Thema des Monats Juli 2014

Lehren aus dem Bürgerentscheid Oeynhausen?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Kolonie Oeynhausen, 21.7.2008, Foto: KHMM

Kolonie Oeynhausen, 21.7.2008, Foto: KHMM

Am 25. Mai haben 47,7 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung zum Bürgerentscheid “Rettung der Kleingartenkolonie Oeynhausen” teilgenommen. Damit war das vorgeschriebene Quorum von mindestens 10 Prozent erfüllt. Die Abstimmungsfrage lautete: „Sind Sie dafür, dass das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf aufgefordert wird, das Gebiet des Kleingärtnervereins Oeynhausen e.V. durch zügige Fortsetzung des Bebauungsplanverfahrens bis zur Planfestsetzung des bereits aufgestellten Bebauungsplans IX-205a dauerhaft zu sichern, um die geplante Bebauung durch die Eigentümerin zu verhindern?“ 77 Prozent antworteten mit “ja”. Damit war der Bürgerentscheid erfolgreich.
Das Bezirksamt hat in seiner Sitzung am 17. Juni beschlossen, Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht einzulegen gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai, die der Lorac als Bauherrin für die von ihr auf dem Gelände der Kleingartenkolonie Oeynhausen geplanten 700 Wohnungen einen Anspruch auf Ausnahmeerteilung und Erschließung durch den Bezirk zugesprochen hatte.

CDU-Fraktion

84 729 Bürgerinnen und Bürger unseres Bezirks haben für den Erhalt der Kleingartenkolonie Oeynhausen gestimmt. Und das, obwohl das Bezirksamt gerichtlich durchgesetzt hat, dass eine mögliche Schadenshöhe genannt werden musste. Diese Tatsache und das deutliche Votum von über 77% sind ein starkes Signal an die Politik. Und nicht nur Oeynhausen betreffend. Die hohe Beteiligung zeigt, Bürgerinnen und Bürger wollen über ihre Belange mitentscheiden und wägen Argumente/Risiken bewusst ab. Vom Umgang mit diesem Ergebnis wird die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Politik abhängen. Denn jeder, der Bürgerbeteiligung ernst meint und sie nicht nur als leere Floskel betrachtet, wird eine Zäsur setzen und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern nach Lösungsmöglichkeiten suchen müssen. Dabei geht es insbesondere darum, auch ihre Argumente vorurteilsfrei zu hören, Fragen ehrlich zu beantworten, Handlungen nachvollziehbar und transparent darzustellen und sich als verlässlicher Partner zu erweisen.
Susanne Klose

SPD-Fraktion

Rund 77% der Abstimmenden haben gezeigt, dass sie die Kleingartenkolonie Oeynhausen erhalten wollen, das sind etwa 35% der Bürgerinnen und Bürger des Bezirks. Auch die SPD-Fraktion wird weiterhin versuchen, alle Mittel auszuschöpfen, um die Sicherung der Kolonie zu erreichen. Leider ist der Bürgerentscheid nur eine Willensbekundung und keine das geltende Recht ändernde Entscheidung. Es existiert gültiges Baurecht für den Eigentümer, und der Bezirk läuft weiterhin Gefahr, bei der Festsetzung eines B-Plans, der die Kleingärten sichert, eine Entschädigung in Millionenhöhe zahlen zu müssen. Durch den Bürgerentscheid wird die Forderung nach der finanziellen Absicherung sicherlich gestärkt, aber letztendlich müssen die Fraktionen im Abgeordnetenhaus diese Mittel zur Verfügung stellen. Bloße Lippenbekundungen reichen hier nicht aus. Für gute Worte lässt sich Privateigentum nicht in öffentliche Flächen verwandeln. Das wissen auch alle in der BVV und im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien.
Heike Schmitt-Schmelz

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die Mehrheit der Abstimmenden hat am 25. Mai 2014 auch ihre Zustimmung deutlich gemacht, den Druck auf den Senat und das Abgeordnetenhaus in der Sachfrage „Erhalt der Kleingartenkolonie Oeynhausen“ zu erhöhen. Denn es besteht die akute Gefahr, dass die Eigentümerin des Grundstücks eine Entschädigung in Millionenhöhe verlangen kann, wenn sie am Bauen gehindert wird. Entscheiden sich Senat und die rotschwarze Koalition weiterhin dafür, kein Geld für den Erhalt privater Kleingärten auszugeben, stehen wir bei unseren Bemühungen um die Sicherung der Gärten wieder am Anfang. Zwei Lehren sind aus dem Vorgang zu ziehen: Erstens gebührt es allen Beteiligten, im Rahmen der politischen Kultur mit Respekt und Fairness behandelt zu werden. Zweitens werden politische Entscheidungen nicht leichter, wenn sie auf die lange Bank geschoben werden.
Zitha Poethe

Piraten-Fraktion

Nicht nur auf Landesebene zum Thema Tempelhofer Feld, auch auf Bezirksebene haben die Menschen der Politik gezeigt, dass sie sich nicht alles gefallen lassen, sondern eigene politische Vorstellungen haben – und diese gehört wissen wollen.
Politik muss Wege finden, die Menschen in möglichst viele politische Entscheidungen einzubinden. Das ist nicht leicht umzusetzen, denn auf Bezirksebene sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten beschränkt. Am Einfachsten ist der Einwohnerantrag, mit dem ein Wunsch-Antragstext in die BVV eingebracht werden kann: 1000 Unterstützerunterschriften sammeln ist nicht so schwer. Für Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheide sind hingegen Quoren zu erfüllen, die, wenn nicht gerade wie am 25. Mai 2014 eine Wahl oder ein Volksentscheid stattfindet, nur schwer zu erreichen sind.
Selbst die Koalition im Abgeordnetenhaus muss nach dem Ergebnis des Volksentscheids reagieren und über die Erweiterung der Beteiligung der Menschen an der Politik nachdenken.
Siegfried Schlosser

Die Linke

Über drei Viertel der Menschen, die am 25.Mai am Bürgerentscheid teilnahmen, haben sich für den Erhalt der Kleingartenkolonie Oeynhausen ausgesprochen. Das war ein deutliches Zeichen, das wir sehr ernst nehmen müssen.
Nun gilt es, alles daranzusetzen, dem Anliegen, dem so viele zugestimmt haben, zum Erfolg zu verhelfen. Der Bezirk benötigt dazu auch die Unterstützung des Senats. Hier sind insbesondere die Bezirksverordneten, das Bezirksamt und andere Mitglieder der zurzeit regierenden Parteien gefordert, sich bei ihren Senatoren und Senatorinnen einzusetzen, damit die Entscheidung der Menschen in Charlottenburg-Wilmersdorf umgesetzt werden kann. Eine Missachtung hätte verheerende Folgen für zukünftige Wahlbeteiligung und politisches Engagement, die niemand wünschen kann.
Schließlich ist eine Bevölkerung, die aktiv am Geschehen in ihrem Bezirk, im Land und auf der Welt teilnimmt, der beste Schutz einer Gesellschaft gegen Scharlatanerie und menschenfeindliche Ideologien.
Marlene Cieschinger