Thema des Monats Oktober 2005

Stopp am Zoo - Der Bahnhof Zoo muss Fernbahnhof bleiben!

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Die überraschende Entscheidung von Bahnchef Mehdorn, am Bahnhof Zoo keine Fernzüge mehr halten zu lassen, wenn der neue Hauptbahnhof im nächsten Jahr seinen Betrieb aufnimmt, ist im gesamten Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und weit darüber hinaus, unter den Geschäftsleuten und den Bewohnerinnen und Be-wohnern gleichermaßen auf Unverständnis gestoßen. Auch das Bezirksamt und alle Parteien in der BVV kämpfen für den Erhalt des Fernbahnhofs Berlin Zoologischer Garten.

SPD-Fraktion

Nein, es ist nicht West-Berlin-Nostalgie, die uns am “Zoologischen Garten” als Fern-, Regional-, S-, U- und Busbahnhof festhalten lässt. Nach der Wiedervereinigung hatte man sich auf ein Verkehrskonzept zusammen mit der Bahn (!) geeinigt, das die historischen Grundlagen und die Zukunftschancen der Vereinigung der beiden Stadthälften bedachte:
1. Wir benötigen einen neuen Hauptbahnhof mit einer neuen unterirdischen Nord-Süd-Trasse, um die zukünftigen Verkehre stadtverträglich und effizient bewältigen zu können – das ist der Lehrter Bahnhof.
2. Wir benötigen dezentrale Fern- und Regional-Bahnhöfe, um effiziente ergänzende Schnittstellen für die auch zukünftig polyzentral strukturierte Metropole beizubehalten: dazu gehört der Bahnhof Zoo für die West-Ost-Fernzüge und eine Reihe von Regionalverbindungen.
Dies war stadtentwicklungs-, verkehrs-, umwelt- und wirtschaftspolitisch richtig bedacht. Als SPD tragen wir unsere Kampagne in die angebundenen Städte und werden sie gemeinsam mit der Bürgerinitiative in den nächsten Wochen verstärken. Bis der Bahnchef wieder zum vereinbarten Konzept zurückkehrt und damit den Interessen der Kunden Rechnung trägt.
Monica Schümer-Strucksberg

CDU-Fraktion

Nachdem die Deutsche Bahn AG ihr milliardenschweres Großprojekt “Lehrter Stadtbahnhof” demnächst abschließen wird, nehmen ihre Pläne, in denen der Bahnhof Zoo kein Fernbahnhof mehr sein soll, Gestalt an. Damit würde die City West immer mehr ins Abseits geraten.
Das kann und will die CDU Fraktion in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf gerade aus verkehrs- und wirtschaftspolitischen Gründen nicht hinnehmen, da durch den geringeren Reiseverkehr die Geschäfte und Hotels an und um den Kurfürstendamm mit erheblichen wirtschaftlichen Einschränkungen zu rechnen hätten.
Eine Verlagerung der Verkehrsströme vom “Bahnhof Zoo” hin zum “Lehrter Stadtbahnhof” wird zu spürbaren negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die City-West führen. Das ist nicht akzeptabel. Wir dürfen daher nicht zulassen, dass die Deutsche Bahn AG den Bahnhof Zoo abkoppelt und auf das Abstellgleis schiebt. Mit ihrem geplanten Vorhaben, ihn als internationalen Fernbahnhof zu eliminieren, verstößt sie darüber hinaus in eklatanter Weise gegen ihre früheren Zusagen sowie die seinerzeit mit dem Senat von Berlin getroffenen Abmachungen.
Deshalb hat die CDU in Charlottenburg-Wilmersdorf ein Bürgerbegehren gegen die Pläne der Bahn auf den Weg gebracht und dieses inzwischen mit der Initiative von Frau Pastorin Dr. Frisch zusammengeführt. Die CDU Fraktion wird sich auch weiterhin mit allen Mitteln gegen eine Abkoppelung des Bahnhofs Zoo vom Fernbahnnetz einsetzen.
Bodo Schmitt, Stefan Häntsch

