Thema des Monats Mai 2008

Der Girls' Day hat mit dem Boys' Day einen Bruder bekommen

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Infonachmittag im Haus der Jugend "Anne Frank"

Infonachmittag im Haus der Jugend "Anne Frank"

Mit der Anmeldung von über 120 Jungen im Alter von 13 bis 17 Jahren aus fünf Oberschulen des Bezirks wurde der erste Jungenzukunftstag in Charlottenburg-Wilmersdorf zum Erfolg.
Um die Chancengleichheit und die beruflichen Perspektiven von Jungen und Mädchen zu verbessern, sind Maßnahmen nötig, beiden Zielgruppen die gesamte Vielfalt von Möglichkeiten in der Berufswahl aufzuzeigen. In den letzten Jahren haben die Mädchen von diesen Möglichkeiten im Rahmen der Girls‘ Days profitiert. Auch den Jungen sollten berufliche Möglichkeiten in vermeintlich für Männer „untypischen“ Berufen aufgezeigt werden, um auf diese Weise bestehende Rollenvorbehalte abzubauen und tradierten Vorurteilen ganz praktisch zu begegnen.
Die BVV Charlottenburg-Wilmersdorf hat daher im Oktober 2007 die Durchführung eines Boys’ Day parallel zum Girls’ Day 2008 im Bezirk beschlossen. Das Jugendamt hat in Zusammenarbeit mit der Marie-Curie-Oberschule, der Oppenheim-, der Pommern-Oberschule, der Friedensburg- und der Robert-Jungk-Gesamtschule dieses Projekt erstmalig im Bezirk durchgeführt.
Jugendstadtrat Reinhard Naumann dankt den Betrieben und Institutionen, die für die Jungen am 24. April mehr als 200 Schnupperpraktikumsplätze bereit gestellt haben.
Aufgrund des großen Erfolges wird es auch im nächsten Jahr einen Jungenzukunftstag geben.

SPD-Fraktion

Am 24. April 2008 bekam der “Mädchentag” erstmalig einen Bruder, den “Jungen-Zukunftstag”. Noch immer streben Mädchen häufiger soziale als technische Berufe an (Schlosserinnen sind immer noch rar). Jungen träumen gern vom Feuerwehrmann oder Automechaniker. Die Berufswahl bei Jungen ist wie bei den Mädchen häufig geschlechterspezifisch geprägt, deshalb sollten sie in diesem Jahr in frauentypische Arbeitsbereiche hineinschnuppern können. Das Angebot fand großen Zuspruch. So konnten Jungen zum Beispiel Erzieherinnen beim Spiel und der Arbeit mit kleinen Kindern zuschauen. Vielleicht haben sie Gefallen an dem Beruf gefunden und tragen zukünftig dazu bei, dass der Männeranteil bei den Kita-Erziehern endlich wächst. Wichtig ist, dass neben den Mädchen auch die Jungen gleiche Chancen auf ihren späteren Berufswunsch erhalten. Die SPD-Fraktion ist von diesem Konzept überzeugt, denn es trägt dazu bei, die Tür zur geschlechtsuntypischen Berufswahl für Mädchen UND Jungen zu öffnen.
Barbara Scheffer

CDU-Fraktion

Die Einführung eines Zukunftstags für Jungen (Boys’ Day) am 24.4.2008 ist ein wichtiger Schritt zur Chancengleichheit von Jungen und Mädchen in der Bildungspolitik. Die CDU-Fraktion ist der Auffassung, dass Bildungspolitik sich verstärkt den besonderen Bedürfnissen von Jungen widmen muss. Mädchen erzielen derzeit in allen Schulformen durchschnittlich bessere Leistungen als Jungen. Jungen wiederum stellen die Mehrheit der Schulabbrecher und Klassenwiederholer. Ein Zusatzangebot zur Berufsorientierung nur für Mädchen ist deshalb nicht nur Jungen schwer zu vermitteln. Wir treten dafür ein, dem Thema Chancengleichheit für Jungen in Zukunft größeres Gewicht zu geben. Der Boys’ Day ist eine wertvolle Gelegenheit, sich mit den Berufswünschen und der Lebensplanung von Jungen auseinanderzusetzen und ihr berufliches Spektrum zu erweitern. Wir fordern deshalb den Senat auf, dem guten Beispiel unseres Bezirks zu folgen und einen landesweiten Boys’ Day parallel zum Girls’ Day einzuführen.
Stefan Evers

