am 30.5.2006, um 18.30 Uhr auf dem Breitscheidplatz
Sehr geehrte Damen und Herren!
Der Bahnhof Zoo ist seit 122 Jahren ein Fernbahnhof, und er bleibt ein Fernbahnhof. Daran ändert die Tatsache nichts, dass seit zwei Tagen am Bahnhof Zoo vorübergehend die Züge der Deutschen Bahn durchfahren und nicht mehr halten. Dies ist der widersinnigen Entscheidung eines Mannes zu verdanken, der für seine einsamen Fehlentscheidungen bekannt ist, und auch dafür, dass er sie nach einiger Zeit widerstrebend und kleinlaut zurücknehmen muss.
Herr Mehdorn hat in der Öffentlichkeit keine vernünftigen Argumente für die Schließung des Fernbahnhofs Zoo nennen können. Seine letzten öffentlichen Äußerungen bestärken mich aber in der Überzeugung, dass es nicht lange dauern wird, bis am Bahnhof Zoo wieder Fernzüge der Deutschen Bahn halten. Herr Mehdorn begründet seine Entscheidung jetzt damit, er wolle endlich den Bahnhof Zoo ausbauen und modernisieren. Das sei bei laufendem Betrieb bisher nicht möglich gewesen. Weil jetzt weniger Züge im Bahnhof Zoo halten, gebe es endlich Platz, um umfangreiche Arbeiten vornehmen zu können.
Auch in Zukunft bleibe der Bahnhof Zoo ein wichtiger Knoten im Netz mit mehr als 600 S-Bahnen und 198 Regionalzügen täglich. Die Zahl der Fahrgäste liege täglich weiter über 100.000.
Mehdorn kann sich jetzt sogar vorstellen, dass es mehr Geschäfte gebe und der Bahnhof durch das Entfernen der Zwischendecke übersichtlicher werde. Möglicherweise werde auch unter dem Hardenbergplatz eine Tiefgarage gebaut. Dann werde der Bahnhof Zoo auch für Autofahrer interessant, die dort bisher nur selten einen Parkplatz fänden.
Ich begrüße diese Äußerungen von Bahnchef Mehdorn und sehe darin das Ergebnis eines Lernprozesses, zu dem wir ihm mit unseren beharrlichen Fragen und Forderungen verholfen haben. Es fehlt jetzt nur noch die letzte Konsequenz aus diesen Einsichten: Der Bahnhof Zoo wird auch in Zukunft wieder die Rolle spielen, die er in Groß-Berlin vor dem Zweiten Weltkrieg immer gespielt hat: Er wird wieder einer von mehreren Fernbahnhöfen sein.
Die westliche City Berlins in Charlottenburg-Wilmersdorf hat längst wieder zu ihrer alten Rolle als moderne Berliner City-Filiale zurückgefunden. Die Episode der West-Berliner Inselstadt ist längst erfolgreich überwunden.
Sie sehen das hier am Breitscheidplatz, den wir gerade vergrößert und verschönert haben. Sie sehen das in der Wilmersdorfer Straße, die sich im Aufwind befindet und wo wir in zwei Tagen den Grundstein für die Wilmersdorfer Arcaden legen, eines der größten Einkaufszentren Berlins. Sie sehen das am Kurfürstendamm, wo ständig beeindruckende Neubauten entstehen und alles, was Rang und Namen hat, präsent ist. Sie sehen es in der Schlüterstraße, auf dem Ludwigkirchplatz, dem Stuttgarter Platz und auf dem Savignyplatz, wo man sich trifft, wenn man die Gelassenheit und mediterrane Atmosphäre der City genießen will.
Sie sehen es auf dem Messegelände, einem der wichtigsten Tourismus- und Wirtschaftsmotoren Berlins. Und sehen es im Olympiastadion, auf das in den nächsten Wochen Millionen Menschen in der ganzen Welt fasziniert blicken werden.
Die westliche City Berlins hat sich längst von manchen Fehlentwicklungen der Mauerzeit verabschiedet und der Zukunft verschrieben. Sie ist ein besonders vitaler Teil Berlins. Sie ist in sich vielfältig, lebens- und liebenswert. Sie zieht wieder besonders kreative Menschen an, wie sie dies seit ihrer Entstehung vor 120 Jahren immer getan hat. Wir kämpfen nicht für den Fernbahnhof Zoo, weil uns der Abschied vom alten West-Berlin schwer fällt, sondern im Gegenteil, weil der Fernbahnhof Zoo zur Zukunft der City-West gehört.
Die Deutsche Bahn wirbt im Bahnhof Zoo unmittelbar auf den Stationsschildern mit dem Hinweis: “In 10 Minuten zur Messe”. Warum wird den Messe- und Kongressbesuchern, die mit der Bahn anreisen, erst ein halbstündiger Umweg zugemutet, bevor sie diese schnelle Verbindung vom Bahnhof Zoo zur Messe nutzen können? Und warum wird den Besuchern der Fußballweltmeisterschaft, den Hotelgästen der westlichen Berliner City und den Bahnreisenden aus Charlottenburg-Wilmersdorf dieser Umweg zugemutet? Das ist widersinnig, kundenfeindlich und umweltschädlich, und dieser Unsinn wird nicht lange Bestand haben.
Der Bahnhof Zoo ist der größte Nahverkehrsknotenpunkt Berlins. Kein anderer Punkt in Berlin ist so gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen. Von keinem anderen Punkt aus kann man so schnell und bequem in alle Richtungen weiterkommen.
Wir freuen uns über den neuen Hauptbahnhof. Er ist ein Meisterwerk der Architektur und der Ingenieurkunst. Er ist ein faszinierender Bahnknotenpunkt, und er ist zukunftsweisend.
Die Schließung des Bahnhofs Zoo dagegen ist ein Rückschritt. Dieser Rückschritt wird keinen Bestand haben. Deshalb appelliere ich an Bahnchef Mehrdorn: Machen Sie Ihr Versprechen wahr! Modernisieren Sie den Bahnhof Zoo! Beeilen Sie sich damit! Denn in Kürze werden dort wieder die Fernzüge der Deutschen Bahn halten!