Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zum Doppel-Bezirkshaushaltsplan 2002/2003 zur 2. Lesung in der BVV am 25.04.2002

Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

zum Doppel-Bezirkshaushaltsplan 2002/2003 zur 2. Lesung in der BVV

am 25.04.2002

Haushaltsrede 2002/2003

Sehr geehrte Frau Vorsteherin,

meine Damen und Herren,

mit der Vorlage Drucksache Nr. 131 haben Sie den Entwurf des Doppel-Bezirkshaushaltsplans 2002/2003 in der Fassung des Bezirksamtsbeschlusses vom 02. April 2002 vorliegen.
Der Entwurf ist in allen Fachausschüssen und in insgesamt vier Sondersitzungen des Haushaltsausschusses – mit abschließender Beschlussempfehlung – beraten worden.

Wahrscheinlich kennen Sie alle folgende Karikatur:
Ein Mensch sitzt in einem Raum und um ihn herum herrscht ein fürchterliches Chaos. Durch eine Sprechblase wird vermittelt, dass eine Stimme folgende Worte zu ihm spricht: “Fürchte Dich nicht, denn es hätte viel schlimmer kommen können!” Und der Mensch fürchtete sich nicht und siehe es kam viel schlimmer!

Mit dieser Karikatur lässt sich nicht nur das Aufstellungsverfahren sondern auch der vorliegende Bezirkshaushaltsplanentwurf zusammenfassend beschreiben.

Nichts ist mehr so wie es war und die bekannten Verfahrensweisen gehören der Vergangenheit an. So hören Sie auch erst in der 2. Lesung die traditionelle Haushaltsrede, weil aus Zeitgründen auf die 1. Lesung verzichtet werden musste.
Insofern habe ich bereits alle detaillierten Ausführungen in den Ausschusssitzungen gemacht, die sonst üblicherweise vor den Beratungen in der 1. Lesung der BVV erfolgen. Deshalb beschränke ich mich heute nur noch auf einige ergänzende Mitteilungen.

Lassen Sie mich zunächst in Erinnerung bringen, wie es zu diesem Aufstellungsverfahren gekommen ist:

am 28. August 2001 beschloss das Bezirksamt in alter Zusammensetzung den Entwurf des Bezirkshaushaltsplans für das Jahr 2002
Die neue Kapitelstruktur, die ab dem Haushaltsjahr 2001 eingeführt wurde, wurde ohne wesentliche Veränderungen auch für das Haushaltsjahr 2002 beibehalten. Die Vergleichsbeträge für das Haushaltsjahr 2000 wurden weitestgehend den neuen Kapiteln zugeordnet; es erfolgte die Umstellung von DM-Beträgen auf EURO.

nach dem Bruch der großen Koalition kam es in Berlin zu Neuwahlen, die in Folge auch eine andere Zusammensetzung des Bezirksamtes nach sich zogen; verbunden damit war auch eine veränderte Ressortverteilung
Diese veränderte Ressortverteilung zog auch zwangsläufig eine Umschichtung von Mitteln nach sich, die zunächst in den vorliegenden BA-Beschluss – durch eine interne Nachschiebeliste – eingearbeitet wurde.
Diese überarbeitete Fassung des BA-Beschlusses bildete die Grundlage für die Aufstellung des Bezirkshaushaltsplans für das Jahr 2002 als Bestandteil des Doppel-Bezirkshaushaltsplans 2002/2003

nach Artikel 89 der Verfassung von Berlin befinden wir uns seit dem 1. Januar 2002 in einer vorläufigen Haushaltswirtschaft unter verschärften Bedingungen nach dem Haushaltswirtschaftsrundschreibens des Senators für Finanzen

am 5. Februar beschloss der Senat die Eckwerte für einen Doppelhaushaltsplan 2002/2003 mit einer sehr engen Terminkette zur Aufstellung des selben verbunden damit sind eine Reihe von Veränderungen
wie:

die Umstellung der Veranschlagung der Personalausgaben von Durchschnittssätzen auf die Ist-Ausgaben von 2001
Die Auswirkungen in Gänze können derzeit noch nicht eingeschätzt werden, wenn z. B. bisher nicht finanzierte kw-Stellen nunmehr zwar finanziert sind, dafür aber andere bisher unbesetzte Stellen, die benötigt werden, nicht finanziert sind.
Zwangsläufig damit verbunden sind im Stellenplan auch keine Einzelbeträge mehr zu finden; hier erfolgte eine Zusammenfassung pro Titel nach Kapiteln.

Die Zuweisungsbeträge für den Teil der konsumtiven Sachausgaben wurden zunächst an das Ist aus 2001 angepasst, gleichzeitig aber für 2002 im A-Teil für alle Bezirke um 18 Mio € und im Z-Teil um 100 Mio € abgesenkt;

Seit dem 15. März erhielten wir dann schrittweise weitere Veränderungen.
So kam es zu einer Reihe von Zuordnungsveränderungen bei Titeln.
Das bisherige Ausgabenfeld A06 geht zusammen mit Teilen des ehemaligen Z-Teils in einen neuen T-Teil auf. Dieser T-Teil gliedert sich von T, T01 bis T12.
Der verbleibende ehemalige Z-Teil wird aufgeteilt in Z, Z01 bis Z04. Gegen Teile dieser Umgliederungen hat das Bezirksamt noch Einwendungen, die bisher durch SenFin unbeantwortet sind.

Es erfolgte eine pauschale Erhöhung der Einnahmenvorgabe

Veranschlagung des Jahresergebnisses von 2001 bereits in 2002

Die Zuweisung für Investitionsausgaben wurde von der ursprünglich bereits mehrfach reduzierten Summe in Höhe von 13.622 T€ nochmals in mehreren Schritten um 1.568 T€ auf nunmehr 12.054 T€ drastisch reduziert, so dass eine Reihe von Maßnahmen entfallen mussten.

Regieren ist eben die Kunst, Probleme zu schaffen, mit deren Lösung man das Volk in Atem hält. (Ezra Pound)

Somit hatten wir nicht nur Zeitnot sondern auch eine chaotische Ausgangssituation für die Aufstellung des Doppelhaushalts; eine Vergleichbarkeit mit Vorjahren ist nur noch mit viel Aufwand bedingt möglich.

Wir waren ratlos und suchten nach Wegen zur Umsetzung der uns übersandten Vorgaben.
Ich dachte an Goethe und suchte die Lösung im Faust:
“Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.”

Und fand das Wort bei Willy Brandt:
“Zur Summe meines Lebens gehört im übrigen, dass es Ausweglosigkeit nicht gibt.”

Der Ausweg, um dennoch ans Ziel zu kommen, war das jetzige Verfahren, d.h.:
Weitestgehende titelscharfe Untersetzung der neuen Vorgaben bzw. Zuweisungen für das Haushaltsjahr 2002 auf der Basis des an die neuen Strukturen angepassten BA-Beschlusses aus August 2001, bis auf wenige Ausnahmen Spiegelung der Ansätze nach 2003, Differenzen über pauschale Mehr- bzw. Minderausgaben im Kapitel 59 50 als Ausgleich zu veranschlagen, um diese dann später durch Überarbeitung der Ansätze von 2003 mittels Aufstellung eines Ergänzungsplanes ( im Spätsommer des Jahres 2002) aufzulösen.

In diesen Ergänzungsplan sollen dann auch die Ergebnisse aus der Budgetierung mit einfließen und mehr Gerechtigkeit bei der Mittelverteilung bringen.
Gegenwärtig ist der Steuerungsdienst mit der Aufbereitung der uns zeitgleich mit den Zuweisungen übersandten Unterlagen beschäftigt.