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

… und was machen die Jungs am 24.4.08? In Charlottenburg-Wilmersdorf kam dieses Jahr für Jungs beim Girls‘ Day keine Langeweile auf, denn als erster Bezirk veranstalteten wir einen Boys‘ Day. Unserer Initiative ist es zu verdanken, dass nun auch Jungs die Möglichkeit bekommen, sich ein Bild von den so genannten typischen Frauenberufen zu verschaffen und die eigenen Vorurteile im Hinblick auf die Berufswahl zu hinterfragen.
Berufe sollen grundsätzlich für Frauen und Männer zugänglich sein. Wir brauchen mehr männliche Ansprechpartner in Kitas, Grundschulen, in Arztpraxen und in der Altenpflege. Soziale Berufe sollen als Alternative bei der Berufswahl in das Bewusstsein von Jungs gerufen werden. Auch die Mädchen und somit die späteren Frauen profitieren von einem Boys‘ Day, denn nur mit gleichberechtigten Partnern, die auch soziale Arbeit zu würdigen wissen, ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen.
Ruth Vatter

FDP-Fraktion

Kleinen Brüdern sagt man nach, dass sie es viel einfacher hätten, als ihre großen Schwestern. Ob dies nun beim Boys’ Day auch der Fall ist, bleibt abzuwarten, aber erfreulich lässt sich konstatieren, dass geschlechter-gerecht nun allen jungen Menschen in unserem Bezirk die einmalige Chance gegeben wurde, für einen Tag in einen ungewöhnlichen, vielleicht auch untypischen Beruf hineinzuschauen, sei es nun, um die eigene Berufsfindung zu erleichtern oder auch nur den Erfahrungshorizont zu erweitern.
Wie weit diese Offerte von den jungen Menschen angenommen und als Möglichkeit begriffen wird, muss sich zeigen; dass die Beschränkung auf ein Geschlecht nun zumindest in unserem Bezirk aufgehoben ist, begrüßen wir Liberalen sehr. Eigenverantwortung setzt Chancengleichheit ohne Benachteiligung und ohne Bevorteilung voraus.
Florian P. Block

Die Linke

Boys’ Day – und dann? Es mag ja sinnfällig erscheinen: wenn’s einen Girls’ Day gibt, warum nicht auch einen Boys’ Day? Sicherlich keine überragend kreative Leistung, aber immerhin. Und doch gibt es einen wesentlichen Unterschied. Während nämlich der Girls’ Day Teil einer Strategie ist, steht der Boys’ Day ziemlich einsam in der politischen Landschaft – eher wie ein Alibi.
Dabei haben es die Jungs (wenn ich den “Fachbegriff” einmal eindeutschen darf) wirklich nötig. In den vergangenen 20 Jahren blieben nämlich die Jungs und ihre Bedürfnisse im Zuge der – zweifelsohne richtigen – Strategie zur Förderung von Mädchen weitgehend außer Betracht. In einer vermeintlich männerdominierten Gesellschaft wähnte man, sich um die “kleinen Männer” nicht weiter kümmern zu müssen. Die Tatsache, dass wir an den Grundschulen heute viel zu wenig Lehrer (nicht -innen) haben, ist nur ein Beleg dafür.
Das große und moderne Wort vom Gender Mainstreaming meint aber eben die Berücksichtigung von Interessen und Bedürfnissen beiderlei Geschlechts. Wir brauchen wohl eine neue Strategie.
Hans-Ulrich Riedel