Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zur Kranzniederlegung am 17.6.2009, 9.00 Uhr am Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus am Steinplatz

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Zur Kranzniederlegung am 17.6.2009, 9.00 Uhr am Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus am Steinplatz

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zur Kranzniederlegung am 17.6.2009, 9.00 Uhr am Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus am Steinplatz

Sehr geehrte Damen und Herren!

Vor wenigen Wochen, am 23. Mai, haben wir den 60. Jahrestag unseres Grundgesetzes gefeiert, und am 9. November dieses Jahres werden wir den 20. Jahrestag des Mauerfalls feiern, zwei Jubiläen, die uns Grund zum Feiern geben, wie wir ihn in unserer Geschichte selten finden.
Der 17. Juni war in der alten Bundesrepublik zwar ein Feiertag, aber er wurde von den Menschen nie als solcher verstanden, sondern meist nur als arbeitsfreier Tag gerne genutzt. Das ist nur zu verständlich. Denn an diesem Tag gab und gibt es nichts zu feiern. Es war ein Tag der Mahnung, der uns im Westteil Deutschlands daran erinnern sollte, dass unsere Landsleute im Ostteil nicht wie wir in Freiheit und Demokratie leben konnten und dass wir uns für ein einiges, freies und demokratisches Deutschland einsetzen sollten.

Der 17. Juni ist bis heute ein Tag des Gedenkens und der Mahnung geblieben, aber 20 Jahre nach dem Fall der Mauer und 19 Jahre nach der Wiedervereinigung hat er seinen Charakter geändert. Wir erinnern uns an die gleichen historischen Ereignisse, aber aus einer anderen historischen Perspektive haben sie heute eine andere Bedeutung für uns.

Der 17. Juni ist der Tag des Aufstandes vieler mutiger Menschen in der damaligen DDR für Freiheit und Demokratie. Mehr als eine Million Menschen sind an diesem Tag an mehr als 700 Orten in der DDR auf die Straße gegangen und haben den Rücktritt ihrer Regierung und freie und geheime Wahlen gefordert.
Viele mutige Menschen haben in freier Entscheidung zusammen gefunden und solidarisch friedlich gekämpft – zuerst gegen Normerhöhungen, die als ungerechte Zumutung empfunden wurden, dann aber vor allem für freie Wahlen und gegen politische Unterdrückung. Gefängnisse wurden gestürmt, um politische Gefangene zu befreien.

Aber die Frauen und Männer, die am 17. Juni 1953 den Aufstand gewagt haben, mussten schmerzlich erfahren, dass Land von einer fremden Besatzungsmacht beherrscht war und dass ihre eigene Regierung nichts von ihrem Volk wissen wollte. Einige von ihnen mussten es mit ihrem Leben bezahlen. Die Regierung der DDR hätte diesen Volksaufstand nicht überlebt, wenn nicht sowjetische Panzer eingegriffen hätten.
Am 17. Juni 1953 wurde die Diktatur in der DDR nicht besiegt, aber es wurde unmissverständlich klar, dass die Herrschaft der SED-Regierung nicht auf der Zustimmung ihrer Bürgerinnen und Bürger beruhte, sondern auf den Panzern der sowjetischen Besatzungsmacht.
Sie haben Freiheit und Demokratie in der DDR auf viele Jahre hinaus verhindert, und 8 Jahre später war der Bau der Mauer eine weitere Maßnahme zur Einschüchterung und Freiheitsberaubung. Die DDR-Regierung baute ihre Überwachungs- und Sicherheitsbehörden voller Misstrauen gegen das eigene Volk in geradezu grotesker Weise aus. Die jüngsten Enthüllungen über die Stasi-Mitgliedschaft des West-Berliner Polizeibeamten Kurras, der am 2. Juni 1967 Benno Ohnesorg erschossen hat, haben uns wieder einmal vor Augen geführt, wie sehr diese angstvolle und zugleich aggressive Politik auch unser Leben im Westteil Berlins beeinflusste.

Wir gedenken heute der Opfer des Volksaufstandes, und wir erinnern mit Hochachtung an die mutigen Menschen, die für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind.