am 26.9.2004 in der Kommunalen Galerie
Sehr geehrter Herr Christoffel,
sehr geehrte Frau Dörfler!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie alle sehr herzlich.
“Abschied ist die Geburt der Erinnerung”. Diesen Satz des Malers Salvador Dali habe ich vor einigen Tagen gelesen. Ich möchte diesen Satz erweitern. Abschied ist nicht nur die Geburt der Erinnerung. Abschied ist auch die Geburt eines neuen Lebensabschnitts.
Wenn ich nun Sie, liebe Frau Dörfler und lieber Herr Christoffel, heute von der Bühne der Kommunalen Galerie offiziell verabschiede, so bewegen sich meine Gedanken in zwei Richtungen: zurück in die Vergangenheit und vorwärts in die Zukunft.
Blicke ich in die Vergangenheit so sind der Name und die Person Udo Christoffel eng mit der Institution KOMMUNALE GALERIE verbunden.
Die KOMMUNALE GALERIE hat sich seit ihrer Gründung im Jahre 1974 unter Ihrer Leitung in erster Linie zu einem Forum für Realistische Kunst und Künstler in Berlin entwickelt. In zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen wurden in den vergangenen 30 Jahren nicht nur, aber vorwiegend Vertreterinnen und Vertreter des breiten Spektrums figürlicher Positionen vorgestellt.
Im Jubiläumsjahr der Galerie wurde soeben eine Ausstellung mit neuen Werken von 89 Künstlerinnen und Künstlern vorgestellt. Einige gehören seit vielen Jahren auch zum festen Künstlerkreis der Galerie und waren hier bereits mit umfangreichen Einzelausstellungen vertreten. Es sind natürlich auch die Künstlerinnen und Künstler gewesen, die das Profil der KOMMUNALEN GALERIE als Standort für den Realismus der Gegenwart geprägt und geschärft haben, aber diese Fokussierung ist nur möglich geworden aufgrund Ihrer Auswahl und Unterstützung.
Als in dem Haus, in dem wir uns jetzt befinden, und das dem Bezirk gehört, ein Geldinstitut 1974 einige Räume aufgab, nutzte das damalige Bezirksamt die Gunst der Stunde und stellte die Räume seinem Kunstamt zur Verfügung.
Dort war seit dem 1. September 1972 Udo Christoffel Kunstamtsleiter, damals der jüngste in Berlin.
Seine Büroräume lagen im Rathaus, direkt neben dem sogenannten Wandelgang der Bezirksverordneten, dem damaligen Ausstellungsraum des Kunstamtes.
Udo Christoffel ergriff die Gelegenheit und kreierte mit “seinen” Künstlern der ersten Stunde in den freien Räumen die KOMMUNALE GALERIE.
Darunter verstand man in einer Art Gründungsmanifest “ein Zentrum, in dem Freizeit und Bildung in Verbindung mit künstlerischen Ausdrucksformen Vergnügen und Erholung bieten sollten”. Zu den damaligen Künstlern gehörten unter anderem LOUIS, Rolf Heym, Barbara und Klaus Oldenburg, Karin Rech, Nico Schulz, Dieter Straub, Karl Weinert und der Grafik-Designer Uwe Witt. Die von ihm gestaltete Cafeteria gibt es übrigens noch heute. Sie war schon damals, als die Galerie am 30. Oktober 1974 vom damaligen Bezirksbürgermeister eröffnet wurde, ein inoffizieller Mittelpunkt der Galerie und sie hat bis zum heutigen Tag nichts von ihrem Charme verloren.
Seit dieser Zeit, also fast dreißig Jahre lang haben in der KOMMUNALEN GALERIE nahezu ununterbrochen Ausstellungen und Veranstaltungen aller Art stattgefunden.
Nur einmal im Jahr 1980 blieb die Galerie für einige Monate wegen verschiedener Umbau- und Einrichtungsmaßnahmen geschlossen. Durch den Auszug einer Firma im Erdgeschoss konnte die Galerie erheblich erweitert werden.
So wurde der neue Mehrzweck- und Veranstaltungsraum, in dem wir uns jetzt befinden, und der Galerieraum im ersten Stock aus- bzw. umgebaut. Anschließend wurde eine Kindergalerie eingerichtet und ein Video Kino geschaffen.
Der kommunale Kunstbesitz wurde ebenfalls in diesem Raum präsentiert und der Kunstverleih hier angesiedelt, wo die Artothek sich heute noch befindet.
Im sechsten Stock des Hauses wurden mit Hilfe des Kunstamtes Ateliers eingerichtet, die über den Berufsverband Bildender Künstler vermietet werden.
Nach dem Konkurs der Firma Spitta & Leutz im Jahre 1998 wird der größte Teil der Verkaufs- und Lagerräume der KOMMUNALEN GALERIE übertragen. Die Ausstellungsfläche kann so auf mehr als 1.000 m² erweitert werden. Die KOMMUNALE GALERIE ist damit seit 1999 das Haus mit der größten Ausstellungsfläche in kommunaler Hand in Berlin.
Mit dem Ausbau eines Veranstaltungsraumes für 80 Plätze als kommunale Spielstätte “Theater COUPÉ” hat sich die Attraktivität und Vielfalt des Hauses noch erhöht. Das kleine Theater befindet sich in den ehemaligen Räumen des Heimatmuseums. Ein weiterer Probenraum mit kleiner Bühne steht für freie Theatergruppen und Vereine zur Verfügung.
