Thema des Monats April 2007

Sollen in Zukunft Bordelle in Wohnhäusern erlaubt sein?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Die Betreiberin des Club Pssst, damals Felicitas Weigmann, wurde Ende 1999 bekannt, als sie sich öffentlich für eine Legalisierung der Prostitution und für die Selbstbestimmung der Prostituierten einsetzte. Foto: KHMM

Die Betreiberin des Club Pssst, damals Felicitas Weigmann, wurde Ende 1999 bekannt, als sie sich öffentlich für eine Legalisierung der Prostitution und für die Selbstbestimmung der Prostituierten einsetzte. Foto: KHMM

Mit der Legalisierung von Prostitution gelten Bordelle als Gewerbebetriebe. Sind sie in Wohngebäuden daher unzulässig und zu entfernen? Oder sollte man sie als legale Form der Prostitution dulden und den Frauen eine selbst bestimmte, legale Arbeit ermöglichen, damit sie mit den Behörden zusammenarbeiten und ein Absinken in die Kriminalität mit hohen gesundheitlichen Risiken vermieden wird?

SPD-Fraktion

Prostitution ist nicht nur das älteste Gewerbe der Welt, sie wird auch von Männern aus allen gesellschaftlichen Schichten genutzt. Dieser gesellschaftlichen Realität, mag man sie nun gut finden oder nicht, hat die Bundesregierung bereits im Jahr 1999 mit dem Prostitutionsgesetz Rechnung getragen. Dem nicht nachgekommen ist bisher die Rechtsprechung im Bauordnungsrecht, die immer noch Bordelle in Wohngebieten als generell unzulässig einstuft.
Eine Gleichbehandlung mit allen anderen Gewerbebetrieben tut Not, das heißt, Bordellbetriebe müssen dort, wo sie nicht im Einzelfall stören, ausnahmsweise zulässig sein. Denn es bringt – gerade auch für die Beschäftigten in den Bordellen – nichts, die Arbeitsstätten an den Stadtrand zu verdrängen. Prostitution soll dort stattfinden, wo sie nachgefragt wird, in der Mitte der Gesellschaft. Hier ist das Bezirksamt gefragt, genaue Einzelfallprüfungen vorzunehmen und neue Wege zu gehen, um schlussendlich auch zu einer neuen Rechtsprechung zu kommen, die endlich Schluss macht mit alten Vorbehalten.
Fabian Schmitz

CDU-Fraktion

Das Bezirksamt soll zukünftig nicht mehr gegen ungenehmigte Bordelle vorgehen. So wollen es jedenfalls SPD, Grüne und FDP, Graue und PDS. Die einzige Fraktion, die es anders sieht, ist die CDU. Warum? Weil die CDU-Fraktion der Auffassung ist, dass Bordelle in Wohngebieten nichts zu suchen haben. In letzter Zeit breiten sich immer mehr Bordelle aus, zum Beispiel in der Witzlebenstraße, in der Danckelmannstraße und in der Wilmersdorfer Straße.
Bürger beschweren sich, weil sie sich in der Wohnnutzung gestört fühlen. Nach aktueller Rechtssprechung des Oberverwaltungsgerichts sind Bordelle in planungsrechtlichen Wohngebieten nicht genehmigungsfähig, und die Bauaufsicht hat die Verpflichtung, gegen sie einzuschreiten. Diese juristische Auffassung unterstützen wir politisch, denn ein Verdrängen von Läden und Wohnungen durch zahlungskräftige Bordellbetreiber destabilisiert die Nutzung der Kieze und stört das Wohnen erheblich. Deshalb ist es richtig, dass der von der CDU gestellte Baustadtrat Gröhler seine Bauaufsicht angewiesen hat, weiterhin auch in dieser Frage nach Recht und Gesetz tätig zu werden.
Bodo Schmitt

