Am Donnerstag, dem 8.12.2005, um 19.00 Uhr im BVV-Saal im Rathaus Wilmersdorf
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen im Rathaus Wilmersdorf und herzlich willkommen als deutsche Bürgerinnen und Bürger im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Ich freue mich, dass Sie sich dafür entschieden haben, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass Sie gerne in unserem Land leben, dass Sie sich in Berlin und wie ich hoffe auch in unserem Bezirk wohl fühlen.
Wir haben in diesem Jahr das große Jubiläum “300 Jahre Charlottenburg” gefeiert. Noch ist das Jubiläumsjahr nicht zu Ende, und ein großer Höhepunkt steht uns noch bevor, nämlich der Silvesterball im Rathaus Charlottenburg. Das Rathaus ist in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden, denn die Bürgerinnen und Bürger Charlottenburgs haben es sich zum 200. Geburtstag ihrer Stadt selbst geschenkt. Ich lade Sie herzlich ein zu diesem Ball. Die Karten für 49 oder 69 Euro gibt es dienstags und donnerstags von 10 bis 16 Uhr in meinem Büro im Rathaus Charlottenburg.
Das Charlottenburger Jubiläum war für uns natürlich ein Anlass, uns mit der Geschichte dieser Großstadt zu beschäftigen, die 1920 ihre Selbständigkeit verloren hat und ein Bezirk von Berlin wurde.
Wenn wir in die Geschichte blicken, dann stellen wir fest, dass diese Stadt sich nicht zuletzt deshalb so erfolgreich entwickelt hat, weil hier verschiedene Kulturen friedlich zusammen existierten.
Wir wissen: Berlin hat einen großen Teil seiner erfolgreichen Entwicklung den Ausländerinnen und Ausländern zu verdanken, die sich hier angesiedelt haben, die sich integriert haben, die unsere Stadt mit geprägt haben. Die ersten Bewohner Charlottenburgs waren die Kammertürken Ali und Hassan. Sie haben die ersten Häuser gebaut in der Stadt, die vor 300 Jahren von König Friedrich I. gegründet wurde.
Auch heute wollen und müssen wir das friedliche Neben- und Miteinander der verschiedenen Kulturen in unserem Land sichern und fördern.
Wir müssen erreichen, dass alle Menschen in unserem Land sich mit ihrem jeweils unterschiedlichen kulturellen Hintergrund frei entfalten können, damit sie zum kulturellen Reichtum und zum Erfolg unseres Landes nach besten Kräften beitragen können.
Bei uns wird jetzt vielfach mehr Integrationsbereitschaft der hier lebenden Ausländer gefordert. Daran ist vieles richtig. Natürlich ist es wichtig, die deutsche Sprache zu beherrschen, um die Chancen ergreifen zu können, die unsere Gesellschaft bietet. Und natürlich ist es wichtig, das Grundgesetz zu kennen, die Trennung von Kirche und Staat zu akzeptieren und sich auch mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen.
Für uns alle ist es wichtig, dass wir die Regeln des Zusammenlebens, das heißt unsere freiheitliche demokratische staatliche Ordnung, und insbesondere unser Grundgesetz akzeptieren.
Dazu gehört die Gleichberechtigung von Mann und Frau, und dazu gehört die Freiheit der Religionsausübung. Alle Menschen sind gleich viel wert – völlig unabhängig davon, ob sie sich einer Religion verpflichtet fühlen oder nicht.
Unsere deutsche Geschichte lehrt uns, dass wir kulturell und wissenschaftlich immer dann erfolgreich waren, wenn verschiedene Kulturen sich in unserem Land in der Mitte Europas getroffen haben, wenn sie sich vermischt und gegenseitig befruchtet haben.
Aber dies funktioniert natürlich nur dann, wenn die verschiedenen Religionen und Kulturen ihrerseits Toleranz üben und die Trennung von Kirche und Staat akzeptieren. Wir können nicht dulden, dass eine Religion den Hass gegen Nichtgläubige predigt, dass sie die staatliche Ordnung in Frage stellt, dass sie Kinder am Schulbesuch, dass sie Frauen an ihrer Entfaltung in unserer Gesellschaft hindert.