Doch die neuen Ausstellungsräume müssen auch bespielt werden. In den vergangenen Jahren bemühte sich die KOMMUNALE GALERIE erfolgreich Kooperationspartner im Kulturbereich zu gewinnen. Durch die Zusammenarbeit mit Museen, Kunstvereinen und Botschaften und anderen Kulturveranstaltern ist es möglich, das Ausstellungsprogramm das ganze Jahr über ohne Schließzeiten aufrechtzuerhalten.
Viele Veranstaltungen, Ausstellungen, Aktionen und Veröffentlichungen über Berliner Künstler hat es in diesem Hause gegeben.
Es sind einfach so viele Dinge in den letzten 32 Jahren geschehen, dass sie nicht alle aufgeführt werden können. Vieles ist aber noch sichtbar und bleibt erhalten: z.B. die vielen Bücher zur Stadtteilgeschichte von Berlin-Wilmersdorf mit einer Gesamtauflage von über 50.000 Exemplaren.
Wilmersdorf gehört damit zu den Bezirken, die am besten in den letzten Jahren erforscht und dargestellt wurden.
Ein sichtbares Zeichen der Aktivität des Kunstamtes Wilmersdorf sind auch noch die “Sieben Schwaben” am Fehrbelliner Platz, die dort schon gar nicht mehr wegzudenken sind.
Zuletzt gab es noch in diesem Jahr die große Ausstellung der Berliner Realisten in der Galerie und den bemerkenswerten Skulpturengarten rund um das Schoelerschlösschen, dem ältesten Haus in Wilmersdorf.
Möglich sind diese Aktivitäten und Erfolge durch die Arbeit von Herrn Udo Christoffel geworden. Er hat zusammen mit seinem jeweiligen Team, zu dem seit nunmehr 20 Jahren auch Frau Dörfler zählt, immer sein Bestes gegeben. Auf ihn war immer Verlass und Sie waren immer da, wenn Sie gebraucht wurden.
Vielleicht ist es das, was viele wieder lernen müssen: Das Bewusstsein für die Verantwortung, die jede und jeder von uns trägt. In unserer heutigen Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs sind es nicht nur die Prominenten, die Mächtigen, die die Geschicke unseres Staates lenken. Es sind wir alle, jede und jeder an seinem Platz. Die vielen einzelnen, ob Arbeitgeberin oder Arbeitnehmer, ob Pförtner oder LuV-Leiterin. Jede und jeder einzelne bestimmt mit seinem Engagement ein Stück Schicksal. Das Schicksal eines Unternehmens, unseres Bezirksamtes und damit auch das Schicksal unseres Landes Berlin.
Sie, Frau Dörfler waren 20 Jahre und Herr Christoffel 32 Jahre im Kulturbereich tätig. Ihr Arbeitseifer, Ihr Fachwissen, Ihre Zuverlässigkeit waren bei den Kolleginnen und Kollegen und natürlich auch bei Ihren Vorgesetzten sehr geschätzt. Sie haben immer hart gearbeitet. Auf Sie war immer Verlass. Dabei waren Sie stets auch für Ihre Kolleginnen und Kollegen da, wenn Ihre Hilfe gefragt war.
Aus Polen stammt der Satz: “Auch das Happy End ist ein Ende.” Für Sie, liebe Frau Dörfler und lieber Herr Christoffel bringt der 1. Oktober ein Happy End: Nach 20 bzw. 32 Jahren erfolgreiche Arbeit im Kulturbereich gehen Sie in Ihren verdienten Ruhestand. Eine schöne Zeit erwartet Sie, in der Sie sich Ihrer Familie, Ihren Freunden und Ihren Hobbys widmen können. Wir alle gönnen es Ihnen von Herzen. Dennoch: Ihr Happy End ist für uns, die wir hier bleiben, ein Ende, das nicht so fröhlich ist. Denn es wird anders sein ohne Sie. Irgendwie leerer, wenn Sie nicht mehr jeden Morgen zur Tür hereinkommen.
Ein kluger Mann hat einmal festgestellt: “Wenn jemand in einem Betrieb unverzichtbar ist, dann ist dieser Betrieb falsch organisiert.” Ob der Fachbereich Kultur und die Kommunale Galerie gut oder falsch organisiert ist, werden wir in den ersten Oktoberwochen herausfinden bzw. spüren. Ich sehe jedenfalls Ihren Weggang mit einem lachenden und weinenden Auge. Das weinende Auge nimmt wahr auf einen gewohnten Umgang und fachlichen Rat verzichten zu müssen und das lachende Auge, das Sie in Ihrem neuen Lebensabschnitt nun all das verwirklichen können, was durch die tägliche Arbeit in der Kommunalen Galerie verhindert wurde.
Neben den Blumengrüßen möchte ich zum Abschied auch Kunst mit auf den neuen Weg geben. Es sind keine Realisten, aber ich dachte das es an der Zeit ist, das Frau Dörfler einen Monet ständig bei sich tragen kann und das Herr Christoffel einen van Gogh und einen Klimmt sein eigen nennt.
Schließen möchte ich nun mit den Einleitungssätzen des Buches Kunst und Künstler aus dem Jahre 1989:
“Kunst wird von Menschen gemacht, alles hat einen Anfang, alles hat einmal ein Ende: Wann das Ende einer Ära oder einer Epoche gekommen ist, das weiß man meist erst sehr viel später”.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.