HIER WOHNTE
GEORG BREMER
JG. 1864
DEPORTIERT 12.1.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 2.3.1943
Georg Bremer wurde am 12. März 1864 in (Bad) Gandersheim geboren. Sein Vater Adolph Bremer hatte die von dessen Vater, Georgs Großvater, Joseph Bremer gegründete Handelsfirma zu einer blühenden Privatbank ausgebaut, dem Bankhaus Joseph Bremer. Adolph Bremer heiratete 1859 Henriette Ballin aus Echte in Niedersachsen, außer Georg hatten sie drei weitere Kinder: Anna, 1860 geboren, ihr folgten 1862 Louis, und Clara, die 1866 auf die Welt kam. Adolph Bremer nahm Henriettes Bruder, Louis Ballin als Partner in sein Geschäft, das weiter prosperierte. Nach Adolph Bremers Tod 1871 führte Louis Ballin weiter das erfolgreiche Familienunternehmen und wurde zu einem der wichtigsten Bürger der Stadt.
Als Georg 1885 den Militärdienst beendet hatte, trat auch er in die Bank ein. Sein älterer Bruder Louis war bereits dort tätig. Georg wechselte aber dann zur Dresdner Bank nach Dresden. 1897 heiratete er die junge Anna Mosheim, die am 4. März 1876 in Eldagsen bei Hannover geboren worden war. Auch unter den Mosheims wurde eine Privatbank betrieben, ob ihr Vater Markus Mosheim damit verbunden war, ist unklar. Ihre Mutter Ida war, wie Georgs Mutter, auch eine geborene Ballin aus Echte, möglicherweise waren Georg und Anna verwandt.
Georg Bremer machte Karriere bei der Dresdner Bank, er wurde als Prokurist nach Berlin geschickt. Dort wurde am 18. Januar 1898 sein und Annas erstes Kind, Ida Margarete geboren. Ein gutes Jahr später, am 8. März 1899 kam Sohn Ernst Adolf zur Welt, am 13. November 1902 das dritte Kind, Lisa.
Laut Berliner Adressbuch wohnten in diesen Jahren Bremers zunächst in der Joachimsthaler, später in der Motzstraße. Ab 1907 ist kein Eintrag mehr vorhanden – Georg Bremer hatte einen Direktorposten an der Dresdner Bank in München übernommen. 1920 kehrte er in gleicher Funktion nach Berlin zurück. Bremers bezogen eine repräsentative 9-Zimmer-Wohnung am Kurfürstendamm 64, eine Adresse, die sie bis zur Deportation 1943 beibehielten.
1929, mit 65 Jahren, ging Georg Bremer mit einer stattlichen Pension in den Ruhestand. Er war an der Dresdner Bank beteiligt und die letzten neun Jahre stellvertretendes Vorstandsmitglied gewesen. Dennoch wurde die Pension 1931, nach der Weltwirtschaftskrise und „wegen der Notverordnungen“, um 10% gekürzt.
Es sollte nicht die letzte Kürzung sein. 1936 reduzierte die Dresdner Bank – der eine besondere Nähe zum NS-Regime nachgesagt wird – die Pension drastisch um knapp 2/3 auf 1000 RM im Monat. 1941 schließlich argumentierte die Bank, dies sei „sehr viel mehr, als die Behörden für angemessen halten“, und senkte die Bezüge auf 625 RM, später nochmal auf 600.
Pensionskürzungen waren bei weitem nicht die einzigen Vermögenseinschränkung, die Georg Bremer zu erdulden hatte. Üppige Sonderabgaben und „Sühneopfer“ wurden von Juden erhoben, ihre Konten wurden gesperrt und sie durften nur noch für ein Existenzminimum festgelegte Beträge abheben. Hinzu kamen die vielen antisemitischen Verordnungen, die zum Ziel hatten, Juden nicht nur aus dem Wirtschaftsleben, sondern aus dem öffentlichen Alltag überhaupt auszuschließen.
Die beiden jüngeren Kinder, Ernst Adolf und Lisa, emigrierten rechtzeitig in die USA und nach England. Die Eltern waren vielleicht zu alt oder bekamen einfach keine Ausreisegenehmigung mehr. Auch Ida Margarete – offenbar unverheiratet – blieb in der Wohnung am Kurfürstendamm, vielleicht auch um für die Eltern zu sorgen. Georg und Anna Bremer wurden jedoch Anfang 1943 „abgeholt“ und in das Sammellager in der Gerlachstraße 21 gebracht, ein zum Teil umfunktioniertes jüdisches Altersheim. Dort oder vielleicht auch schon vorher wurde Georg Bremer zu einem „Heimeinkaufsvertrag“ genötigt. Solche mussten auf Anordnung der Gestapo deutsche Juden, die in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert werden sollten, mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland schließen. Darin verpflichtete man sie auf hohe Vorauszahlungen und Abgaben. Im Gegenzug wurde ihnen lebenslange kostenfreie Unterbringung, Verpflegung und Krankenversorgung zugesagt – blanker Hohn in
Anbetracht der tatsächlichen elenden Bedingungen, die sie erwarteten. Die „Vorauszahlungen“ wurden mit 150 RM monatlich auf ein Lebensalter von 85 Jahren berechnet, ein Alter, das kaum jemand dort erreichte. Für Georg und Anna Bremer wurden für diesen „Heimeinkauf“ (Heimeinkaufsvertrag Nr. B1246) Wertpapiere aus ihrem – gesperrten – Vermögen in Höhe von 14400 RM zwangsverkauft. Verfügen konnte die Vereinigung allerdings über diese Vermögenswerte nicht, und sie fielen später dem Reichssicherheitssamt zu. Georg weiteres, immer noch beträchtliches Vermögen, wurde vom Staat schlichtweg „eingezogen“, auch der Gegenwert für ihre Wohnungseinrichtung floss in die Staatskasse.
Am 12. Januar 1942 wurden Georg und Anna Bremer dann nach Theresienstadt deportiert. Dort fanden sie mitnichten die im „Vertrag“ versprochenen Bedingungen vor, sondern KZ-ähnliche Lebensumstände, die dermaßen unerträglich waren, dass sie sie nur kurz überlebten. Georg Bremer starb am 2. März 1943, Anna wenig später am 25. März. Für Georg Bremer ist ein sogenannte „Todesfallanzeige“ erhalten, in der heuchlerisch und beschönigend behauptet wird, er sei an Altersschwäche gestorben, im Zimmer 019 des Gebäudes L321.
Ida Margarete Bremer tauchte nach der Deportation der Eltern unter und verließ Berlin. Durch Verrat aufgegriffen, wurde sie schließlich noch im gleichen Jahr nach Auschwitz deportiert. Ihre letzte Adresse war in Thüringen. Sie wurde am 5. November 1943 in Auschwitz ermordet.
Georg Bremers Geschwister Louis und Clara erlebten das NS-Regime nicht mehr. Seine Schwester Anna, verheiratete Herzfeld, hatte dieses Glück nicht. Sie wohnte zuletzt in Braunschweig und nahm sich dort am 17. März 1943 das Leben.
Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akten der Oberfinanzdirektion; “Todesfallanzeige“:http://www2.holocaust.cz/de/document/DOCUMENT.ITI.17793