Sehr geehrte Frau von Pochhammer!
Sehr geehrter Herr Jungfer!
Sehr geehrte Damen und Herrn!
Gedenktafeln herzustellen, anzubringen und zu enthüllen ist im Allgemeinen eine langwierige Prozedur. Schließlich soll die Tafel lange halten, der Inhalt muss stimmen, biographische Details müssen recherchiert werden: Wie lange wohnte der zu Ehrende am Ort? Die in Frage kommenden Fachleute sollten beteiligt werden, die Hausbesitzer müssen einverstanden sein.
Im Falle von Max Alsberg allerdings wurden alle Rekorde gebrochen. Der Anwalt Gerhard Jungfer hat eine Tafel für Max Alsberg vor 12 Jahren im Jahr 1989 angeregt. Der Beirat für die Stiftung “Berliner Gedenktafel” hat 1993 zugestimmt, die Tafel wurde 1996 fertiggestellt, und heute können wir sie endlich an dem Ort enthüllen, für den sie von Anfang an vorgesehen war.
Bis vor einigen Monaten gehörte dieses Haus dem Deutschen Roten Kreuz, und hier war ein Frauenhaus untergebracht. Das DRK hatte der Tafel zunächst zugestimmt, aber die Leiterin des Frauenhauses wollte kein öffentliches Aufsehen um dieses Haus und lies sich auch nicht umstimmen. Deshalb war die Anbringung der Tafel erst nach dem Verkauf des Hauses möglich.
Ich danke der TransEuroFinanzAG für ihre Zustimmung und vor allem Frau Derschau für die sehr gute Zusammenarbeit. Sie hat der Tafel nicht nur zugestimmt, sondern sich darüber gefreut und sie als Gewinn für Ihr Haus betrachtet. Das ist nicht immer so. Umso mehr freuen wir uns und sind dankbar für die gute Zusammenarbeit. Ich begrüße herzlich Herrn Dr. Kühn von der Eurogrund AG, der heute die Hauseigentümer vertritt, weil Frau Derschau die Sonne in St. Tropez genießt.
Herzlich begrüßen möchte ich auch die beiden Direktoren der Berliner Sparkasse, Herrn Dr. Bayer und Herrn Dr. Herkt. Die Sparkasse hatte dieses Berliner Gedenktafelprogramm zur 750-Jahr-Feier Berlins im Jahr 1987 gestiftet, und dies dürfte eine der letzten Tafeln aus diesem Programm sein, die enthüllt wird. Insgesamt wurde etwa 300 Tafeln von der KPM hergestellt.
Leider wird das Programm nicht fortgesetzt, so dass wir für jede neue Gedenktafel Finanzierungsmöglichkeiten suchen und neue, andersartige Tafeln gestalten müssen. Die Stiftung des Gedenktafelprogramms war eine sehr gute Idee. Vielen Dank dafür an die Berliner Sparkasse. Die Idee war so gut, dass eine Weiterführung des Programms äußerst wünschenswert wäre.
Herzlich willkommen Frau Jutta von Pochhammer! Sie sind gekommen auf Bitten der Tochter von Max Alsberg, Renate Alsberg Hunter. Frau Alsberg Hunter lebt in New York und konnte leider nicht selbst kommen, aber sie hat uns telefonisch versichert, dass sie sich über die Gedenktafel für ihren Vater sehr freut. Ich freue mich, dass Sie, Frau von Pochhammer, gekommen sind.
Sie haben damals in der Nähe der früheren Jagowstraße, der heutigen Richard-Strauss-Straße, gewohnt, und die Familie Alsberg gekannt, wie uns Frau Alsberg Hunter mitgeteilt hat.
Herzlich bedanken möchte ich mich vor allem auch bei Herrn Rechtsanwalt Gerhard Jungfer, der die Tafel vor 12 Jahren angeregt hat und ihre Realisierung geduldig und beharrlich begleitet hat. Er hat über Max Alsberg gearbeitet und publiziert und wird uns gleich einen Einblick in sein Leben und seine Verdienste geben. Als Anwalt sind Sie es wahrscheinlich gewohnt, in langen Zeiträumen zu denken und zu handeln. Aber ihre und unsere Geduld wurde in diesem Fall besonders strapaziert. Um so mehr freuen wir uns, dass es jetzt soweit ist.
