am Dienstag, 28. 10.2003
a) um 14.00 Uhr im Rathaus Charlottenburg
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Sehr geehrte Frau Rau!
Herzlich Willkommen in unserem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf! Und herzlich willkommen im Rathaus Charlottenburg!
Von Kaiser Wilhelm II wird berichtet, dass er sich weigerte, auf seinem Weg vom Berliner Schloss zum Schloss Charlottenburg an diesem Rathaus vorbei zu fahren, nachdem es im Jahr 1905 von den Bürgerinnen und Bürgern der damaligen Großstadt Charlottenburg eingeweiht worden war. Der Turm war höher als das Schloss Charlottenburg, und das missfiel dem Kaiser.
Sie, Herr Bundespräsident, sind nicht nur vorbei gefahren auf Ihrem Weg vom Schloss Bellevue zum Schloss Charlottenburg, sondern Sie haben sogar angehalten und sind ausgestiegen, um unserer Einladung zu folgen. Herzlichen Dank dafür! Sie machen damit die damalige Missachtung durch den Kaiser mehr als wett. Denn Sie sind der demokratische gewählte Präsident unseres Landes, und deshalb ist uns Ihr Besuch mehr wert, als es der Besuch des Kaisers je gewesen wäre.
Und eine wunderschöne Überraschung für uns war die Nachricht aus Ihrem Büro, dass Ihre Frau Sie begleitet. Wir freuen uns, Sie beide an diesem Tag bei uns begrüßen zu dürfen. Es ist ein ganz besonderer Tag und wird ein besonderer Tag bleiben in der bald 300jährigen Geschichte Charlottenburgs, die wir im Jahr 2005 feiern werden.
Wir haben uns fest vorgenommen, Ihnen heute nichts vorzujammern. Nicht, dass wir über nichts zu klagen hätten. Aber die drückenden Finanzprobleme, über die wir lange und ausdauernd klagen könnten, unterscheiden uns nicht von den anderen 11 Bezirken Berlin, sondern sie verbinden uns. Sie verbinden uns wohl mit allen Kommunen in Deutschland in diesen Zeiten.
Nein, wir wollen Ihnen in diesen knappen drei Stunden das Besondere unseres Bezirks zeigen. Wir wollen Ihnen einen Eindruck vermitteln von der besonderen Bedeutung dieses Bezirks für Berlin.
Den ersten Eindruck, den Sie beim Aussteigen aus dem Auto gewonnen haben, hat auf eigenen Wunsch die 5. Kompanie des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung mit gestaltet. Wir haben 1999 für diese Kompanie eine Patenschaft übernommen, und daraus ist längst eine lebendige Partnerschaft geworden. Die Soldaten unterstützen uns bei vielen Gelegenheiten, und ich fand es eine gute Idee, dass sie auch heute bei Ihrem Besuch bei uns präsent sind.
Soeben haben Sie eine kleine Kostprobe von einer Streichergruppe unserer Musikschule gehört. Es ist nach Steglitz-Zehlendorf mit 6.000 Schülerinnen und Schülern die zweitgrößte Musikschule Europas. Ihren Leiter Christian Höppner haben sie bereits kennen gelernt als Vizepräsidenten des Deutschen Musikrats bei dem Kongress “Musik bewegt”.
Die Besonderheit unseres Bezirks liegt begründet in seiner Geschichte, und sie bezieht sich auf seine Potentiale für die Zukunft Berlins.
In den sogenannten Goldenen Zwanziger Jahren nannte man dieses Gebiet den “Neuen Westen”. Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung Berlins sah es eine Zeitlang so aus, als hätten sich die Verhältnisse umgekehrt, und die westliche City Berlins sei als “Alter Westen” ins Hintertreffen geraten. Es war sicher gut und richtig, dass in den Jahren nach der Wende die alte Mitte Berlins im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand. Jetzt aber ist es – so meinen wir – an der Zeit, sich wieder auf die Stärke Berlins zu besinnen. Und das ist nicht zuletzt die produktive Konkurrenz zwischen seinen verschiedenen Zentren.
Sie, Herr Bundespräsident, residieren im Schloss Bellevue in gewisser Weise zwischen diesen Zentren. Wir wollen sie heute von der Geschichte in die Zukunft führen, von unserem Heimatmuseum über das Europa Center mit einem Blick auf das Baugeschehen bis zur Ganztagsgrundschule, an der unsere Kinder unterrichtet werden, die unsere Zukunft sind. Wir hoffen, dass diese kleine Reise durch unseren Bezirk für Sie beide auch ein wenig unterhaltsam und angenehm sein wird.
Wir zehren heute in Charlottenburg-Wilmersdorf in vielem von dem, was in den beiden selbständigen Großstädten Charlottenburg und Wilmersdorf geschaffen wurde, bevor sie 1920 nach Groß-Berlin eingemeindet wurden. Nicht nur dieses Rathaus und das Schloss Charlottenburg, die Theater, die Technische Universität, das Straßennetz, die Plätze und Parks, auch die meisten Schulen und vieles mehr waren bereits entstanden. Trotz der katastrophalen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ist diese historische Substanz noch immer wie ein großer Schatz für uns -Basis und Ausgangspunkt für die Entwicklung in der Zukunft. Deshalb geht es uns darum, die Zukunft mit historischem Bewusstsein zu gestalten – traditionsbewusst und zukunftsorientiert zugleich.
Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass unser Bezirk, dass die Berliner Bezirke insgesamt, ihre Selbstverwaltungskompetenz behalten oder besser wieder erlangen. Leider haben wir es derzeit mit einem starken Drang zur Zentralisierung zu tun. Und wir glauben, dass dies unserer Stadt Berlin insgesamt nicht gut tut. Kommunale Demokratie kann sich nur in den Bezirken entfalten. Eine möglichst weit gehende Eigenständigkeit der Bezirke ist für Berlin eine große Chance. Auch dies wollen wir Ihnen heute zeigen.
b) um 16.40 Uhr im Rundhof des Rathauses Wilmersdorf
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Sehr geehrte Frau Rau!
Sehr geehrte Damen und Herrn!
Herzlich Willkommen in unserem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf! Und herzlich willkommen hier im renovierten Rundhof des Rathauses Wilmersdorf.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, unsere Freude war groß, als wir die Nachricht bekamen, dass Sie meiner Einladung folgen und unseren Bezirk besuchen würden. Und noch einmal ganz besonders gefreut haben wir uns, als wir vor wenigen Tagen hörten, dass Frau Rau Sie begleiten würde. Herzlichen Dank Ihnen beiden noch einmal für Ihren Besuch bei uns.
Nachdem wir Ihnen in unserem Heimatmuseum etwas von der Geschichte Charlottenburgs und Wilmersdorfs gezeigt haben, nachdem wir vom Europa Center auf die Neubauten und Baustellen der City West und der Spreestadt und damit auf die Zukunftspotentiale unseres Bezirks geblickt haben und nachdem wir in der Ganztagsgrundschule am Nikolsburger Platz gesehen und gehört haben, wie unsere Kinder auf ihre Zukunft vorbereitet werden, haben Sie sich bereit erklärt, diesen Rundhof im Rathaus Wilmersdorf nach seiner Sanierung mit uns gemeinsam wieder zu eröffnen.
In diesem Rathaus sind Geschichte und Zukunft präsent. Das Haus wurde als Verwaltungsgebäude für die Deutsche Arbeitsfront von den Nationalsozialisten mitten im Zweiten Weltkrieg gebaut. Nach seiner Fertigstellung 1943 zog eine Militärverwaltung ein. Nach dem Krieg 1945 wurde es zum britischen Hauptquartier, und erst 1954 zog das Bezirksamt ein und machte es zum Rathaus.
Drei Gedenksteine in diesem Eingangshof erinnern an die Opfer der beiden Weltkriege und an die Opfer der nationalsozialistischen und der kommunistischen Gewaltherrschaft. 1957 wurden 27 Wappenmosaiken ehemals ostdeutscher Länder und Städte angebracht. Über diese Wappen wurde vor einigen Jahren in der damaligen Wilmersdorfer Bezirksverordnetenversammlung heftig gestritten. Spätestens nach der Wiedervereinigung waren die Wappen als Ausdruck der Nachkriegszeit selbst historisch geworden. Ergebnis der Diskussionen sind seit 1992 zwei Informationstafeln neben dem Eingang, auf denen die Geschichte der Wappen erläutert und klargestellt wird, dass damit keinerlei Ansprüche verbunden werden.
Seit der Fusion von Charlottenburg und Wilmersdorf am 1. Januar 2001 ist hier der Sitz der Bezirksverordnetenversammlung des neuen Bezirks und damit das Zentrum der kommunalen Demokratie. Bereits vor der Fusion, am 19. Oktober 2000 ist die gemeinsame BVV hier zum ersten Mal zusammengetreten und hat wichtige Entscheidungen für den neuen Bezirk getroffen. Deshalb haben wir diesen Tag zum Bezirkstag erklärt und verleihen an diesem Tag die bezirkliche Bürgermedaille an Bürgerinnen und Bürger, die sich mit ehrenamtlicher Arbeit in unserem Bezirk engagiert haben. Die in diesem Jahr am Bezirkstag Ausgezeichneten sind heute zu diesem Eröffnungsfest gekommen, und ich begrüße sie herzlich.
Dieses Rathaus Wilmersdorf ist nicht älter als 60 Jahre. Aber es ist gerade deshalb auch ein Ort mit hohem Symbolwert, ein Ort der Nachdenklichkeit, ein Ort unserer widerspruchsvollen Geschichte.
Aber gerade dieser Rundhof ist auch ein beliebter Ort der Bürgerinnen und Bürger. Im Sommer lädt der Platz rund um den Löwenbrunnen zum Verweilen ein. Er macht den Besuch des Rathauses angenehm, und viele genießen seine Atmosphäre. Seine Akustik hat sich in vielen Konzerten bewährt, und wir sind froh, dass wir ihn jetzt nach einem halben Jahr Bauzeit in neuer Schönheit wieder haben.
Die Gruppe “Blue Lemon” von unserer Musikschule unter der Leitung von Christof Griese hat den Rundhof soeben bereits musikalisch wieder in Besitz genommen. Wir werden anschließend weitere Ensembles unserer Musikschule hören: das “Wind-or-Jester”, ein sinfonisches Blasorchester in großer Besetzung unter der Leitung von Thomas Lamp, “House of Bones” und das “Reedstorm Saxophone Quartett”. Allen Musikerinnen und Musikern danke ich herzlich für ihren schönen Beitrag zu unserem heutigen Fest.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich danke Ihnen herzlich für Ihren Besuch in unserem Bezirk. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und für Ihre Geduld. Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, an diesem Ort der kommunalen Demokratie mit uns gemeinsam den neugestalteten Rundhof zu eröffnen. Und ich freue mich, dass Sie jetzt zu uns sprechen.