Thema des Monats Februar 2013

Druckraum in der Umgebung des Stuttgarter Platzes

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Grünzug Stuttgarter Platz, 22.3.2012, Foto: KHMM

Grünzug Stuttgarter Platz, 22.3.2012, Foto: KHMM

Am 11. Dezember hat Sozial- und Gesundheitsstadtrat Carsten Engelmann einen Runden Tisch zur Wohn- und Lebensqualität im Quartier rund um den Stuttgarter Platz veranstaltet, an dem 40 Bürgerinnen und Bürger teilnahmen. Dabei ging es um eine allgemeine Verbesserung der Sauberkeit und Sicherheit durch mehr Polizeipräsenz, regelmäßige Reinigung der Grünanlagen und den Einsatz des mobilen Drogenkonsumraums von Fixpunkt e.V.. Der Runde Tisch soll in diesem Jahr fortgesetzt werden.

CDU-Fraktion

Trotz Präventionsmaßnahmen und polizeilicher Schwerpunkteinsätze gilt die Gegend um die Gervinusstraße und den Stuttgarter Platz als Betäubungsmittelschwerpunkt. Das liegt u. a. an der Umsteigesituation zwischen U-und S-Bahn und führt zur guten Erreichbarkeit für Konsumenten und Dealer. Die nahe Fußgängerzone ermöglicht ein schnelles Abtauchen. Die unübersichtlichen Grünanlagen auf der Nordseite der Bahntrasse, die verschmutzten Böschungen und die Bahnunterführungen bieten Gelegenheit zum Dealen und Konsumieren. Ein fester Druckraum hat aus Sicht der CDU-Fraktion den Nachteil, dass er viel zu unflexibel ist, um auf die wandernde Konsumszene zu reagieren. Zum anderen ist zu befürchten, dass ein fester Raum die Szene weiter anzieht und damit die Anwohnerschaft noch stärker belastet.
Karsten Sell

SPD-Fraktion

In einer Gesamtbetrachtung der Senatsverwaltung hat der Stuttgarter Platz ein durchschnittliches Drogenproblem, das sich jedoch verschlimmert. Die Bürgerinitiative Gervinusstraße möchte den Spritzenautomaten in eine andere Gegend Berlins stellen, weitere Anwohner fordern den Abbau, da er Symbolkraft hat.
Heroinabhängigkeit ist eine Krankheit wie z. B. Alkoholabhängigkeit. Sucht kann in Therapieeinrichtungen behandelt werden. Um abhängige Menschen zu erreichen, arbeiten Streetworker/Sozialarbeiter vertrauensvoll in der Szene, führen Gespräche, weisen auf Infektionsrisiken hin und bieten Hilfen an. Da Drogenabhängigkeit ein berlinweites Problem ist, fordert die SPD-Fraktion den Senat auf, im Bereich der U7 einen weiteren Drogenkonsumraum zu finanzieren. Heroinkonsumenten würden dann keine Bürger belästigen, es würden weniger Konsumutensilien in Grünanlagen, Kellern und Toiletten liegen und die Kontaktaufnahme zum Ausstieg aus dem Szeneleben würde verbessert.
Norbert Wittke

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hat im Dezember 2012 den Antrag „Druckraumeinrichtung“ angenommen. Die Grünen tragen diesen Antrag mit und sind davon überzeugt, dass die Situation des Drogenkonsums nicht durch Verdrängung, sondern durch zielgerichtete Maßnahmen wie einen Druckraum mit Betreuung verbessert werden kann. In Mitte konnten mit einem entsprechenden Druckraum bereits gute Erfahrungen gesammelt werden. Im Einzugsgebiet der U-Bahnlinie 7 soll dieser Druckraum entstehen. Entscheidend wird hier sein, dass der Senat für den Bezirk endlich entsprechende Mittel im Landeshaushalt einsetzt und den Bezirk damit unterstützt. Denn allein mit seinen finanziellen Mitteln wird der Bezirk die Lage für die Betroffenen nicht verbessern können.
Alexander Kaas Elias

Piraten-Fraktion

Stuttgarter Platz in der Nähe der S-Bahn Charlottenburg frisch renoviert, einst ein Treff vieler Bürger. Sei es zum Sonnen, Shoppen in der Wimersdorfer oder auch ein Treff der Touristik verdreckt langsam wieder durch das vielbekannte Drogenproblem in der Gegend.
Die Verdreckung der Spielplätze zum Beispiel könnte durch einen Druckraum für die Drogenabhängigen reduziert werden. Gefährliches Spritzenbesteck wird dort fachgerecht entsorgt, und auch die Drogenabhängigen bekommen dort sauberes Spritzenmaterial, welches bei gegenseitigem Ausleihen zu vielen Krankheiten führen könnte. Die Abhängigen sind für sich in diesem Raum, werden von ehrenamtlichem Fachpersonal auch psychologisch betreut und können sich, statt in einer öffentlichen Toilette zu liegen, wieder wie ein Mensch fühlen.
Auch besteht die Chance, den einen oder anderen Abhängigem von einer Entziehungskur zu überzeugen. Nur wer sich wieder als Mensch fühlt, kann viel erreichen. Man muss ihm nur eine Chance geben.
Holger Pabst

Die Linke

Drogen zu verbieten, hat im Laufe der menschlichen Geschichte noch nie geholfen. Den Betroffenen nachhaltig zu helfen und eventuell schädliche Nebenwirkungen für sie und die Gesellschaft zu verringern, ist Ziel der sozialen Arbeit mit Drogenkonsumierenden. Dafür gibt es unter anderem sogenannte Druckräume.
Menschen, die das Glück haben, nie von Heroin oder Vergleichbarem abhängig gewesen zu sein, fehlt hier oft das Verständnis. Wenn schon nicht aus der Welt, so wünschen sie das „Problem“ wenigstens weit weg aus ihrer Umgebung. Damit ist jedoch niemandem geholfen. Räume zur Betreuung Abhängiger haben nur Sinn, wenn sie gut erreichbar sind und folglich angenommen werden. Nur dann kann effektive medizinische und soziale Hilfe geleistet werden, und gleichzeitig werden Nicht-Abhängige viel weniger durch herumliegende Spritzen und öffentlichen Drogenkonsum belästigt. Ob am Stuttgarter Platz oder anderswo: jahrelange Erfahrung zeigt, dass Befürchtungen vor negativen Folgen unbegründet sind.
Marlene Cieschinger