Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zur Eröffnung der Ausstellung "City West – Potenziale, Leitlinien, Maßnahmen" am 18.11.2008 im Amerikahaus

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Zur Eröffnung der Ausstellung "City West – Potenziale, Leitlinien, Maßnahmen" am 18.11.2008 im Amerikahaus

Sehr geehrte Frau Lüscher!
Sehr geehrter Herr Meier!
Sehr geehrte Damen und Herrn!

Wenn wir über die Zukunft der Berliner City West nachdenken, dann sollten wir uns über ihre Geschichte und ihre Bedeutung für Berlin im Klaren sein. Eine Planung ohne historisches Bewusstsein ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Die City West entstand am Ende des 19. Jahrhunderts in den damals noch selbständigen Städten Charlottenburg, Schöneberg und Wilmersdorf. Nachdem 1886 der Kurfürstendamm zum großstädtischen Boulevard ausgebaut und die erste Premiere im Theater des Westens gezeigt worden war, ging es ganz schnell: Innerhalb weniger Jahre entstanden hier Geschäfte, Cafés, Kinos, Theater, Revuen, Kabaretts und vieles mehr, und als 1907 das Kaufhaus des Westens eröffnet wurde, war klar: Berlin hatte ein neues, modernes Zentrum.
Die City-West ist also inzwischen rund 120 Jahre alt, und es ist wichtig, daran zu erinnern, denn manche betrachten sie als eine Art Relikt aus Mauerzeiten. Das ist sie aber mitnichten. Schon vor dem Ersten Weltkrieg traf sich die kulturelle Avantgarde im Café des Westens am Kurfürstendamm und zeigte die Berliner Sezession ihre Bilder ebenfalls am Kurfürstendamm – auch Werke von Picasso wurden hier erstmals in Berlin präsentiert.
In den 1920er Jahren wurde dann Berlin WW, wie man damals sagte, vollends zum Inbegriff der modernen, internationalen, weltoffenen Metropole. Die glänzenden Filmpremieren fanden im Gloria-Palast oder im Ufa-Palast am Zoo statt und kamen oft erst Wochen später in die Kinos an der Friedrichstraße.
Wer Berlin besuchte, vor allem, wenn er aus dem Ausland kam, der stieg am Fernbahnhof Zoo aus und flanierte über den Kurfürstendamm, das größte Cafehaus Europas, wie der amerikanische Schriftsteller Thomas Woolfe ihn damals bezeichnete.
Hier wurden amerikanische Filme im Original gezeigt, hier gab es bis in die Zeit des Nationalsozialismus hinein amerikanische Zeitungen zu kaufen, und hier wurde amerikanisch getanzt.
Berühmte Betriebe aus dem alten Berlin wie Kempinski, Kranzler oder Grünfeld eröffneten in der City West Filialen, und diese Filialen waren moderner und exquisiter als die Stammhäuser.
Nach dem Bau der Mauer wurde die City-West zum Schaufenster des Westens. Sie war das natürliche Zentrum West-Berlins. Aber diese Zeit war zum Glück nur eine Episode. Niemand will die damalige Situation zurückhaben oder konservieren.
Wenn wir heute über die Zukunft der City West nachdenken, dann ist das glücklich vergangene West-Berlin für uns kein Maßstab. Wohl aber können wir uns an den Ursprüngen des Berliner Westens im Kaiserreich und in den 1920er Jahren orientieren:
An der Qualität des Bauens, an der gelungenen Mischung von Wohnen, Kultur und Kommerz, an der niveauvollen, geistreich-witzigen Unterhaltungskultur, die hier geboten und die hier häufig auch geboren wurde und an der Internationalität, die auf dem Boulevard herrschte.
Hinzu kommt Wissen und Kreativität. Auch die Geschichte der Universität der Künste und der Technischen Universität in Charlottenburg geht weit ins 19. Jahrhundert zurück. In beiden Universitäten und in vielen wissenschaftlichen Einrichtungen, die in ihrem Umfeld entstanden sind, findet unsere Zukunft schon heute täglich statt. Längst sind diese Universitäten keine abgeschlossenen Einrichtungen mehr. Sie öffnen sich zunehmend dem Publikum und machen mit vielen öffentlichen Veranstaltungen auf sich aufmerksam. Wir könnten und sollten einiges dafür tun, dass dies im Stadtbild noch deutlicher sichtbar wird.
Nach dem Fall der Mauer und den ersten Trabi-Paraden auf dem Kurfürstendamm geriet die City West verständlicherweise aus dem Blick der Medien. Plötzlich schien in der alten Berliner Mitte alles neu zu werden, und der Neue Westen schien plötzlich der alte Westen zu sein. Aber in den letzten Jahren hat sich viel getan. Die City West hat das gemacht, was sie immer gemacht hat: Sie hat sich gewandelt.
Das Neue Kranzler-Eck, das neue Kudamm-Eck und das Concorde-Hotel sind besonders spektakuläre architektonische Beispiele für diesen Wandel. Viele Prominente sind in die City West gezogen und loben die gelassene Atmosphäre Charlottenburgs.
Wer abends gut und stilvoll essen will, der wird nicht nur in Mitte und Prenzlauer Berg fündig, sondern auch in der Schlüterstraße oder am Ludwigkirchplatz.
Wir müssen also die City West nicht neu erfinden. Wohl aber müssen wir Defizite aufarbeiten, die durch Planungsfehler und Investitionsprobleme insbesondere zwischen Breitscheidplatz und Bahnhof Zoologischer Garten entstanden sind. Ich freue mich, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sich darum jetzt verstärkt kümmern will und dass sie dafür die Anlieger mit ins Boot holt. Denn wenn wir eine gute Zukunft planen wollen, dann können wir dies nicht tun, ohne die Geschichte zu kennen. Vor allem aber ist eine Zukunftsplanung nur dann erfolgversprechend, wenn sie die Betroffenen einbezieht.
In diesem Sinne wünsche ich dieser Ausstellung viel Erfolg, viele kritische, konstruktive Beiträge und eine Reihe von spannenden Diskussionsveranstaltungen.