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Mit der Einweihung des Hauptbahnhofs im Mai 2006 werden die Fern- und Regionalverbindungen in Richtung Norden (Hamburg, Rostock & Stralsund) und Süden (Leipzig, München & Dresden) vom Hauptbahnhof durch die neuen Nord-Süd-Tunnel fahren.
Der Bahnhof Zoo verliert damit ca. 50% seines Regional- und Fernverkehrs.
Warum zusätzlich die Linien Berlin-Köln/Bonn und Berlin-Amsterdam, die auf der Stadtbahn bleiben, nicht am Zoo halten sollen, kann niemand stichhaltig erklären. Die Ost-West Linie Berlin-Frankfurt-Stuttgart/Basel soll ab Dezember 2006 sogar im Nord-Süd-Tunnel “verschwinden”. Geradezu absurd ist es, dass die Linie Berlin-Warschau am Hauptbahnhof enden soll, um dann leer durch den Bahnhof Zoo zu den Betriebsanlagen im Grunewald zu fahren.
Die Entscheidung der Bahn ist nicht von Kundenfreundlichkeit geleitet, sondern von der Sorge, die geplanten Mieteinnahmen für 15.000 m² Einzelhandelsfläche am Hauptbahnhof nicht erzielen zu können. Deshalb sollen die Bahnkunden zum Hauptbahnhof gezwungen werden. Ob diese Rechnung der Bahn aufgeht, ist zu bezweifeln. Wer seine Kunden so behandelt läuft vielmehr Gefahr sie ganz zu verlieren.
Für einen Halt am Zoo sprechen nicht nur Kundenfreundlichkeit und eine bessere Nahverkehrserschließung, sondern auch das Ziel, eine wirtschaftliche Schwächung der City West zu verhindern. Wir werden weiter für einen Fernverkehrshalt am Bahnhof Zoo kämpfen.
Andreas Koska

FDP-Fraktion

Der Bahnhof Zoo ist für Berlin und die City-West von zentraler Bedeutung. Als einstiger zentraler Bahnhof bleibt der Bahnhof Zoo ein Symbol für die Unabhängigkeit unserer Stadt. Heute ist er aber auch Dreh- und Angelpunkt für den direkten Zugang der Bahnreisenden und Berufspendler zur City-West. Wenn entgegen dem ursprünglich vereinbarten “Pilzkonzept” die auf der Stadtbahn verkehrenden Fernzüge künftig nicht mehr bei uns halten sollen, wird neben den Touristen und dem Hotelgewerbe auch ein großer Teil unserer Wirtschaft betroffen sein. Nach einer Umfrage des Wirtschaftsstadtrats Bernhard Skrodzki erwarten bis zu 90 Prozent der Unternehmen in der City-West zum Teil erhebliche Umsatzeinbußen.
Der Plan der Bahn AG, wonach über eine Million Bürgerinnen und Bürger für Bahnfernreisen in Zukunft lange Anfahrtswege und Umsteigemanöver in Kauf nehmen müssen, während die Fernzüge vor ihrer Haustür durchrollen, ist verkehrspolitisch verfehlt und stadtplanerisch unhaltbar. Mit dem Bahnhof Zoo fährt man ins Herz der City-West. Und das soll auch so bleiben!
Björn Matthias Jotzo

Fraktionslose Bezirksverordnete (Die Linkspartei.PDS)

Während der Kipp-Aktion am Lehrter Bahnhof erlebte der Bahnhof Zoo einen ungeheuren Ansturm von Fahrgästen – vielleicht zum letzten Mal für lange Zeit. Denn die Bahn will noch mehr kippen: Der Anschluss an den Fernverkehr soll für die westliche Innenstadt nach Plänen der Bahnstrategen zukünftig über den neuen “Zentralbahnhof” laufen.
Mittlerweile sind viele gute Argumente vorgebracht worden – kein einziges überzeugendes für diese einsame Entscheidung. Egal, ob es Zweifel an der Entwicklung der Ödnis um den künftigen Retortenbahnhof sind oder ob man die Einhaltung von vereinbarten (und ohnehin schon kastrierten) Verkehrskonzepten fordert. Egal!
So wird deutlich, dass die wahre Triebkraft Mehdorns selbstverschuldete “Sachzwänge” in Form von milliardenschwerer Buddelei und irrsinniger Geschäftsflächenplanung sind. Dennoch hängt die Bahn unbeirrt an ihren Großprojekten und spielt sich dabei immer öfter als klammheimliches Infrastruktur- und Verkehrsministerium auf.
Die zwischenzeitlich erhobene Forderung, den Busbahnhof vom ICC zum Hauptbahnhof zu verlegen, zeigte Größenwahn und Allmächtigkeitsanspruch des Bahnpapstes – allerdings bekam er vom Senat dafür auch eine klare Abfuhr.
Das derzeitige Management der Bahn ist eine Zumutung für (potentielle) Fahrgäste, für Kommunen und für eine innovative Verkehrspolitik ein Desaster.
Das ist mehr als ein großes Bahnunglück!
Benjamin Apeloig, Dr. Günther Bärwolff