Sehr geehrte Frau Vorsteherin!
Sehr geehrte Damen und Herren!
1920 wurde Groß-Berlin gebildet aus 8 Großstädten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken. 50 Jahre lang war über diese große Verwaltungsreform diskutiert worden. Seit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 mit Berlin als Reichshauptstadt wurde die Zusammenlegung Berlins mit seinem Umland gefordert. Dagegen waren vor allem die 7 Städte außer Berlin, die ihre Selbständigkeit nicht verlieren wollten.
Im Ersten Weltkrieg hatte es de facto bereits in weiten Bereichen eine gemeinsame Kriegsverwaltung gegeben, Berlin war mit seinen umliegenden Städten und Gemeinden immer enger zusammengewachsen, und so war Groß-Berlin danach kaum noch zu verhindern.
Aber obwohl alles auf die Fusion hinauslief, kam es letztendlich nicht zur zentralistischen Lösung, sondern zu einem Kompromiss: Groß-Berlin wurde zwar als Einheitsgemeinde gebildet, aber es wurde gleichzeitig in 20 Bezirke aufgeteilt, die eine gewisse Eigenständigkeit behielten und in gewählten Bezirksversammlungen, wie sie damals hießen, demokratisch über ihre kommunalen Angelegenheiten entschieden. Die Nationalsozialisten zerstörten diese kommunale Demokratie in Berlin und schafften die Bezirksversammlungen ab. Die gesamte Berliner Verwaltung wurde zentralistisch geführt, was aber in der Praxis nicht zu der gewünschten Gleichschaltung führte, sondern zu Willkür und Chaos, denn überall wollten sich die Behördenführer durch besondere Initiativen hervortun und legten den alles entscheidenden “Führerwillen” jeweils so aus, wie sie es für richtig hielten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg griffen die Alliierten auf die bewährte zweistufige Verwaltung Berlins zurück und verfügten, dass die Instanzen der kommunalen Demokratie wieder eingesetzt wurden. Aus den früheren Bezirksversammlungen wurden jetzt Bezirksverordnetenversammlungen.
Seit 60 Jahren sorgen inzwischen die BVVs dafür, dass die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger bei wichtigen kommunalen Entscheidungen mit berücksichtigt werden. Die BVVs sind ein Garant dafür, dass eine gewisse Eigenständigkeit und damit auch die Vielfalt der Bezirke erhalten bleibt. Und dies ist der alles entscheidende Vorteil Berlins: die große Vielfalt seiner historisch gewachsenen Stadt- und Ortsteile in den Bezirken.
In den letzten Jahren müssen wir unsere Eigenständigkeit gegen immer heftigere Angriffe verteidigen. Die Industrie- und Handelskammer und Teile des Senats würden die bezirkliche Selbstverwaltung am liebsten ganz abschaffen und alles vom grünen Tisch in der Zentrale aus steuern, ohne sich um die Einwände der Betroffenen vor Ort zu scheren.
Die vor wenigen Tagen vom Finanzsenator geäußerten Personaleinsparungsvorstellungen laufen ebenfalls darauf hinaus, die Bezirke handlungsunfähig zu machen.
Wir müssen uns dagegen nicht nur in unserem eigenen Interesse wehren, sondern im Interesse Berlins insgesamt. Denn Berlin hat viele Vorteile durch seine dezentralen Strukturen. Die großen Finanzprobleme Berlins sind nicht in den Bezirken entstanden, sondern durch falsche Entscheidungen auf der zentralen Ebene. Wir könnten in vielen Bereichen noch effizienter und bürgerfreundlicher sein, wenn uns der Senat nicht bremsen würde, wenn wir mehr allein entscheiden könnten, wenn insgesamt die Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirken klarer abgegrenzt wären.
Wir werden weiter für die Selbständigkeit der Bezirke kämpfen, und ein gutes Argument ist dabei der Hinweis auf 60 Jahre erfolgreiche kommunale Demokratie in Berlin. Deshalb ist eine Ausstellung wie diese so wichtig, damit wir an diese erfolgreiche Berliner Tradition erinnern und uns bewusst werden, dass sie keineswegs selbverständlich ist, sondern immer wieder neu verteidigt und erkämpft werden muss.
Ich hoffe dass es in Charlottenburg-Wilmersdorf auch in den nächsten 60 Jahren genügend engagierte Kommunalpolitikerinnen und –politiker geben wird, die gemeinsam für die Interessen ihres Bezirks kämpfen und in der demokratischen Auseinandersetzung die besten Lösungen für die kommunalen Probleme finden.