Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zum kurdischen Neujahrsfest "Newroz" am 19.3.2003, um 19.00 Uhr im Rathaus Charlottenburg, Festsaal

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

zum kurdischen Neujahrsfest "Newroz"

am 19.3.2003, um 19.00 Uhr im Rathaus Charlottenburg, Festsaal

Sehr geehrter Herr Dr. Faki!
Sehr geehrte Frau Tank!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen im Rathaus Charlottenburg. Ich freue mich, dass Sie, die Vereinigung kurdischer Ärzte mit Ihren Gästen, zu uns gekommen sind, um Ihr Neujahrsfest mit uns gemeinsam zu feiern. Ich wünsche Ihnen ein gutes, glückliches, gesundes und friedliches Neues Jahr, und ich kann gut verstehen, dass Sie erst jetzt mit diesem Neuen Jahr beginnen. Denn in den letzten Wochen haben wir doch eher den Rest des alten erlebt: kalte Wintertage, Rückzug in die warmen Häuser und eine erstarrte Natur.

Ich finde es sehr einleuchtend, wenn der Jahresbeginn zusammen fällt mit dem Führjahrsbeginn, mit dem Erwachen der Natur und unseren eigenen Frühlingsgefühlen, mit denen wir jedes Jahr wieder staunen über das neue Grün, die Blumen, das Vogelzwitschern und die ersten warmen Tage in der Sonne.

In diesem Jahr allerdings mischen sich in die Frühlingsgefühle viele Sorgen und Ängste wegen des Krieges im Irak. Vielleicht haben wir unterschiedliche Einstellungen zu diesem Krieg. Ich weiß, dass viele Kurden den Krieg gegen Saddam Hussein als Befreiung empfinden, als Chance, einen schrecklichen Diktator endlich los zu werden. Aber selbst wenn Sie den Krieg für unausweichlich halten, werden Sie wahrscheinlich doch auch besorgt sein um das Schicksal von Freunden und Verwandten, die im Irak leben.

Ähnlich ist es vielen in Deutschland in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges ergangen, als sie die Befreiung vom Diktator Hitler herbei sehnten aber gleichzeitig die fürchterlichen Folgen des Luftkrieges fürchteten und zu spüren bekamen.

Solche historischen Vergleiche sind manchmal nützlich, denn wir wollen schließlich aus unserer Geschichte lernen, sie sind aber auch gefährlich, denn die Geschichte wiederholt sich nicht. Ich habe nicht den Eindruck, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, den Diktator im Irak auf friedlichem Wege zu entwaffnen und damit auch früher oder später zu entmachten. Ich fürchte, dass die Folgen dieses Krieges nicht kalkulierbar sind, und ich fürchte, dass die Welt durch diesen Krieg insgesamt unsicherer und unfriedlicher wird. Die Vereinten Nationen und das Völkerrecht haben eine Niederlage erlitten, und Krieg ist wieder zum Mittel der Politik geworden.

Ich hoffe, dass ich mit meinen Befürchtungen Unrecht habe, und uns bleibt wohl gemeinsam jetzt nur noch zu hoffen, dass der Krieg kurz sein wird, dass er möglichst wenig Menschenleben kosten wird und dass danach eine friedliche Entwicklung in der Region möglich sein wird. Ich bin sicher, dass dann auch Deutschland sich tatkräftig an der Gestaltung und Sicherung des Friedens beteiligen wird.

Der Wunsch nach Frieden steht immer an erster Stelle bei den guten Wünschen zum Neuen Jahr, und in diesen Tagen ist dieser Wunsch besonders ausgeprägt. Auch wenn wir den jetzt beginnenden Krieg unterschiedlich einschätzen mögen, so glaube ich doch, dass der Wunsch nach Frieden uns letztlich gemeinsam ist, und dass wir uns auch von unterschiedlichen Positionen aus gemeinsam für den Frieden einsetzen können.

Das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt jedenfalls sollten wir durch die weltpolitischen Ereignisse nicht in Frage stellen lassen, und ich lade Sie schon jetzt herzlich ein zu unserem Fest der Nationen, das wir in diesem Jahr bereits zum 18. Mal feiern, und zwar vom 9. bis zum 11. Mai auf dem Prager Platz.

Es ist ein Fest der Völkerverständigung und des friedlichen Zusammenlebens vieler Nationen in unserer Stadt. Auch in diesem Jahr ist es zugleich ein Kiezfest für die Anwohnerinnen und Anwohner und ein internationales Fest für viele Gäste aus Berlin und anderswo. Es ist ein Fest vieler Nationen für ein Publikum aus vielen Nationen – schließlich leben in unserem Bezirk Menschen aus mehr als 100 Ländern.

Ich würde mich freuen, wenn Sie mit uns feiern würden, so wie wir heute mit Ihnen Newroz feiern.

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