Thema des Monats Mai 2004

Ein Bezirk – Zwei Rathäuser?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Auf Antrag der FDP-Fraktion wurde in der Bezirksverordnetenversammlung darüber diskutiert, ob der Fusionsbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf weiterhin die beiden großen Rathäuser benötigt. Das dritte – kleinere – Rathaus Schmargendorf, das ebenfalls zum Bezirk gehört, war nicht Gegenstand dieser Diskussion. Im Folgenden werden die Haltungen der Fraktionen erläutert.

SPD-Fraktion

Seit der Fusion von Charlottenburg und Wilmersdorf geistert eine seltsame Debatte durch den Raum: Die FDP möchte, dass ein Rathaus leer geräumt wird – das spare Kosten. Ein Rathaus für einen Bezirk – das muss langen.
Zwar ist es richtig, dass es durch die Fusion statt zwei Bezirksbürgermeistern nur noch einen Bezirksbürgermeister gibt und dass statt zwei Bezirksverordnetenversammlungen nur noch eine tagt.
Doch aus 100 Sozialhilfeempfängern in Charlottenburg und 100 Sozialhilfeempfängern in Wilmersdorf werden nicht plötzlich 100 insgesamt im neuen Bezirk. Und auch im neuen Bezirk sollen alle betreut und beraten werden.
Natürlich ist der Raumbedarf insgesamt durch die Zusammenlegung vieler Ämter gesunken, doch der Raumbedarf kann nur mit den großen Flagschiffen Rathaus Wilmersdorf und Charlottenburg sichergestellt werden. Soll wirklich im 100. Jahr des Bestehens des Rathauses Charlottenburg, das vom Glanz der einstmals reichsten Stadt Preußens kündet, diese Gebäude zum Verkauf angeboten werden? Und wer will ein denkmalgeschütztes Haus wie das Rathaus Charlottenburg schon kaufen?
Das Bezirksamt räumt stattdessen kleinere Gebäude leer, wie z.B. die Wilmersdorfer Straße 99. Aktuell wird über das Gebäude in der Sigmaringer Straße diskutiert – ein schwieriges Unterfangen, denn wo soll z.B. die Bibliothek unterkommen? Ersatzräume müssen eine gewisse Mindestdeckenlast aufweisen, die nicht überall gegeben ist. Seit Monaten werden Alternativen hin und her geprüft und kein Ergebnis kommt zustande. Zuständig ist im übrigen der von der FDP gestellte Stadtrat. Statt großer Sprüche sollte die FDP hier bei einer ganz konkreten Lösung helfen!
Marc Schulte

CDU-Fraktion

Richtig sollte es lauten: ein Bezirk, drei Rathäuser, da natürlich auch das Rathaus Schmargendorf neben Charlottenburg und Wilmersdorf nicht zu vergessen ist.
Die bloße Fusion zweier Bezirke wie Charlottenburg und Wilmersdorf bedeutet selbstverständlich nicht den automatischen Abbau von einer so großen Zahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, dass die Aufgabe eines Rathauses möglich ist. Außerdem dienen die Rathäuser auch der Identifikation der Bevölkerung bzw. stehen unter Denkmalschutz und sind andersweitig kaum zu nutzen.
Trotzdem ist die Frage, die hinter der Überschrift steht auch für die CDU-Fraktion von erheblicher Bedeutung: Angesichts der finanziellen Erdrosselung der Bezirke durch den Berliner Senat muss weiter an den Infrastrukturkosten des Bezirks gespart werden.
Wenn wie von Rot und Grün im Bezirk beschlossen reihenweise Kindertagesstätten, Jugendfreizeitheime und Schulen gegen den Widerstand der CDU geschlossen werden und ein beispielloser Sozialabbau zu Lasten der Kinder und Jugendlichen zu beklagen ist, dann muss natürlich die Aufgabe weiterer Standorte von Dienstgebäuden wie in der Sigmaringer Straße oder in der Heerstraße vorangetrieben werden.
Die CDU-Fraktion erwartet vom Bezirksamt hier sehr schnell konkrete Schritte. So könnte die Wilmersdorfer Hauptbücherei aus dem Dienstgebäude Sigmaringer Straße innerhalb des nächsten Jahres in das Dienstgebäude Hohenzollerndamm integriert werden. Große Anfragen und Anträge sind gestellt. Wir bleiben dran.
Andreas Statzkowski

