Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlichen Dank für die Einladung zu dieser offiziellen Eröffnung und herzlich willkommen in Charlottenburg-Wilmersdorf!
Bereits Ende 2006 durften ich bei einem Kiezspaziergang mit rund 200 interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gemeinde Mor Afrem besuchen, als sie gerade noch dabei war, sich in ihrem neu erworbenen Gotteshaus einzurichten. Wir wurden sehr gastfreundlich empfangen, und alle Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden kompetent beantwortet.
Vor einem Jahr hat sich die Gemeinde bei einem Tag der offenen Tür ihrer Nachbarschaft vorgestellt, und jetzt soll der neue Standort offiziell und öffentlich vorgestellt werden.
Ich freue mich sehr darüber, dass die Gemeinde den Kontakt zu ihrer Umgebung sucht und sich nicht versteckt. Deshalb überbringe ich gerne die Grüße des Bezirksamtes zur Eröffnung und heiße Sie noch einmal in unserem Bezirk willkommen.
Dieser Kirchenbau wurde 1964 von Alfons Boklage anstelle der abgerissenen Kirche aus den zwanziger Jahren für die katholische Gemeinde Mariä Himmelfahrt errichtet. Seit 1988 wurde das Gebäude auch von der italienischen katholischen Mission genutzt. 2005 schließlich hat die syrisch-orthodoxe Gemeinde Mor Afrem e.V. das Gotteshaus von der katholischen Kirche erworben.
Ich bin froh, dass die Kirche durch diesen Besitzerwechsel erhalten bleibt, dass sie weiter zugänglich bleibt und sinnvoll genutzt wird. Ich bin sicher, dass sie von den neuen Besitzern gepflegt und unterhalten wird, so dass sie ein architektonisches Schmuckstück im Stadtbild hier rund um den Mierendorffplatz bleiben wird.
Dafür bedanke ich mich herzlich bei der Gemeinde Mor Afrem. Es ist nicht selbstverständlich, dass religiöse Gemeinschaften gut in ihre Nachbarschaft integriert sind und sich für ihre Umgebung öffnen. Derzeit wird zum Teil sehr heftig über den Neubau von Moscheen diskutiert und über die Frage, wie viele Moscheen unsere Stadt verträgt. Dabei sind viele Ängste, Missverständnisse und Emotionen im Spiel. Um so wichtiger ist der Dialog, die gegenseitige Information und die Suche nach Verständnis.
Das friedliche Neben- und Miteinander der verschiedenen Kulturen ist in unserem Land eine entscheidende Grundlage für unser Wohlergehen und für eine erfolgreiche wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung.
Wir wissen aus unserer eigenen Geschichte, dass wir immer dann erfolgreich waren, wenn die unterschiedlichen Kulturen sich im friedlichen Miteinander gegenseitig befruchten konnten. Deutschland liegt in der Mitte Europas, und diese Mittellage hat es schon immer mit sich gebracht, dass Menschen aus allen Richtungen zu uns strömten.
Friedrich der Große hat das genutzt und mit seinem Toleranzedikt nicht nur Zuflucht für Flüchtlinge gewährt, sondern auch ihre Fähigkeiten und Erfahrungen für sein Land fruchtbar gemacht. “Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.” Dieser Wahlspruch des Preußenkönigs war nicht ganz uneigennützig.
Aber er war für beide Seiten von Vorteil, für die zugezogenen Flüchtlinge und für das Land Preußen. Heute würden wir diese Haltung eine “Win-Win-Politik” nennen, also eine Politik, bei der beide gewinnen.
In unserem Land sollen sich die Menschen mit ihrem jeweils unterschiedlichen kulturellen Hintergrund frei entfalten können. Für uns alle ist es wichtig, dass wir gemeinsam die Regeln des Zusammenlebens akzeptieren, wie sie in unserem Grundgesetz festgelegt sind. Dazu gehört die Freiheit der Religionsausübung. Alle Menschen sind gleich viel wert – völlig unabhängig davon, ob sie sich einer Religion verpflichtet fühlen oder nicht. Das ist eine der Grundlagen unserer Gesellschaft, und sie verpflichtet den Staat zu strenger Neutralität. Die Trennung von Kirche und Staat ist eine Errungenschaft der Aufklärung und der Demokratie, und diese Trennung ermöglicht erst den Schutz des Staates für alle Religionen.
Es gibt also keine Staatskirche, es gibt keine allgemein gültige religiöse Wahrheit, aber alle Menschen haben das Recht, in unserem Land ihre Religion frei zu bekennen und auszuüben.
Wir wollen zusammenleben, ohne unsere Unterschiede zu verleugnen. Wir wollen keinen Kampf der Kulturen, sondern wir wollen eine multikulturelle Gesellschaft, in der die verschiedenen Kulturen miteinander ins Gespräch kommen, sich gegenseitig bereichern und im Gespräch bleiben. Es geht also nicht nur um Toleranz, die ja auch Gleichgültigkeit bedeuten kann, sondern es geht um gegenseitiges Interesse, um Neugierde und Verständnis füreinander.
Deshalb sind Sie, die Syrisch-Orthodoxe Kirche Mor Afrem eine Bereicherung für Charlottenburg-Wilmersdorf, für Berlin und für uns alle.
Ich wünsche Ihnen mit Ihrem schönen Gotteshaus alles Gute und hoffe, dass Sie sich an diesem Standort wohlfühlen und dass Sie weiterhin mit Ihren Nachbarn gut auskommen.