Rede des Bezirksbürgermeisters Andreas Statzkowski zur Ausstellungseröffnung "www.mauerfotos.de" zum 40. Jahrestag des Mauerbaus am 13.8.2001 im Rathaus Wilmersdorf

Rede des Bezirksbürgermeisters Andreas Statzkowski

Zur Ausstellungseröffnung [[http://www.mauerfotos.de|"www.mauerfotos.de"]] zum 40. Jahrestag des Mauerbaus am 13.8.2001 im Rathaus Wilmersdorf

Sehr geehrter Herr Dannert!
Sehr geehrter Herr Hoffmann!
Sehr geehrte Damen und Herrn!

“Der Senat von Berlin erhebt vor aller Welt Anklage gegen die widerrechtlichen und unmenschlichen Maßnahmen der Spalter Deutschlands, der Bedrücker Ost-Berlins und der Bedroher West-Berlins. Die Abriegelung der Zone und des Sowjetsektors von West-Berlin bedeutet, daß mitten durch Berlin die Sperrwand eines Konzentrationslagers gezogen wird.”

So heißt es im Protokoll der außerordentlichen Sitzung des Berliner Senats unter der Leitung des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt am Sonntag, dem 13. August 1961.

40 Jahre nach dem Bau der Mauer und mehr als 10 Jahre nach ihrem glücklichen Ende können sich viele nicht mehr vorstellen, wie das damals war. Es ist notwendig, daran zu erinnern. Deshalb bin ich Herrn Matthias Hoffmann dankbar, dass er bereit war, hier, im Rathaus Wilmersdorf diese Ausstellung zu präsentieren. Er hat in den 80er Jahren die Berliner Mauer porträtiert, und zwar in ihrem ganzen Verlauf, rund um den eingemauerten Westteil Berlins. Er hat mehr als 500 Mauerfotos im Internet veröffentlicht und zeigt uns hier eine kleine Auswahl. Nicht zuletzt will er uns damit animieren, seine Website im Internet zu studieren.

Ich habe es getan und ihn gefragt, ob er bereit wäre, diese Ausstellung zu machen. Vielen Dank dafür, Herr Hoffmann, dass Sie spontan zugesagt haben und bereit waren, gemeinsam mit Petra Müller in kürzester Zeit aus dem Medium Internet ins Rathaus Wilmersdorf zu wechseln. Ich weiß, es hat eine Menge Arbeit gemacht und Sie mehr als ein Wochenende gekostet. Herzlichen Dank Ihnen beiden.

Der 13. August 1961 war ein schwerer Tag für unsere Stadt, ein Schock für alle, die ihn erlebt haben. Seit dem 9. November 1989, als die Mauer endlich aufgebrochen wurde, ist der Tag des Mauerbaus endgültig ein historischer Tag, eine Erinnerung an ein glücklich überwundenes schwieriges Kapitel unserer Geschichte. Aber wir sollten die Erinnerung wach halten, daraus lernen und verhindern, dass falsche Legenden entstehen.

Am 13. August 1961 hat ein diktatorisches Regime seine eigene Bevölkerung in Haft genommen, weil die Menschen in einer Abstimmung mit den Füßen zum Ausdruck brachten, dass sie mit ihrer Regierung nicht einverstanden waren. Abwählen konnten sie diese Regierung nicht, denn ganz im Gegensatz zu ihrem Namen war die Deutsche Demokratisch Republik keine Demokratie.

Der Bau der Mauer war die Bankrotterklärung des kommunistischen Herrschaftssystems der DDR. Von Systemkonkurrenz konnte man ab diesem Zeitpunkt nicht mehr sprechen, denn die DDR hatte sich dieser Konkurrenz durch Einmauerung entzogen. Es war das Eingeständnis, dass sie den Wettbewerb um die bessere Gesellschaftsordnung längst verloren hatte. Wer Mauern braucht, der hat offensichtlich nichts zu bieten.

Man musste Zwang ausüben und die Menschen einsperren, damit sie nicht wegliefen. Mit diesem Zwang verlängerte das System seine Lebensdauer künstlich um weitere 28 Jahre, bis dann mit dem Fall der Mauer konsequenterweise auch die DDR ihr Ende fand.

