Sehr geehrter Herr Wölffer!
Sehr geehrte Frau Vorsteherin!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich, dass die Deutsche Bank eingelenkt hat, dass Gespräche stattgefunden haben und dass eine für beiden Seiten akzeptable Lösung möglich scheint. Aber ich möchte Sie, Herr Wölffer, ermuntern, nicht zu bescheiden zu sein. Sie haben keinen Grund dazu. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, Ihre Theater würden nur geduldet und erhielten von der Deutschen Bank noch eine Gnadenfrist, während der sie unter erschwerten Bedingungen weiter existieren dürfen.
Es wird immer wieder der Niedergang des Kurfürstendammes beschrieben. Das Gegenteil ist richtig: Kurfürstendamm und Tauentzien sind nach wie vor Berlins meist besuchte Einkaufsstraßen.
Kurzfristig mag die Vertreibung der Kultur, das heißt jetzt der Komödie und des Theaters am Kurfürstendamm, kommerzielle Vorteile bringen. Aber langfristig zerstört sie das Besondere des Kurfürstendammes und damit die Grundlage seines Erfolges in der Zukunft.
Denn der Boulevard lebt seit seiner Entstehung am Ende des 19. Jahrhunderts davon, dass er eben nicht nur eine Einkaufsstraße ist. Hier haben sich Kultur und Kommerz von Anfang an gegenseitig ergänzt und gefördert.
Hier waren die Goldenen Zwanziger Jahre wirklich golden: In den glamourösen Uraufführungskinos gaben sich die Stars die Klinke in die Hand, in den Tanzlokalen spielten die modernen Swingorchester, in den Kabaretts und Revuepalästen wurde intelligente Unterhaltung geboten, in den Cafés trafen sich die – meist jüdischen – Mäzene mit den Künstlern und förderten ihre Projekte, und der jüdische Regisseur und Impressario Max Reinhardt bot in der Komödie und im Theater am Kurfürstendamm exquisites Boulevardtheater. Die Mischung von Kultur und Kommerz war immer das Besondere, das den Boulevard auszeichnete.
Es geht nicht darum, dass am Kurfürstendamm alles bleibt wie es ist, und es geht schon gar nicht darum, dass es so wird, wie es einmal war. Das einzig Bleibende am Boulevard ist der schnelle Wandel. Aber nach dem Generationenwechsel an den Kudammtheatern bringt Intendant Martin Wölffer neue, unverbrauchte Stücke auf seine Bühnen und zeigt gerade erfolgreich, wie ein modernes Unterhaltungstheater funktionieren kann. Die Theater sollten nicht bleiben wie sie sind, sondern sie sollten eine Chance erhalten, Ihr Publikum noch mehr zu verwöhnen und zu beeindrucken als bisher. Deshalb möchte ich Sie, Herr Wölffer, ermutigen, nicht zu bescheiden aufzutreten, sondern offensiv für eine gute Lösung zu kämpfen. Ich und wir alle werden Sie dabei unterstützen.
Für die Deutsche Bank sollte es eine Ehre sein, diese Theater zu fördern und zu Aushängeschildern für ein neues Ku’damm-Karree zu machen. Deshalb appelliere ich an Herrn Ackermann und Herrn von Heydebreck: Treten Sie in die Fußstapfen der einstigen jüdischen Mäzene des Boulevards! Opfern Sie die Theater nicht kurzfristigen kommerziellen Interessen! Verstecken Sie die Theater nicht irgendwo im Hintergrund, sondern lassen Sie sie unmittelbar am Boulevard leuchten! Sorgen Sie dafür, dass Kunst und Kommerz sich wieder gegenseitig befruchten! Sichern Sie auch langfristig den Erfolg des Boulevards und handeln Sie damit nicht nur in unser aller, sondern auch in Ihrem eigenen wohl verstandenen Interesse! Oder, um es mit den Worten eines früheren Bundespräsidenten zu sagen: Geben Sie sich einen Ruck! Überraschen Sie uns mit einem großzügigen kulturellen Engagement! Machen Sie den Kurfürstendammtheatern ein Angebot, das ihnen und uns eine glänzende Zukunft beschert!
Sorgen Sie dafür, dass der Kurfürstendamm nicht nur eine legendäre Vergangenheit und eine kommerziell erfolgreiche Gegenwart, sondern auch eine Zukunft als berühmtester Boulevard Deutschlands hat!
Gerade weil so gut verdient wird am Kurfürstendamm, muss auch die Kultur unterstützt werden.