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Sicher, die Reduzierung der Gebäude-Bewirtschaftungskosten gehört angesichts unserer Haushaltslage zu unseren dringendsten Problemen. Charlottenburg-Wilmersdorf mit seinem großen Altbauanteil an öffentlichen Gebäuden ist in ganz besonderer Weise von hohen Unterhaltungskosten betroffen. Die von der FDP-Fraktion stereotyp vorgetragene Forderung nach Aufgabe eines Rathauses greift allerdings viel zu kurz. Was wir brauchen, ist ein umfassendes Konzept über die Nutzung der bezirkseigenen Gebäude. Daraus muss hervorgehen, welche Gebäude durch Zusammenlegungen effizienter genutzt und welche gegebenenfalls gewinnbringend verwertet werden können. Die Frage, ob die Aufgabe eines Rathauses überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist, kann nur am Ende, nicht aber am Anfang einer solchen Debatte beantwortet werden. Ein umfassendes Raumnutzungskonzept – von der grünen Fraktion bereits mehrfach gefordert – hat das Bezirksamt unter Federführung des zuständigen FDP-Stadtrats für Wirtschaft und Liegenschaften bisher nicht vorgelegt. Dies gegenüber dem eigenen Stadtrat offensiv einzufordern und damit die Diskussion voranzutreiben, wäre ein guter Beitrag der FDP-Fraktion.
Claudia Rathjen

FDP-Fraktion

Wilmersdorf und Charlottenburg wurden ein Bezirk Aber für die Bürger gibt es zwei relevante Rathäuser: Die Bürgermeisterin residiert in Charlottenburg, das Bezirksparlament in Wilmersdorf. Die Wirtschaftsverwaltung agiert in der Otto-Suhr-Allee, die Bauverwaltung am Fehrbelliner Platz. Das ist weder kostengünstig noch bürgernah. Der fusionierte Bezirk braucht nur ein Rathaus. In Charlottenburg ist Platz genug für die politischen und administrativen Leitungen. Wilmersdorf kann zum Wohle der Bezirkskasse aufgegeben werden. Eine Koalition der Verharrenden wehrt sich dagegen: Zwar wollte man einen Bezirk, aber aus dem Zusammenschluss Konsequenzen ziehen will man nicht. Mit zwei Rathäusern soll die Illusion genährt werden, Charlottenburg und Wilmersdorf gäbe es eigentlich noch immer: Man will die Bürger verdummen – und das auf ihre Kosten. Einzig die FDP wehrt sich gegen diesen Schildbürgerstreich, denn eines ist doch klar:
Ein Bezirk braucht nur ein Rathaus.
Jürgen Dittberner

Fraktionslose Bezirksverordnete (Die Linkspartei.PDS)

Verwaltungsreformen sind und bleiben umstritten. Ihre Verfechter loben mögliche Vorteile über den grünen Klee, im Gegenzug malen die jeweiligen Gegner den Teufel an die Wand. Nur scheinen beide Seiten liebend gerne zu vergessen, dass eine Verwaltungsreform ein langwieriger Prozess ist, der sich über Jahre hinzieht, und nicht von heute auf morgen grundlegende Veränderungen bringt.
Nicht anders sieht es bei der Fusion der Berliner Bezirke aus: Es wird noch eine Weile dauern, bis Charlottenburg und Wilmersdorf zu einer wirklichen Einheit zusammengewachsen sind. Hier helfen keine Hauruck-Maßnahmen, um einen Prozess zu beschleunigen, der seine Zeit braucht.
Vermutlich wäre langfristig eine Ein-Rathaus-Lösung für den Bezirk denkbar, nur sollte sie gut durchdacht und noch besser vorbereitet sein; dann brächte sie eventuell sogar verwaltungstechnische Synergie-Effekte. Mittelfristig aber gibt es derzeit dringendere Aufgaben in den Bereichen Soziales, Jugend und Kultur.
Abwegig ist hingegen die Vorstellung, eines der drei Rathäuser zu verkaufen und privat nutzen zu lassen. Die Rathäuser gehören zum Kulturgut des Bezirks. Zudem zeigt das Beispiel Rathaus Schmargendorf, dass sich öffentliche Gebäude sinnvoll nutzen lassen und gleichzeitig Schmuckstücke für unseren Bezirk sind.
Benjamin Apeloig, Jürgen Hornig