Widerspruch zwischen der veröffentlichten Meinung und den augenscheinlichen festgestellten Fakten zu erklären? Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Widerspruch festzustellen ist, seit es den Kurfürstendamm als einzigen deutschen Boulevard gibt, also seit rund 120 Jahren.
Wir haben uns inzwischen fast daran gewöhnt, dass er immer kritisiert und heruntergeschrieben wurde und gleichzeitig immer populär und erfolgreich war. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass wir Deutschen den Erfolg nur schwer ertragen können. Aber vielleicht ist für manche auch die ständige Veränderung schwer zu verkraften, die für den Boulevard typisch ist, denn das einzig Konstante ist hier der permanente Wandel.
Aber ich will nun auch nicht so tun, als hätten wir in der City keine Probleme: Wir müssen vor allem um den Erhalt und die Wiedergewinnung der Kultur am Boulevard kämpfen. Eine Reihe von Kinos wurden in den letzten Jahren geschlossen, und die beiden Boulevardtheater waren von Schließung bedroht, was inzwischen glücklicherweise abgewendet werden konnte.
Außerdem hat die widersinnige und von Herrn Mehdorn willkürlich gegen alle Absprachen verfügte Schließung des Fernbahnhofs Zoo nach der Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs sehr nachteilige Folgen für die westliche City. Deshalb kämpfen wir gemeinsam mit einer Bürgerinitiative dafür, dass wieder ICEs am Bahnhof Zoo halten. Mehr als 140.000 Unterschriften wurden dafür mittlerweile gesammelt.
Aber diese Probleme bringen uns nicht zur Verzweiflung, und sie rechtfertigen es nicht, den Kurfürstendamm schlecht zu reden.
Übrigens sind Sie leider ein paar Tage zu früh in Berlin, denn in seinem vorweihnachtlichen Glanz werden Sie den Kurfürstendamm erst ab dem kommenden Montag, dem 27. November erleben können. Dann wird nämlich die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet, für die jetzt bereits im dritten Jahr der Unternehmer Hans Wall sorgt.
Und das ist wohl das Geheimnis des Erfolgs: Das bürgerliche Engagement gemeinsam mit der öffentlichen Verwaltung: Wenn die Anlieger und Geschäftsleute sich kümmern um ihre Straßen, dann können Sie auch etwas erreichen, dann können Sie der Tendenz zur Verödung der Innenstädte entgegenwirken – auch wenn am Stadtrand die Einkaufszentren locken. Wir haben das in vielen Geschäftsstraßen unseres Bezirks festgestellt, und es ist ein großes Glück, dass sich fast überall inzwischen Interessengemeinschaften gebildet haben, die sich für ihren Kiez einsetzen.
Deshalb können Sie beispielsweise auch in die Wilmersdorfer Straße gehen, die noch vor einigen Jahren im unaufhaltsamen Niedergang begriffen zu sein schien und inzwischen wieder floriert und sich außerordentlich gut entwickelt – und zwar dank des Engagements der Geschäftsleute, die sich zur IG Wilmersdorfer Straße zusammengeschlossen haben und sich um ihre Straße nun gemeinsam mit dem Bezirksamt kümmern. Ein Ergebnis ist beispielsweise der große Weihnachtsmarkt, der dort in einigen Tagen eröffnet wird.
Wenn ich also die vier Problemfelder, die in ihrem Einladungstext benannt werden, auf unseren Bezirk und auf die City-West beziehen soll, dann würde ich sagen:
Die City muss der demographischen Entwicklung Rechnung tragen, indem sie ihre Angebote auf alle Menschen und auf alle Altersgruppen ausrichtet.
Die kommunale Finanzsituation muss durch verstärktes bürgerliches Engagement ausgeglichen werden. Vielfach ist es auch von Vorteil, wenn auf die sprudelnden öffentlichen Finanzen kein Verlass mehr ist. Das kann Kreativität auslösen und manchmal zu erstaunlichen Verbesserungen führen.
Die City muss als erste auf den Strukturwandel in Wirtschaft und Handel reagieren. Dann bleibt sie attraktiv und vorbildlich.
Regionaler und internationaler Wettbewerbsdruck ist ein Ansporn und bringt Chancen mit sich: Mit der Freigabe der Ladenöffnungszeiten wollen wir unsere City gerade für internationale Gäste noch attraktiver machen. Am Kurfürstendamm gibt es seit Oktober 2000 zweimal im Jahr eine Lange Nacht des Shoppings, mit der genau dieser Effekt bereits vorweggenommen wurde.
Vielleicht zeichnet sich gerade der Boulevard dadurch aus, dass gesellschaftliche Entwicklungen hier besonders früh sichtbar sind und dass hier besonders früh studiert werden kann, wie man damit umgehen kann. Es gilt nicht so sehr, Gefahren abzuwehren, sondern vielmehr die Chancen aufzuspüren und aufzugreifen, die in der Entwicklung liegen. Eine letzte Bemerkung: Als Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf kann ich Ihren Slogan “Ab in die Mitte!” leider nicht akzeptieren. Denn “Mitte” ist ein Bezirk von Berlin, mit dem wir in der westlichen City uns in einer produktiven Konkurrenz befinden. Diese Konkurrenz ist zwar gut und richtig für Berlin, das sich ja gerade dadurch auszeichnet, dass es mehrere Zentren hat. Und wir gönnen auch unserem Nachbarbezirk jeden Erfolg. Aber es wäre doch zu viel von uns verlangt, wenn wir nun alle nach Mitte schicken sollten. “Ab in die City!” wäre mir lieber und am allerliebsten natürlich “Ab in die City-West!”