Thema des Monats September 2014

Was tun gegen immer längere Wartezeiten?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Das Bürgeramt Wilmersdorfer Straße am 5. Mai bei der Neueröffnung in den Wilmersdorfer Arcaden. Der Andrang war in den folgenden Wochen so groß, dass der Besuch jetzt nur noch nach Terminreservierung möglich ist.

Das Bürgeramt Wilmersdorfer Straße am 5. Mai bei der Neueröffnung in den Wilmersdorfer Arcaden. Der Andrang war in den folgenden Wochen so groß, dass der Besuch jetzt nur noch nach Terminreservierung möglich ist.

In allen 12 Berliner Bezirken herrscht Personalnot. Deshalb haben die Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürgermeister mit einem einstimmigen Beschluss im Rat der Bürgermeister im Juli vor den gravierenden Folgen gewarnt und eigene Vorschläge entwickelt, um die Lage in den Ämtern und Einrichtungen zu verbessern. Seit mehr als 15 Jahren wird in den Bezirken unter starkem finanziellem Druck rationalisiert und Personal abgebaut, das heißt freiwerdende Stellen werden meist nicht mehr besetzt. Bis 2016 soll nach den Vorgaben des Senats die Zahl der Vollzeitstellen in den 12 Bezirken um 1457 auf 20.000 weiter sinken. Der Rat der Bürgermeister fordert, dieses Ziel zu überdenken. Außerdem möchte er mehr Eigenverantwortlichkeit bei der Festlegung der Beschäftigtenzahl und der Stellenbesetzung im Bezirk.

CDU-Fraktion

Personalausweis oder Elterngeld – egal welches Amt zuständig ist, die BürgerInnen klagen oft zu Recht über zu lange Wartezeiten, die MitarbeiterInnen über teilweise unzumutbare Arbeitsbedingungen. Die Situation ist durch den nach dem Gießkannenprinzip verordneten Personalabbau des vorherigen rot-roten Senats entstanden. In einem ersten Schritt hat die große Koalition gegengesteuert. Dies wird aber nicht ausreichen. Die Personalobergrenze von 100 000 Vollzeitäquivalenten muss angesichts der wachsenden Stadt überdacht werden. Die Bezirke müssen für neu übertragene Aufgaben die dafür benötigten Personalmittel erhalten. Alle Verwaltungen benötigen aufgabenkritische Personalbedarfskonzepte und eine Personalentwicklungsplanung. Es muss ein wertschätzendes Klima gegenüber den MitarbeiterInnen vorhanden sein, das deren Leistung anerkennt. Arbeitsabläufe müssen gemeinsam mit dem Personal optimiert werden und die Arbeitsplätze den Anforderungen genügen.
Susanne Klose

SPD-Fraktion

Geduld müssen die Bürgerinnen und Bürger mitbringen, wenn sie heute eine Leistung der Elterngeldstelle, des BAföG-Amtes oder des Bürgeramtes in Anspruch nehmen müssen. Der Personalabbau der vergangenen Jahre und die Arbeitsverdichtung durch neu hinzu gekommene Aufgaben zeigen jetzt ihre negativen Auswirkungen. Kurzfristige Veränderungen wie die der Öffnungszeiten oder die konsequente Umstellung auf Terminvergabe können hier nur Übergangslösungen sein, denn sie schützen die wenigen verbliebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht vor Überlastung, die zu einem hohen Krankenstand führt. Wir wollen, dass für alle Bürgerinnen und Bürger wieder ein guter Service mit angemessen Warte- und Bearbeitungszeiten zur Verfügung gestellt wird, und dafür benötigen wir die entsprechenden Ressourcen.
Es ist an der Zeit, die Herausforderungen einer wachsenden Stadt in den Fokus unseres Handelns zu stellen. Deshalb lassen wir auch nicht nach in unseren Bemühungen, gegenüber der Landesebene eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung der Bezirke einzufordern.
Annegret Hansen

