am 31.5.2006, 19.00 Uhr im BVV-Saal des Rathauses Wilmersdorf, Fehrbelliner Pl.4
Sehr geehrter Herr Innensenator Körting!
Sehr geehrte Frau Vorsteherin Dr. Suhr!
Sehr geehrte Abgeordnete!
Sehr geehrte Bezirksverordnete!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Vor einem Jahr haben wir uns in diesen Tagen an die 60 Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Und wir haben uns bewusst gemacht, dass wir in diesen 60 Jahren eine glückliche Entwicklung in Freiheit und Demokratie erleben durften.
Heute erinnern wir uns an die Anfänge der kommunalen Demokratie im Nachkriegs-Berlin.
Vorläufer hatte es ja bereits seit der Gründung Groß-Berlins 1920 gegeben. Die Bezirksversammlungen, wie sie damals hießen, traten im Januar 1921 zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Die Nationalsozialisten beseitigten diese Form der kommunalen Selbstverwaltung in Berlin zugunsten einer zentralistischen Stadtverwaltung, die auf die Interessen und Bedürfnisse der einzelnen Bezirke keine Rücksicht mehr nahm.
Deshalb musste nach dem Zweiten Weltkrieg ein Neuanfang gemacht werden. Dieser Neuanfang hat sich bewährt. Die Bezirksverordnetenversammlungen vertreten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger engagiert und immer gut informiert. Die einzelnen Bezirksverordneten kennen ihre Kieze, und bringen ihre Kenntnis in die Diskussionen mit ein.
Als Bezirksamtsmitglieder stöhnen wir manchmal über die Informationsbedürfnisse, über die Ansprüche und Ideen der Bezirksverordneten. Aber erstens waren wir ja auch alle selbst einmal Bezirksverordnete, und zweitens stellt sich am Ende doch meist heraus, dass die Diskussion der Sache gut getan hat und eine für alle vertretbare und letztlich optimale Lösung gefunden wurde.
Als Bezirksamtsmitglieder sind wir gehalten, Beschlüsse über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam zu vertreten und mit einer Stimme zu sprechen. Aber der argumentative Streit ist die Grundvoraussetzung der Demokratie. Und die BVV ist der Ort für Auseinandersetzungen, die erfahrungsgemäß in Wahlkampfzeiten auch schon einmal etwas härter werden. Aber letztendlich sind wir uns einig im gegenseitigen Respekt für unser aller Engagement für die Interessen unseres Bezirks.
Wenn dieses Wissen um die gemeinsamen Grundlagen im Eifer des Gefechts einmal in Vergessenheit gerät, so ist heute ein Tag, an dem wir uns daran erinnern sollten.
Wir sind uns auch einig in der gemeinsamen Anstrengung, unsere bezirklichen Kompetenzen nicht beschneiden zu lassen, sondern unsere Eigenständigkeit zu stärken. Wir sind davon überzeugt, dass dem Bezirk und damit letztlich auch den Interessen ganz Berlins mehr gedient ist, wenn die bezirkliche Kompetenz in Berlin eine wichtige Rolle spielt.
Berlins große Stärke ist seine Vielfalt, und diese Vielfalt wird durch die Bezirke repräsentiert, die ja ihrerseits selbst auch sehr vielfältig sind. Niemand von uns bestreitet, dass es auch Fragen gibt, die auf gesamtstädtischer Ebene für Berlin insgesamt gemeinsam und einheitlich geklärt werden müssen.
Aber wir können im Bezirk vieles kompetent und unter möglichst großer Beteiligung der Betroffenen entscheiden.
Als Argument für eine Zentralisierung der Berliner Verwaltung werden in den letzten Jahren meist finanzielle Gründe genannt. Das beruht meines Erachtens auf einer sehr verkürzten Sicht der Dinge. Teure Fehlentscheidungen, die Berlin in eine tiefe finanzielle Krise gestürzt haben, wurden nicht in den Bezirken getroffen, sondern auf zentraler Ebene. Am Ende ist es kostengünstiger, die Betroffenen bei wichtigen Entscheidungen mit zu beteiligen, als vom grünen Tisch kostspielige Maßnahmen zu beschließen, die am Ende an der Wirklichkeit scheitern. Für das Bezirksamt gratuliere ich – mit einer Stimme – herzlich zum 60. Geburtstag der BVV und verspreche auch für die Zukunft eine gute Zusammenarbeit des Bezirksamtes mit der BVV.
Ich wünsche uns allen weiterhin aktive, engagierte und streitbare Bezirksverordnete und eine mit genügend Kompetenzen ausgestattete BVV, damit sie die Interessen des Bezirks eigenverantwortlich kraftvoll vertreten kann.