Dennoch haben wir es mit einer Erstausgabe zu tun. Wurde der Bezirkshaushaltsplan 2001 noch im additiven Verfahren aus den getrennten Bezirkshaushaltsplänen von Charlottenburg und Wilmersdorf aufgestellt, liegt heute ein Bezirkshaushaltsplan vor, der sozusagen aus einem “Guss” ist. Somit ist dies auch ein weiterer Beitrag für das Zusammenwachsen beider Bezirke.

Hatten wir doch noch im letzten Jahr angenommen, weitere Kürzungen kann kein Bezirkshaushalt verkraften, so wurden wir nunmehr eines Besseren belehrt.
Hatten wir ursprünglich für 2002 noch ein Haushaltsvolumen von rd. 468 Mio. €, so müssen wir jetzt mit rd. 454 Mio. € für 2002 und mit rd. 435 Mio. € für 2003 auskommen.

Entscheidende Schlussfolgerung daraus muss sein, dass wir uns beim Ergänzungsplan ausreichend Zeit für Korrekturen und für die Entscheidungen zu den sicherlich nicht ausbleibenden strukturellen Einsparungen nehmen müssen.

Zwar haben die Eingriffe in das Globalsummensystem der Bezirke durch die Senatsverwaltung für Finanzen mit immer weiteren Konsolidierungen nach Auffassung der Finanzstadträte ein Ausmaß erreicht, welches die Bezirke nur noch zu “Buchungsstatisten” degradiert. Von einer eigenverantwortlichen Gestaltungsmöglichkeit durch das Globalsummensystem kann in keiner Weise mehr gesprochen werden.

Dennoch hat sich das Bezirksamt an die Beschlüsse des Senats gehalten, und wohl wissend, dass die Ansätze in keiner Weise den bezirklichen Erfordernissen entsprechen sowie Verluste nur durch eine äußerst straffe Führung der Haushaltswirtschaft vermeidbar sein werden, für diesen Bezirkshaushaltsplanentwurf entschieden, um weitestgehend bestehende Einrichtungen zu erhalten.

Somit ist der Bezirk seiner rechtlich unabweisbaren Pflicht nachgekommen, seinen

im Rahmen der Einheitsgemeinde Berlins – bezirklichen Anteil an der
Konsolidierung zu erbringen.

Eine Alternative – zu Gunsten höherer Ansätze bei den Unterhaltungstiteln – hätte die Aufgabe von Einrichtungen zur Folge.
Die Wunschvorstellung auf höhere Finanzzuweisungen ist derzeit auf Grund der unverändert dramatischen Haushaltslage Berlins sowie durch die vom Abgeordnetenhaus festgeschriebene Plafondierung unrealistisch und ist bei jeder ernsthaft gemeinten Auseinandersetzung zu dieser Entwurfsfassung wenig hilfreich.

Wer – an welcher Stelle auch immer – mehr veranschlagen will, muss deshalb auch den Mut haben, zu sagen, wo er in welcher Größenordnung kürzen will bzw. von welcher Einrichtung sich der Bezirk trennen soll.

Habe ich zwar mit einer Karikaturbeschreibung begonnen, so möchte ich aber zum Schluss zum Ernst der Lage zurückkehren mit den Worten Gustav Heinemanns:
“Es hilft nichts, das Unvollkommene heutiger Wirklichkeit zu höhnen oder das Absolute als Tagesprogramm zu predigen. Lasst uns statt dessen durch Kritik und Mitarbeit die Verhältnisse Schritt für Schritt ändern.”

In diesem Sinne plädiere ich für diesen vorgelegten Entwurf. Lassen Sie uns den ersten Schritt tun.

Zum Schluss möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – insbesondere der SE Finanzen – danken, die mit viel Engagement diesen Entwurf des Bezirksdoppelhaushaltsplans trotz des engen Zeitrahmens termingemäß fertiggestellt haben.

Ich danke für die Aufmerksamkeit !

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