Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zur Einbürgerungsfeier am 26.3.2009 im BVV-Saal

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Zur Einbürgerungsfeier am 26.3.2009 im BVV-Saal im Rathaus Wilmersdorf

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen im Rathaus Wilmersdorf und herzlich willkommen als deutsche Bürgerinnen und Bürger im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Ich freue mich, dass Sie sich dafür entschieden haben, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass Sie gerne in unserem Land leben und dass Sie sich hier wohl fühlen.
Ich hoffe, dass Sie sich als deutsche Staatsbürger auch aktiv in diese Gesellschaft einbringen und in unserer Demokratie mitwirken. Das heißt zunächst einmal, dass Sie wählen gehen, wenn eine Wahl ansteht.
In diesem Jahr haben Sie dazu gleich mehrere Male die Gelegenheit: Am 7. Juni wählen wir das Europäische Parlament und am 27. September den Deutschen Bundestag. Wir entscheiden mit unserer Wahl, wer unsere Interessen in Europa und in Deutschland vertritt, wer in Europa und in Deutschland die Gesetze beschließt, die für uns alle gelten und wer die Europäische Kommission bzw. die Bundesregierung wählt. Am Ende also entscheiden wir, von wem wir regiert werden wollen.
Neben den Wahlen gibt es inzwischen viele zusätzliche Möglichkeiten der Beteiligung und der Mitbestimmung. Am 26. April wird in Berlin der Volksentscheid zum Ethik- und Religionsunterricht durchgeführt. Sie entscheiden dann, ob in unseren Schulen alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam im Fach Ethik unterrichtet werden sollen, oder ob sie sich anstelle von Ethik für Religionsunterricht entscheiden können sollen.
Anders gesagt: Es geht darum, ob Religion als Wahlpflichtfach gleichberechtigt anstelle von Ethik gewählt werden kann oder ob es bei der bisherigen Regelung bleibt, nach der Ethik ein Pflichtfach ist und Religionsunterricht zusätzlich gewählt werden kann.
Eine weitere Form der Mitbestimmung ist der Bürgerhaushalt, den wir auch in Charlottenburg-Wilmersdorf derzeit schrittweise einführen. Dabei geht es darum, dass Sie mit bestimmen können, wofür Ihre Steuergelder ausgegeben werden sollen. Sie können Prioritäten setzen, das heißt wir möchten von Ihnen wissen, was Ihnen in Ihrem Wohngebiet wichtiger ist, zum Beispiel der Bau einer Straße, die Renovierung einer Schule, die Anlage eines Spielplatzes oder die Anschaffung von Büchern für eine öffentliche Bibliothek.
Wir werden in diesem Jahr Konferenzen zum Bürgerhaushalt in verschiedenen Gebieten unseres Bezirks durchführen, und zwar beginnend am 10 Juni für den Bereich Schmargendorf.
Sie sehen also: Wir rechnen mit Ihnen, und wir wollen Sie dazu ermuntern, sich einzumischen, mitzudiskutieren, uns Politikern auf die Finger zu schauen. Aber wenn Sie sich in unserer Gesellschaft engagieren wollen, dann gibt es natürlich nicht nur die Politik. Es gibt Vereine, Bürgerinitiativen und viele andere Organisationen in denen ehrenamtlich für das Gemeinwohl gearbeitet wird. Und es gibt auch ganz private Initiativen, sich für seine Umgebung einzusetzen.
Wir unterstützen ehrenamtliches Engagement auf vielfältige Weise. Jedes Jahr am 19. Oktober begehen wir unseren Bezirkstag und verleihen die Bürgermedaille des Bezirks als Anerkennung für besonderes ehrenamtliches Engagement. Wir wissen aber auch, dass viele sich im Stillen engagieren, ohne dass wir davon erfahren und ohne dass Lob und Anerkennung dafür gegeben wird.
Unsere Gesellschaft wäre um vieles ärmer, wenn es diese vielfältigen Aktivitäten nicht gäbe, sei es im Sport, im sozialen Bereich, in der Kultur, für die Umwelt oder eben auch in der Politik.
Es gibt viele Formen der Interessenvertretung, beim Elternabend in der Schule, bei der Mitgliederversammlung im Verein oder bei der Personalversammlung im Betrieb. Jeder sollte sich dort, wo es um seine Interessen geht, einbringen und äußern und damit dazu beitragen, dass gute Lösungen gefunden werden.
In diesem Jahr feiern wir das 60jährige Jubiläum unseres Grundgesetzes, und wir haben Grund zu feiern, denn das Grundgesetz ist die Grundlage für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft, und es ist eine gute Grundlage. Es hat sich bewährt. Es hat uns 60 Jahre Entwicklung in Frieden und Freiheit, Demokratie und Wohlstand ermöglicht. Es ist eine gute Voraussetzung, aber es ist keine Garantie. Wir können uns nicht auf das Grundgesetz verlassen. Wir müssen es täglich mit Leben erfüllen.
Jede Demokratie braucht aktive Demokraten. Sie braucht die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger. Wir haben in unserer Geschichte gelernt, dass Demokratie nichts Selbstverständliches ist, sondern dass wir uns immer aktiv für sie einsetzen müssen.