Wir haben in der Vergangenheit zu wenig getan, um die Integration der hier lebenden Ausländer in unsere Gesellschaft zu fördern. Und wir haben sie wohl auch zu wenig gefordert. Wir haben es bei einer Toleranz belassen, die im Grunde für viele nur Gleichgültigkeit bedeutet hat.
Solange sie uns nicht gestört haben, hat uns nicht interessiert, wie unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bei uns leben, woran sie glauben, wovon sie überzeugt sind, wie sie ihre Feste feiern und wie sie sich bei uns fühlen, ob sie an unserer Gesellschaft teilhaben, ob sie unsere Demokratie mit gestalten.
Darauf aber kommt es an: Unsere Demokratie lebt von den Demokraten, von den Menschen, die sie aktiv mit gestalten. Und Demokratie bedeutet eben nicht nur die Herrschaft der Mehrheit, sondern Demokratie bedeutet auch Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Minderheiten, Toleranz und Vielfalt der Kulturen.
Wir sollten für unsere Demokratie eintreten und – wenn nötig – kämpfen. Wir sollten sie uns nicht nehmen lassen von Extremisten, die meinen, sie seien im Besitz der absoluten Wahrheit und die ihre Kultur und ihre Lebensauffassung mit Gewalt allen Menschen aufzwingen wollen.
Ich habe mich sehr gefreut über die große Anteilnahme und Solidarität mit der im Irak entführten Deutschen Susanne Osthoff, die gerade auch aus dem islamischen Bereich öffentlich zum Ausdruck gebracht wurde. Das Angebot des Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, sich den Entführern als Ersatz-Geisel auszuliefern, ist ein beeindruckendes Zeichen, und auch das Gebet von Innensenator Körting mit Muslimen in einer Moschee für Susanne Osthoff war ein ermutigender Ausdruck der Gemeinsamkeit.
Susanne Osthoff liebt den Irak. Sie hat all ihre Energie dafür verwendet, bedeutende Kulturgüter im Irak zu retten und den Menschen dort zu helfen. Sie ist zum Islam übergetreten. Sie ist eine Deutsche, die mutig gezeigt hat, was völkerverbindendes Engagement bedeutet. Wir können stolz auf sie sein. Und wir wünschen ihr, ihrer Familie und uns allen von ganzem Herzen, dass sie diese Entführung unbeschadet übersteht, dass sie freigelassen wird und dass die Terroristen endlich zur Einsicht kommen: Attentate und Entführungen bewirken nichts Gutes. Sie bringen nur Leid über die betroffenen Menschen und verhindern eine friedliche Entwicklung zu Freiheit und Demokratie.
Der Irak zeigt uns deutlich: Terror ist kein Weg. Es kann nicht sein, dass die Stärkeren sich durchsetzen. Die Lösung kann nur im fairen Ausgleich der Interessen liegen, im gegenseitigen Respekt und in gegenseitiger Achtung. Wenn eine Kultur die andere vernichten will, dann stellt sie sich selbst außerhalb der menschlichen Gemeinschaft.
Sie haben sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden. Sie haben sich damit nicht für den Abschied von Ihrer Kultur entschieden. Ich hoffe, dass wir nun gemeinsam daran arbeiten können, dass aus dem uninteressierten Nebeneinander ein informiertes Miteinander wird, dass aus Toleranz Neugierde wird und aus Gleichgültigkeit Anteilnahme.
Wir wollen zusammenleben, ohne zu verleugnen, dass wir unterschiedlich sind. Wir wollen keinen Kampf der Kulturen, aber wir wollen eine pluralistische Gesellschaft, in der die verschiedenen Kulturen miteinander ins Gespräch kommen und im Gespräch bleiben. Lassen Sie uns gleich heute damit beginnen.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen noch einen schönen Abend und Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft als Deutsche.