Die Mauer hat viele Menschenleben gekostet und viele Menschen brutal voneinander getrennt. Sie war menschenverachtend. In klugen historischen Aufsätzen kann man dieser Tage oft nachlesen, dass die Mauer in gewisser Weise unausweichlich und notwendig war, dass sie zu einer Stabilisierung der Lage um Berlin geführt habe und dass sie einen Zusammenprall der im Kalten Krieg miteinander verfeindeten Blöcke verhindert habe, dass sie damit letztlich dem Erhalt des Friedens gedient habe.

Das alles ist – aus der Distanz nach der Wiedervereinigung betrachtet –sogar richtig. Kennedy reagierte erleichtert, als er vom Bau der Mauer erfuhr. Denn für ihn bedeutete es, dass Chruschtschow nachgegeben hatte: “Wenn er noch die Absicht hätte, ganz Berlin zu besetzen, hätte er diese Mauer nicht gebaut.”

Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der Bau der Mauer mit Schießbefehl und Minen ein Verbrechen war. Es ist das einzige Beispiel in der Geschichte der Menschheit, dass die gesamte Bevölkerung eines Möchtegern-Staates von ihrer Staatsführung in Haft genommen und damit ihrer Freiheit und ihrer Lebenschancen beraubt wurde.

Auch für uns West-Berliner bedeutete der Bau der Mauer Angst und Schrecken. Viele glaubten nicht, dass der Ostblock es dabei belassen würde. Eine Flucht aus dem Westteil der Stadt setzte ein, Möbelwagen rollten nach Westen, die Grundstückspreise in West-Berlin sanken, und nur mit großen Anstrengungen konnte die Bundesrepublik die Lebensfähigkeit der Teilstadt aufrechterhalten.

Mir ist immer unverständlich geblieben, dass manche im Westen sich mit der Mauer arrangiert hatten und den Fall der Mauer nicht mehr für möglich hielten – ja manche hielten den Fall der Mauer nicht einmal für erstrebenswert und lehnten es ab, sich für eine Wiedervereinigung unserer Stadt und unseres Landes einzusetzen. Sie hielten die Teilung unseres Landes und unserer Stadt für das Ende der deutschen Geschichte, für eine verdiente Strafe für die Verbrechen des Nationalsozialismus, für eine vernünftige Lösung der deutschen Frage gar. Sie wollten nicht wahrhaben, dass wir uns mit der DDR-Diktatur ebenso auseinanderzusetzen hatten wie mit dem Nationalsozialismus, dass die deutsche Frage offen blieb, solange die Mauer geschlossen war.

Richard von Weizsäcker hat am 18. März 1986 gesagt: “Die Mauer in Berlin ist eine Realität; aber realistisch ist sie nicht, denn sie ist nicht vernünftig, nicht human. Deshalb wird sie in der geschichtlichen Perspektive keinen Bestand haben.” Knapp vier Jahre später wurde diese Voraussage bestätigt.

Die Bürgerinnen und Bürger der DDR haben sich im November 1989 den Durchbruch durch die Mauer erkämpft, und seither gestalten wir gemeinsam das Zusammenwachsen der beiden Stadthälften. Das ist zwar manchmal durchaus mühsam, aber es ist doch ein großes Glück. Niemand kann sich mehr vorstellen, dass unsere Stadt nochmals geteilt würde, und die Mauerzeit erscheint im Rückblick vielen bereits als unwirklich und unverständlich. Touristen suchen nach den wenigen Spuren und versuchen, sich an der Mauer-Gedenkstätte ein Bild zu machen von diesem Teil unserer Geschichte.

Wir sollten nicht vergessen, dass die Mauer als brutales Zeichen der Gewaltherrschaft unsere Stadt für Jahrzehnte zerschnitten hat und für viele Probleme verantwortlich ist, die wir heute bewältigen müssen.

Mit dieser Ausstellung wollen wir dazu beitragen, dass die Erinnerung wachbleibt, dass wir daraus lernen. Für mich persönlich war die Erfahrung der Teilung Berlins der wichtigste Antrieb zum politischen Engagement. Und aus der Geschichte der Berliner Mauer habe ich gelernt, dass man sich mit brutalem Unrecht nicht arrangieren darf. Auch wenn es nicht sofort zu ändern ist, lohnt es sich, dagegen anzukämpfen. Am Ende hat das Unrecht keinen Bestand, und auch ein scheinbar mächtiges diktatorisches Regime bricht wie ein Kartenhaus zusammen.