Demokratie bedeutet nicht nur die Herrschaft der Mehrheit, sondern Demokratie bedeutet auch Rechtsstaatlichkeit, Schutz der Minderheiten, Toleranz und Vielfalt der Kulturen. Berlin hat sich nicht zuletzt deshalb so erfolgreich entwickelt, weil hier schon seit Jahrhunderten verschiedene Kulturen friedlich zusammen existieren.
Die Nationalsozialisten haben diese Entwicklung mit ihrer brutalen Politik der Ausgrenzung unterbrochen. Und sie haben vor 70 Jahren den Zweiten Weltkrieg entfesselt. Rassismus, Antisemitismus, Intoleranz können und dürfen wir in unserem Land nie mehr dulden. Und wir treten dafür ein, dass die Menschenrechte in aller Welt für alle Menschen gelten.
Heute ist das friedliche Neben- und Miteinander der verschiedenen Kulturen in unserem Land eine entscheidende Grundlage für unser Wohlergehen und für eine erfolgreiche wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung.
In unserem Land sollen sich die Menschen mit ihrem jeweils unterschiedlichen kulturellen Hintergrund frei entfalten können. Für uns alle ist es wichtig, dass wir gemeinsam die Regeln des Zusammenlebens akzeptieren, wie sie in unserem Grundgesetz festgelegt sind. Dazu gehört die Gleichberechtigung von Mann und Frau, und dazu gehört die Freiheit der Religionsausübung.
Wir erwarten bei der Einbürgerung keine Assimilation sondern freuen uns im Gegenteil über die kulturelle Vielfalt, die unser Grundgesetz ausdrücklich schützt.
Aber natürlich freuen wir uns, wenn Sie sich für unsere Kultur, unsere Geschichte und unsere Sprache interessieren. Vielleicht interessieren Sie sich sogar für die Geschichte und die Besonderheiten des Bezirks, in dem Sie leben. Es gibt viele Möglichkeiten, diesen Bezirk näher kennen zu lernen. In unseren Stadtbibliotheken finden Sie Bücher über Charlottenburg und Wilmersdorf. In unserem Bezirks-Museum gegenüber dem Schloss Charlottenburg in der Schloßstraße gibt es ein umfangreiches Archiv zur Bezirksgeschichte, und immer wieder gibt es dort auch interessante Ausstellungen.
Morgen werde ich im ehemaligen Gebäude der Paul-Löbe-Volkshochschule an der Trautenaustraße 5 unser neues Interkulturelles Begegnungszentrum eröffnen. Wir haben ihm den Namen “Pangea-Haus“ gegeben. Dieser Name bezieht sich auf die wissenschaftliche Bezeichnung des erdgeschichtlichen Urkontinentes Pangea, auf dem die Landmassen noch aus einer Einheit bestanden. Wir wollen das Haus nutzen als Begegnungsstätte aller Kontinente und Kulturen, als Treffpunkt für Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen, die im Bezirk leben und arbeiten. Nach dreijähriger, engagierter Suche eines Initiativkreises konnte mit Unterstützung der Migrantenbeauftragten des Bezirkes, Azize Tank, und der BVV mit dem leer stehenden, ehemaligen Volkshochschulgebäude ein geeignetes Haus gefunden werden.
Auf fünf Geschossen stehen 1500 m² Mietflächen in unterschiedlichen Raumgrößen für interessierte Vereine und Institutionen zur Verfügung, die zur kulturellen Bereicherung des Zusammenlebens beitragen. Unter einem gemeinsamen Dach soll die Netzwerkarbeit gestärkt werden. Miteinbezogen werden Bildungsträger und ein Ausbildungswerk für die berufliche Qualifizierung. Hier lernen junge und ältere Menschen mit deutschen und migrantischen Wurzeln gemeinsam für ihre Zukunft. Ein Veranstaltungsraum und ein Tagescafe sind in Planung.
Ich freue mich sehr darüber, das es gelungen ist, in Zeiten knapper Kassen, dennoch ein Haus für die im Bezirk und darüber hinaus wirkenden Migrantenorganisationen, zur Verfügung stellen zu können. Mitte Mai werden wir das Haus mit allen Beteiligten, mit den Nachbarn, Freunden und Förderern des Pangea-Begegnungszentrums festlich eröffnen.
Sie haben sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden und ich hoffe, dass Sie Ihre Kultur und Ihre Geschichte mit einbringen in unsere Gesellschaft. Ich hoffe, dass wir uns gegenseitig nicht gleichgültig sind, sondern dass wir uns füreinander interessieren.
Wir wollen zusammenleben, ohne unsere Unterschiede zu verleugnen. Wir wollen keinen Kampf der Kulturen, sondern wir wollen eine multikulturelle Gesellschaft, in der die verschiedenen Kulturen miteinander ins Gespräch kommen, sich gegenseitig bereichern und im Gespräch bleiben. Lassen Sie uns gleich heute damit beginnen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen noch einen schönen Abend und Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft als Deutsche.