Thema des Monats Juni 2010

Sekundarschulen im Bezirk - eine dringend nötige Verbesserung der Chancengleichheit?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Richtfest für den Erweiterungsbau der Johann-Peter-Hebel-Schule am 19.5.2010

Richtfest für den Erweiterungsbau der Johann-Peter-Hebel-Schule am 19.5.2010

Mit der vom Berliner Senat vorgeschlagenen und vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Schulstrukturreform wurden in Berlin die Hauptschule und die Realschule zugunsten einer integrierten Sekundarschule abgeschafft. Daneben bleibt das Gymnasium als eigenständige Schulform bestehen. Deshalb wird es beginnend mit dem Schuljahr 2010/11 ab Klasse 7 nur noch zwei weiterführende Schularten in Berlin geben: Die neue Integrierte Sekundarschule mit Ganztagsbetrieb und das Gymnasium.

SPD-Fraktion

Die neue Schulreform ermöglicht allen SchülerInnen die bestmögliche Entfaltung, ganz gleich aus welchem Elternhaus sie kommen. Es wird keine Restschule, wie die Hauptschule, mehr geben. Die SchülerInnen werden gemeinsam und ganztags bis zur 10. Klasse unterrichtet. Die Gruppenarbeit fördert den Zusammenhalt und schafft Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die Praktika in den Betrieben ermöglichen für viele die ersten beruflichen Erfahrungen. Ziel ist, möglichst alle zumindest zum mittleren Schulabschluss zu führen, damit sie selbstbewusst ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt wahrnehmen können. Die Sekundarschule steht gleichwertig neben dem Gymnasium, bietet aber die Möglichkeit, das Abitur nach 12 oder 13 Schuljahren abzulegen. Der Vorteil ist, dass das unterschiedliche Lerntempo sowie die unterschiedlichen Interessen dadurch gefördert werden. Die neue Schulreform bringt für unsere Kinder eine bessere Bildung und mehr Chancengerechtigkeit.
Brigitte Hoffmann

CDU-Fraktion

Das Gegenteil von “gut gemacht” ist bekanntlich “gut gemeint”. Da die Gutmeinenden gerne Lehrer werden oder in der Bildungspolitik missionieren, wurde folgerichtig die Berliner Schulreform auch gehörig mit guten Absichten gesalbt.
Die Sekundarschule basiert in ihrem Kern auf der Annahme, dass man Schüler aller Leistungsklassen miteinander unterrichten könne. Dieser Unterricht würde aber verfeinerte, bisher nur in Laborsituationen erreichte Differenzierungskünste der Lehrer voraussetzen. Fakt ist aber, dass die Schulinspektionen an bisher 70 % der Berliner Schulen ergeben haben: die Differenzierungsleistung der Lehrer erhält die Note “mangelhaft”!
Na, dann lasst uns mal, mit derartigem Unterricht, die Chancengleichheit verbessern!
Albrecht Förschler

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Trotz einiger Anfangsschwierigkeiten eröffnen die neuen Sekundarschulen in Berlin nachfolgenden Schülergenerationen die Möglichkeit, gemeinsam nach ihren Fähigkeiten (voneinander) zu lernen und im sozialen Miteinander gefördert zu werden. Wie schon in der Gesamtschule werden 11-Jährige nicht weiter in fertige Bildungsschubläden verteilt. Dies bietet “Spätzündern” die Chance, nicht schon nach der Grundschulzeit einen endgültigen Bildungsweg eingeschlagen zu haben.
Doch wie schon bei vergangenen Reformen liegen die größten Risiken bei der materiellen und personellen Ausstattung in der Praxis. Zusätzliches Personal und kleinere Klassen sind Voraussetzung für das Gelingen; diese Erkenntnis fehlte dem Senat schon bei früheren Reformen. Rationalisierungseffekte durch größere Schulen sollten hier nicht kleineren Schulstandorten mit vermeintlich geringerem Fächerangebot geopfert werden. Eigenständige Kiezschulen, die mit anderen kooperieren und Personal teilen, das wäre die Grüne Vision einer integrierten Reform, bei der es um die Jugend und nicht um den Haushalt geht.
Dr. Bert Lehmann

FDP-Fraktion

Die Einführung in unserem Bezirk war nicht dringend erforderlich, weil Haupt- und Realschulen gut funktionierten, aber aus ideologischen Gründen wurden sie “gleichgeschaltet”. Die FDP ist skeptisch, ob die neue Schulform hält, was die Verwaltung verspricht, denn es gibt gravierende Mängel in der Umsetzung: Wenn es den Schulen überlassen bleibt, ob sie nach Leistung differenzieren, droht ein Absinken unter das Realschulniveau. Die Kürzung der Stundentafel geht zu Lasten des Fächerangebots und damit der Qualität. Die Organisation als Ganztagsschule ist richtig, die Gestaltung der Nachmittage bis heute vage. Das verunsichert die Eltern, so dass die Nachfrage unter den Erwartungen blieb. Einen gleichartigen Weg zum Abitur zu versprechen ist unseriös, vor allem, wo es keine gymnasiale Oberstufe vor Ort gibt. Wir geben der Sekundarschule eine Chance zur Bewährung, aber nicht auf Kosten schlechterer Bedingungen für Grundschulen und Gymnasien.
Chancengleichheit bedeutet auch gleiche Ausstattung für alle Schulen!
Dr. Wilfried Fest

Fraktion Die Linke

Ja, sind sie. Denn die Sekundarschulen stellen sich dem Anspruch, allen Kindern und Jugendlichen den höchstmöglichen schulischen Erfolg zu ermöglichen. Sekundarschulen werden den Gymnasien mindestens gleichwertig sein, weil Spitzenleistung neben individueller Neigung zu bestimmten Lernthemen nebeneinander und miteinander möglich sein wird. Sekundarschule ist der Weg in die Schulform, die von der Wirtschaft und von den meisten Fachleuten schon lange verlangt wird. Sie wird in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch die gleich Stundenzahl wie die Gymnasien haben. DIE LINKE hat sich für eine Klassenstärke von höchstens 25 Schülerinnen und Schülern, dem Ganztagsunterricht mit einer Mischung aus Unterricht, Freizeit und Lernangeboten die den persönlichen Neigungen entgegenkommt, eingesetzt. Dies wird den Geldbeutel der Eltern entlasten, weil teurer Nachhilfeunterricht entfällt, auch den Schülerinnen und Schülern den heute vorhandenen Schulstress nehmen und Schulverweigerung verringern.
Wolfgang Tillinger