Thema des Monats September 2013

Der Bibliotheksentwicklungsplan: Motor oder Makulatur?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Stadtbibliothek Charlottenburg-Wilmersdorf

Stadtbibliothek Charlottenburg-Wilmersdorf

Im März dieses Jahres hat das Bezirksamt auf Antrag der BVV einen Bibliotheksentwicklungsplan vorgelegt. Er ist unter der Drucksachennummer 0160/4 auf der bezirklichen Website unter www.charlottenburg-wilmersdorf.de auf den Seiten der Bezirksverordnetenversammlung zu finden. Darin wird als eine von mehreren Varianten auch die Schaffung einer Bezirkszentralbibliothek als Alternative zur bisherigen Struktur mit zwei Haupt- und fünf Stadtteilbibliotheken vorgestellt. Ziel ist es, noch in diesem Jahr eine Entscheidung über die zukünftige Entwicklung des Bibliotheksangebotes im Bezirk zu treffen.

CDU-Fraktion

Großräumig, verkehrsangebunden, zahlreiche Medienangebote, Leseinseln, ausreichende PC-Arbeitsplätze, mit dem unterstützenden Personal, alles ergänzt mit einem kleinen Café, nur so haben Stadtbibliotheken eine langfristige Zukunft. Auf diese Erkenntnisse der modernen Bibliothekswissenschaft haben Bibliothekare und Bibliothekarinnen unseres Bezirkes bereits 2001 behutsam im Bibliotheksentwicklungsplan hingewiesen. Geschehen ist bisher nichts. Erst der derzeit zuständige Stadtrat Gröhler (CDU) hat diese Überlegungen aufgegriffen und versucht, die Bibliotheken auch für junge Menschen attraktiv zu gestalten. Denn diese greifen eher weniger zum Buch als zu non-books. Eine Entwicklung, die sich rasant fortentwickelt. Damit der Buch-Leser jedoch nicht vernachlässigt wird, ist geplant, kleine Einrichtungen mit Hilfe ehrenamtlich Tätiger zu erhalten. Den Anfang macht das Angebot eines „Medienkuriers“. Dieser bringt auf telefonische Anforderung die Medien ins Haus und holt sie dort wieder ab. Für die über 90 000 Seniorinnen und Senioren unseres Bezirkes ein lang gewünschtes Angebot.
Marion Halten-Bartels

SPD-Fraktion

Ein Motor ist der vorliegende Bibliotheksentwicklungsplan gewiss nicht, enthält er doch keinerlei Handlungsvorschläge. Er ist streng genommen auch kein Entwicklungsplan, denn er beinhaltet lediglich eine detaillierte Analyse des Ist-Zustands unserer Bezirksbibliotheken. Auffallend unvollständig also und das nach über einem Jahr Erarbeitungszeit! Die SPD-Fraktion hat sich immer für den Erhalt vieler Bibliotheksstandorte eingesetzt, um eine bestmögliche wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten, die insbesondere für Kinder und Jugendliche nötig ist, um sie frühzeitig ans Lesen heranzuführen (deshalb auch die Bibliotheksführungen und Vorlesestunden in allen Bibliotheken!). Angesichts weiterer bevorstehender Personaleinsparzwänge bedarf es unserer Ideen und Handlungsempfehlungen, um unsere Bibliotheken zu sichern und ihre Attraktivität zu erhöhen. Erst dann wird der Bibliotheksentwicklungsplan dank seiner Analyse-Daten nicht Makulatur sein.
Christiane Timper

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die Situation wird ernst für unsere Stadtteilbibliotheken. Der Bibliotheksentwicklungsplan ist eine Mängelliste, die offen lässt, wie der geplante Stellenabbau abgefedert, die Öffnungszeiten gewährleistet, die Aufenthaltsqualität verbessert und mehr Besuche angeregt werden könnten. Nur unter Mitarbeit der Bezirksverordnetenversammlung, sagte das zuständige Mitglied des Bezirksamtes, kann und will das Bezirksamt aus dem unfertigen Plan ein Konzept erstellen. Das komplexe Thema fordert aber schwierige Entscheidungen, die weder übers Knie gebrochen, noch auf die lange Bank geschoben werden dürfen. Damit aus der Mängelliste wirklich ein Plan wird und sie nicht als Makulatur versandet, braucht der Bezirk dringend ein unterstützendes Gremium, in dem sich nicht nur ExpertInnen und MitarbeiterInnen der Verwaltung, sondern auch NutzerInnen konzentriert mit der Schwerpunktsetzung für ein zukunftsfähiges Bibliothekskonzept beschäftigen.
Zitha Pöthe

Piraten-Fraktion

Die Bibliotheken in Charlottenburg-Wilmersdorf, wie auch in anderen Bezirken Berlins, leiden seit Jahren an chronischer Auszehrung. Bibliotheken, “Schatzkammer des Wissens” (chin. Sprichwort) haben einen Bildungsauftrag. Bibliothekare unterstützen Schüler bei Rechercheaufgaben und sind engagiert in der Leseförderung, auch wenn diese aufgrund der Personalsituation noch ausbaufähig ist.
Das Sammeln von Schriften ist eine Aufgabe der Allgemeinheit. Wer sind die Interessenvertreter der Bibliothek in der Öffentlichkeit und der Politik? Die Piraten haben bereits bei den Wahlen 2011 die Forderung des deutschen Bibliotheksvereins übernommen, dass Bibliotheken eine Pflichtaufgabe des Staates sein sollen. Damit wären sie vor “Streichkonzerten” geschützt.
Vor diesem Hintergrund ist der Bibliotheksentwicklungsplan weder Motor noch Makulatur, sondern ein erster, sehr kleiner Schritt in Richtung auf eine Entwicklung von Bibliothek, bzw. eines Systems von Bibliotheken als Treffpunkt unterschiedlichster Bedürfnisse und Interessen.
Holger Pabst

Die Linke

Bibliotheken sind wichtige Bildungs- und Kultureinrichtungen. Sie stellen ein niedrigschwelliges Angebot für alle Generationen dar und sind aus unserem Leben nicht wegzudenken und insbesondere für Menschen mit kleinem Geldbeutel unverzichtbar. Ihren Zweck erfüllen sie allerdings nur, wenn sie modern ausgestattet, attraktiv und für alle Menschen in Charlottenburg-Wilmersdorf gut erreichbar sind. Bei ihnen zu sparen, wäre kurzsichtig und ein Fehler.
Bei allen Umzugs- und Umgestaltungsplänen dürfen folglich nicht die kurzfristig kalkulierten Kosten im Mittelpunkt stehen, sondern die berechtigten Bedürfnisse der Menschen und die Überlegung, wie die Bibliotheken noch weitere Nutzende hinzugewinnen können. Dazu braucht es weiterhin kieznahe Standorte, die auch sehr jungen, älteren und bewegungseingeschränkten Menschen entgegenkommen. Im „Land der Dichter und Denker“ sollte das eigentlich selbstverständlich sein.
Marlene Cieschinger