Thema des Monats Februar 2015

Industriebrachen zu Wohngebieten

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Ehemalige Reemtsma-Werke, 14.12.2013, Foto: KHMM

Berlin wächst. Immer mehr Menschen zieht es in die Metropole, die Wirtschaft entwickelt sich mit hoher Dynamik und schafft neue Arbeitsplätze. Berlin ist eine Versuchsstätte für effiziente Infrastruktur, informationelle Vernetzung, umweltverträgliche Mobilität, Kreativität und die Verbindung von Produktivität mit Lebensqualität. Als Innenstadtbezirk verfügt Charlottenburg-Wilmersdorf jedoch über eine begrenzte Fläche. Er ist ein Bezirk der Mieterinnen und Mieter, die die darauf angewiesen sind, dass sie sich auch noch in Zukunft ihre Wohnungen im vertrauten Kiez leisten können. Auf der anderen Seite gibt es jedoch noch große Areale, die brach liegen und daher zu Experimentierfeldern der Stadtplanung werden. Doch nur ein Mix aus Wohnen mit ausgebauter Infrastruktur, Arbeiten, Handel und Industrie in angemessener Verteilung macht ein gutes Wohnklima aus.

CDU-Fraktion

Aus Sicht der CDU-Fraktion wäre es falsch, wenn man versuchen würde, mögliche Industrieansiedlungen gegen eventuell bestehende Wohnungsbaupotentiale auszuspielen. Beides muss und soll in einer so dynamischen Stadt wie Berlin möglich sein, schließlich war Berlin seit je her auch ein Industriestandort. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich dieser Industriestandort jedoch immer weiter zu Gunsten von Handel und Gewerbe verändert. Wir sind dabei der Ansicht, dass der Bezirk als Industriestandort auch zukünftig ein nicht zu verachtendes Entwicklungspotential hat. Mithin kann auch nicht jede Fläche, die sich zur Ansiedlung von Industrieunternehmen eignet, dem Wohnungsbau zugeführt werden, denn so viele Industrieflächen gibt es im Bezirk nicht mehr. Also gilt es genau abzuwägen, an welcher Stelle man Wohnungsbau zulässt, denn dort wird zukünftig eine Industrieansiedlung aus Stadtplanerischen Gründen nicht mehr möglich sein.
Stefan Häntsch

SPD-Fraktion

Wohnungen in Berlin werden aufgrund des schon zu spürenden und noch zu erwartenden Bevölkerungswachstums und der damit verbundenen Mietpreisprogression dringend benötigt. Hier werden wir die wenigen bezirklichen Möglichkeiten wie Zweckentfremdungsverbotsverordnung und Erhaltungssatzung nutzen, um Mieterinnen und Mieter vor Verdrängungseffekten zu schützen. Doch nur mit Augenmerk auf dem Wohnungsbestand wird man die Probleme der wachsenden Mieterstadt Berlin nicht lösen. Im Innenstadtbereich stehen für Wohnungsbau ausgewiesene Freiflächen kaum mehr zur Verfügung. Von daher muss dringend fachlich geprüft werden, wie auch Brachflächen, die nicht mehr als Gewerbe- und Industriestandorte benötigt werden, zukünftig als Flächen für Wohnungsneubau umgewidmet werden. Denn das können wir uns eher vorstellen, als Parkanlagen oder Spielplätze dem dringend erforderlichen Wohnungsneubau zu opfern.
Heike Schmitt-Schmelz

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Mit seiner Innenstadtlage liegt unser Bezirk an zweitletzter Stelle, was die Industrie- und Gewerbeflächen angeht. Meist liegen diese Flächen belastet von Lärm und Schmutz an Kraftwerken, Autobahnen oder Gleisen. Sie werden gebraucht für Logistik, Werkstätten und produzierendes Gewerbe, für wohnortnahe Arbeitsplätze und Handwerksbetriebe direkt um die Ecke. Eine wachsende Stadt mit einem wachsenden Bezirk benötigt sowohl Flächen, auf denen die neuen BürgerInnen wohnen können, als auch welche, auf denen sie Arbeit finden. Eine gute Mischung von Wohnen und Arbeiten in einer Stadt der kurzen Wege mit der Vermeidung von unnötigem Verkehr ist eine zentrale grüne Forderung. Unter dieser Maßgabe sollten bezirkliche Industrie- und Gewerbeflächen mit Augenmaß auf eine mögliche Eignung zu Wohnzwecken hin geprüft werden. Allerdings sollten wir jetzt nicht voreilig Spekulanten, die Gewerbefläche kauften und nun Wohnungen bauen möchten, nachgeben – damit schaffen wir uns die Probleme von morgen.
Ansgar Gusy

Piraten-Fraktion

Das ehemalige Reemtsma-Gelände an der Mecklenburgischen Straße ist ein Denkmal für die Industriepolitik der 60er. Die Ansiedlung dieser Fabrik gelang nur, weil es erhebliche Zuschüsse zum Bau und laufenden Betrieb gab. Nach der Wende fielen diese “Berlin-Zulagen” weg und die Fabrik lohnte sich für den Eigentümer nicht mehr. Seit 2012 ist das Gelände ohne Perspektive. Oder etwa nicht? Berlin sucht händeringend Standorte für Wohnungsbau. Ein Investor, der dort auch Wohnungen bauen will, ist vorhanden. Allein die Bezirkspolitik beharrt darauf, dort ausschließlich “verarbeitende Industrie” vorzusehen. Angeboten wurde bislang aber nur das 49. Möbelhaus in der Stadt. Der Flächennutzungsplan sieht an dieser Stelle Gewerbe/Industrie vor. Das kann aber relativ leicht geändert werden. Der Senat sucht dringend Flächen, auf denen Wohnungen entstehen können. Hier ist eine.
Siegfried Schlosser

Die Linke

In einer Stadt, in der Wohnungsnot herrscht, brauchen wir dringend Neubau. Darüber sind sich fast Alle einig, nicht jedoch, wo Häuser entstehen sollen. Die wenigen Grünflächen eignen sich jedenfalls nicht. Allerdings gibt es inzwischen nicht mehr benötigte ehemalige Gelände wie beispielsweise das der früheren Reemtsma-Fabrik. Hier ist zwar kein Wohnungsbau vorgesehen, aber das lässt sich doch bei Bedarf – und den haben wir! – ändern. Die Revitalisierung von Brachen wurde schon in anderen Städten, oft sehr erfolgreich, betrieben. Eine gelungene Mischung aus Wohnen, Arbeit und Freizeit nach neuestem Stand ließe sich auch auf der ungenutzten Fläche in Schmargendorf ausgezeichnet verwirklichen. Und dass es nicht darum gehen kann, weitere Luxuswohnungen für Reiche zu bauen, versteht sich für DIE LINKE. von selbst. Das ist aber eine Frage der Baugenehmigung …
Marlene Cieschinger