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Nicht nur in den Bürgerämtern sind die Mitarbeiter/innen seit Jahren überlastet und leiden die Bürger/innen unter unzumutbaren Wartezeiten. Bei steigenden Einwohnerzahlen und immer mehr Aufgaben, die die Bezirke schultern müssen, hat der radikale Stellenabbau des Senats zu haarsträubenden Zuständen geführt – wie zuletzt im neuen Bürgeramt in den Wilmersdorfer Arcaden. Senator Nußbaum aber erklärt süffisant, die Bezirke mögen „erstmal ihre Hausaufgaben machen“, und hält unbeirrt an den Stellenstreichungen fest. Sein Rückhalt in der rotschwarzen Koalition scheint zu bröckeln. Dem zaghaften Umdenken müssen aber Taten folgen. Wir Grüne fordern, nach jahrelangem Kahlschlag in den Bezirken den Personalabbau sofort auszusetzen. Für eine zukunftsfähige, bürgernahe Verwaltung ist ein Programm erforderlich, das gemeinsam mit den Beschäftigten zu erarbeiten ist. Es ist Aufgabe aller Parteien im Bezirk, sich für eine neue Personalpolitik einsetzen, mit der die Verwaltung den kommenden Herausforderungen begegnen kann.
Christoph Wapler

Piraten-Fraktion

Die seit dem 1.8. in ganz Berlin herrschende Terminvergabe bei Bürgerämtern ist nur eine Folge eines seit Jahren ablaufenden Spar-Wahns. Die Sparvorgaben des Senats zu den Mitarbeiterzahlen und Haushaltsplänen sind innerhalb der Bezirke ohne großen Widerspruch umgesetzt worden. Daher haben die Bezirke nun zu wenig qualifiziertes Personal für die Bürgerämter oder aktuell das Standesamt.
Wartezeiten von über einem Monat sind nicht akzeptabel. Das Meldegesetz z. B. fordert, einen Umzug nach spätestens zwei Wochen zu melden, ansonsten droht ein Ordnungsgeld.
Auch zur Anmeldung bei der Krankenversicherung ist eine Meldebescheinigung erforderlich, was zur Zeit zu einer mehrmonatigen Versicherungslücke führt.
All dies sollte die Menschen bewegen, ihren Verordneten auf die Zehen zu treten und endlich mit allen Bezirkspolitikern vor den Senat zu ziehen und ihren Unmut zu äußern, damit die Bezirke endlich wieder ihre Aufgaben erfüllen können: Den Bürgern die verordnete Bürokratie so einfach wie möglich anzubieten.
Holger Pabst

Die Linke

Unsere Verwaltungsangestellten geben ihr Bestes, und sie würden gewiss gerne noch mehr tun, um lästige Wartezeiten, die unseren Bezirk bereits ins Fernsehen gebracht haben, zu verkürzen. Dazu brauchen sie gutes Arbeitsmaterial, beispielsweise zeitgemäße Software, die die Arbeit erleichtert und nicht unnötig verkompliziert. An der Stelle gibt es im Land zweifellos Verbesserungsbedarf. Möglicherweise stammt auch die eine oder andere Vorgangsweise aus der Zettel- und Bleistift-Ära?
Da aber auch 2014 nach wie vor Menschen die Arbeit erledigen gilt, dass es genügend von ihnen geben muss. Gewiss war der vom Senat beschlossene Personalabbau seinerzeit gut gemeint, aber wir wissen ja, dass in Berlin nicht jede Planung zum erhofften Ziel führt. Statt rechtzeitig umzusteuern, wird oft an unsinnigen Absichten festgehalten, egal um welchen Preis. DIE LINKE. hat erkannt, dass die damaligen Zielzahlen bei der Personaleinsparung falsch waren. Wann bemerken es der Ex-Koalitionspartner SPD und die CDU?
Marlene Cieschinger