Max Alsberg ist hier in guter Gesellschaft. Seit ihrer Gründung 1889 zogen viele prominente Künstler, Schriftsteller, Intellektuelle, Bankiers in die Villenkolonie Grunewald. Ihre Namen lesen sich wie ein Who’s Who der deutschen Kultur des späten Kaiserreichs und der Weimarer Republik: Karl Abraham, Vicki Baum, Karl und Dietrich Bonhoeffer, Isadora Duncan, Lion Feuchtwanger, Samuel Fischer, Carl Fürstenberg, Engelbert Humperdinck, Alfred Kerr, Lilli Lehmann, Franz von Mendelssohn, Friedrich Wilhelm Murnau, Max Planck, Walther Rathenau, Max Reinhardt, Hermann Sudermann, Hans Ullstein. An den Häusern erinnern Gedenktafeln an die Leistungen der Bewohnerinnen und Bewohner. Die meisten von ihnen wurden von den Nationalsozialisten vertrieben. Sie haben diese Villenkolonie Grunewald als kulturelles Zentrum der Weimarer Republik zerstört.
Sie haben erst die jüdischen Bürgerinnen und Bürger vertrieben, und schließlich rollten vom Bahnhof Grunewald aus die Deportationszüge nach Auschwitz.
Hier um die Ecke in der Wernerstraße 16 lebte Maximilian Harden, der große Publizist und Gegenspieler Wilhelms II. Er kämpfte gegen Nationalismus und Militarismus. Wenige Wochen nach der Ermordung Walther Rathenaus hier an der Koenigsalle wurde auch Maximilian Harden Opfer eines Attentats von Rechtsradikalen. Er zog 1922 in die Schweiz, wo er 5 Jahre später an den Folgen des Attentats starb. Es gibt erstaunliche Parallelen zu Max Alsberg, ebenfalls ein jüdischer Schriftsteller, der ebenfalls vor den Nazis in die Schweiz floh. Er nahm sich dort das Leben.
Nur wenige Meter von hier, am Seebergsteig 2 lebte der berühmte Schauspieler Joachim Gottschalk mit seiner jüdischen Frau und seinem Sohn. Er galt als der Clark Gable der Ufa. 1941 nahm er sich gemeinsam mit seiner jüdischen Frau Meta und seinem Sohn Michael das Leben. Die zunehmenden Repressalien der Nationalsozialisten gegen seine Frau gipfelten schließlich in der Anordnung ihrer Deportation.
Max Alsberg gehört zu diesem deutsch-jüdischen Kulturzentrum in der Villenkolonie Grunewald. Er war wohl der bedeutendste Strafverteidiger der Weimarer Republik, führte viele aufsehenerregende Prozesse, engagierte sich für eine umfassende Strafrechtsreform, schrieb eine Reihe von Werken zur Ethik und Philosophie der Verteidigung und zwei Theaterstücke. Als Verteidiger kümmerte er sich nicht um die politische Haltung oder die Herkunft seiner Mandanten.
Er vertrat einerseits die Interessen des Ex-Kaisers Wilhelm II und verteidigte andereseits den Verleger der Weltbühne, Carl von Ossietzky.
Max Alsberg ging nach seiner Emigration in die Schweiz und nahm sich dort am 11. September 1933 das Leben. Kurz vor seinem Tod äußerte er: “Alles, woran ich hing, ist zusammengebrochen … Ich lebe nun einmal in der deutschen Jurisprudenz. Nichts hat mich so ausgefüllt wie die Beschäftigung in ihr.”
Die Tragödie Max Alsbergs ist eines der vielen Beispiele für das katastrophale Scheitern der deutsch-jüdischen Symbiose. Wenn diese Symbiose irgendwo spürbar und sichtbar war, dann hier in der Villenkolonie Grunewald. Die Nationalsozialisten haben diese Symbiose und damit auch die Villenkolonie Grunewald als kulturelles Zentrum brutal zerstört.
Sie zerstörten den unermesslich wertvollen jüdischen Beitrag zur kulturellen und wissenschaftlichen Blütezeit in Deutschland während der Weimarer Republik. Das Jüdische Museum führt es uns jetzt eindrucksvoll vor Augen, was die Nazis zerstört haben.
Mit dieser Gedenktafel für Max Alsberg wollen wir beispielhaft auch an diese Zerstörung erinnern, vor allem aber auch an das, was zerstört wurde, an die Menschen und ihre Leistungen, denen von 1933 bis 1945 der Platz in unserem Land verwehrt wurde.
Ich danke den Rechtsanwälten, die sich seit Jahren um diese Erinnerung kümmern und dafür gesorgt haben, dass der Beitrag Max Alsbergs zur Geschichte des Rechts in Deutschland nicht in Vergessenheit geraten ist. Einer von ihnen ist Gerhard Jungfer, und ich danke Ihnen, Herr Jungfer, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns Max Alsberg vorzustellen.