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Derzeit überzieht der Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler kleine Wohnungsbordelle, die bereits seit Jahrzehnten in guter Nachbarschaft im Kiez existieren, gezielt mit Schließungsverfügungen. Dabei liegen die von ihm angeführten Beschwerden gar nicht vor. Das musste ich bei einer Akteneinsicht feststellen. Dies lässt vermuten, dass es bei den Aktionen darum geht, moralische Vorstellungen über eine „saubere Stadt“ mit Hilfe des Baurechts auf höchst fragwürdige Art und Weise durchzusetzen. Die Folge: Großbordelle auf der „grünen Wiese“. Bisher selbstständige Sexarbeiterinnen werden in Abhängigkeiten getrieben, Betreiber dieser Bordelle (meistens Männer) können – wieder einmal – Geschäfte auf Kosten von Frauen machen.
Bis zu 1,2 Millionen Männer nehmen täglich die sexuellen Dienstleistungen von etwa 400.000 Sexarbeiterinnen in Anspruch. Der Umsatz dieses Wirtschaftsfaktors wird auf 14,5 Milliarden Euro jährlich geschätzt (Karstadt-Quelle 15,2 Milliarden). Prostitution geht also alle an. Das Ziel sollte sein, Prostitution aus der Tabuzone zu holen und vor allem den Sexarbeiterinnen menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Die Aktionen des Baustadtrates sind jedoch kontraproduktiv. Und übrigens, Prostitution ist seit 2002 in Deutschland vollkommen legal. Herr Gröhler sollte sich auf seine eigentlichen Aufgabenbereiche, nämlich die städtebauliche Planung der City West, besinnen.
Ruth Vatter

FDP-Fraktion

Zur Klarstellung: Bei Bordellen handelt es sich um einen Prostitutionsbetrieb und bei Prostitution selbst um das älteste Gewerbe der Welt. Sie fand und findet in allen Gesellschaftsformen und zu allen Zeiten statt. Zumeist im Verborgenen. Beteiligt sind meist zwei Personen: die Prostituierte und ihr Freier. Öffentlich auftreten tut dabei nur die Frau, denn der Kunde versucht möglichst unerkannt zu bleiben. Insofern ist an der Prostitution an sich noch nichts Schlechtes oder Abzulehnendes zu finden.
Stellt sich die Frage, ob es Aufgabe von Politik ist zu regeln, wo bezahlter Beischlaf stattzufinden hat. Ist es Staatsaufgabe oder von allgemeiner und übergeordneter Bedeutung für Staat und Gesellschaft, dass keine Wohnungsprostitution stattfindet? Nein! Aus liberalem Selbstverständnis heraus hat der Staat hier seine Regelungswut nicht zu entfalten. Prostitution kann überall dort stattfinden, wo sie die Freiheit Dritter nicht einschränkt. Und in Wohnungen tut sie das nicht. Und auf die Frage, ob es „anrüchig“ sei, ein Bordell im Haus zu haben, lässt sich leicht entgegnen, dass auch „Rechtsverdreher“ nicht den besten Ruf genießen. Aber letztendlich entscheidet der Vermieter und nicht der Staat, an wen er seine Wohnungen vermietet oder eben auch nicht.
Florian P. Block

Fraktionslose Bezirksverordnete (Die Linkspartei.PDS)

Der Puff nebenan? In den 70ern des vorigen Jahrhunderts (!) war es üblich, das horizontale Gewerbe (welches damals rechtlich noch gar kein Gewerbe war) hinter einer Mauer am Stadtrand konzentriert zusammenzufassen. Das Ergebnis war Zuhälterei in großem Stil und ein stetiges Anwachsen von Kriminalität ausstrahlend von diesen Bereichen. Wenn heute Frauen in privaten Wohnungen sexuelle Dienste anbieten – immer auf Intimität (hier im Sinne von Vertraulichkeit) bedacht, weil dies im Interesse der Kunden liegt, dann ist dies ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit dieser Frauen.
Heute sind sie Gewerbetreibende, sie zahlen Steuern und befriedigen ein vorhandenes Bedürfnis (im wahrsten Sinne des Wortes).Moralische Bedenken sollten sich eher gegen die Kunden richten, ohne deren Wunsch nach Bedürfnisbefriedigung das Geschäft gar nicht zustande käme. Die Beschwerde gegen Frauen dieser Profession im Wohnbereich erinnert an die Zeit vor 100 Jahren, als man als „anständige“ Bürgerin nicht im selben Hause leben wollte wie eine Varieté-Tänzerin. Die Linke fordert jedenfalls die Einrichtung eines runden Tisches im Bezirk, um die gegensätzlichen Interessen besser ausgleichen zu helfen.
Hans-Ulrich Riedel