Sehr geehrter Herr Hofmann!
Sehr geehrter Herr Kuhring!
Sehr geehrte Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Für das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und damit als Schulträger gratuliere ich herzlich zum 100. Geburtstag.
Als 1913 die Leibniz-Oberrealschule zu Charlottenburg in diesem Gebäude eröffnet wurde, war Charlottenburg eine selbständige Großstadt, und sie galt als die reichste Stadt Preußens. 1905 hatte sie zu ihrem 200. Gründungsjubiläum das neue Rathaus eingeweiht. Aber auch dieses neue große Rathaus wurde schnell zu klein für die Großstadt Charlottenburg. Und so entwarf der damalige Charlottenburger Stadtbaurat Heinrich Seeling einen Erweiterungsbau, der von 1911 bis 1916 errichtet wurde. In dieser erweiterten Form dient das Rathaus Charlottenburg bis heute als Sitz des Bezirksamtes.
Es war ebenfalls Stadtbaurat Heinrich Seeling, der die Leibniz-Oberrealschule zu Charlottenburg entwarf. Sie wurde von 1911 bis 1913 gebaut.
Damals waren Schulen Prestigeobjekte im Konkurrenzkampf der reichen Städte rund um Berlin, vor allem im Westen Berlins, zwischen Schöneberg, Wilmersdorf und Charlottenburg.
In einem Verwaltungsbericht der Großstadt Wilmersdorf von 1913 heißt es über den kommunalpolitischen Schwerpunkt Bildung:
“Für die ebenso rasche wie günstige Entwicklung Wilmersdorfs war nicht zuletzt die seit Mitte der 90er Jahre von ihm verfolgte Schulpolitik von erheblicher Bedeutung. Hierbei aber ging die Gemeindeverwaltung von der durch die Tatsachen später als richtig erwiesenen Ansicht aus, daß nach dem an sich keineswegs begüterten Wilmersdorf steuerkräftige Elemente nur dann in größerer Zahl zuziehen würden, wenn in ihm auch den Bedürfnissen eines solchen Zuzugs nach möglichst günstiger Gelegenheit zu Erziehung und Unterricht der Jugend gebührend Rechnung getragen sei.”
Um die steuerkräftigen Elemente also ging es, und um diese anzulocken, wurde vor allem in Bildungseinrichtungen investiert – und das galt für das damalige Charlottenburg mindestens ebenso wie für Wilmersdorf. Schulpolitik war im Konkurrenzkampf der Städte ein wichtiger Trumpf.
Das wird uns heute in Gestalt vieler prächtiger Schulbauten aus dieser Zeit vor Augen geführt. Allerdings sind diese Schulhäuser für unsere Immobilienverwaltung heute manchmal auch eine Last, denn sie sind in der Unterhaltung sehr viel teurer als die einfacheren Zweckbauten aus der Nachkriegszeit. Trotzdem hat auch für das Bezirksamt heute die Bildung eine hohe Priorität, und wir wenden erhebliche Mitte auf, um die Schulen im Bezirk in Ordnung zu halten.
Das kann am Ende aber immer nur dann gelingen, wenn die Schulen und die Verantwortlichen im Bezirksamt gut zusammenarbeiten. Ich freue mich, dass dies mit dem Schiller-Gymnasium gut funktioniert.
In den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ging für Charlottenburg eine Zeit unvorstellbar schnellen Wachstums zu Ende. 1875 hatte die Stadt noch 25.000 Einwohner, 1890 waren es bereits knapp 100.000.
Bis zur Jahrhundertwende im Jahr 1900 wurden es knapp 200.000 und weitere 10 Jahre später 1910 waren es bereits mehr als 300.000.
1912 wurde zwar der Zweckverband Groß-Berlin gebildet, in dem sich die Großstädte rund um Berlin zur Zusammenarbeit verpflichteten, aber noch blieben sie für weitere 8 Jahre selbständige Großstädte, die durchaus auch in Konkurrenz zu Berlin eigenständige Kommunalpolitik betrieben. Charlottenburg genehmigte sich sogar eine eigene Oper: 1912 wurde das ebenfalls von Heinrich Seeling gebaute Deutsche Opernhaus eröffnet, das sich von den Berliner Opernhäusern mit einem eigenen Programm absetzte. Heute spielt hier die Deutsche Oper Berlin. Für den Charlottenburger Magistrat war Kultur- und Bildungspolitik immer auch Sozialpolitik. Deshalb hatte das Opernhaus den Auftrag, auch weniger wohlhabenden Menschen den Opernbesuch zu ermöglichen.
1913 wurden am Kurfürstendamm mit dem Marmorhaus und dem Union-Filmpalast besonders glanzvolle Kinobauten eröffnet.
Und ebenfalls 1913 wurde das von Otto March gebaute Deutsche Stadion eröffnet. Es war damals das größte Sportstadion der Welt. Hier sollten 1916 die Olympischen Spiele ausgetragen werden. Sie wurden dann allerdings wegen des Ersten Weltkriegs abgesagt.
Für die Olympischen Spiele 1936 wurde dann an der gleichen Stelle von Werner March, dem Sohn von Otto March das Olympiastadion errichtet. Der Erste Weltkrieg machte auch der glanzvollen Entwicklung Charlottenburgs vorläufig ein Ende. Und nach dem Ersten Weltkrieg war nicht mehr zu verhindern, wogegen sich vor allem die Großstädte Spandau, Schöneberg, Wilmersdorf und Charlottenburg bis zuletzt heftig gewehrt hatten: die Eingemeindung nach Groß-Berlin.
1920 wurde auch Charlottenburg mit 325.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ein Bezirk von Berlin. Und Charlottenburg wurde ein besonders attraktiver Berliner Bezirk. Schon in der Kaiserzeit hatte sich das westliche Zentrum rund um den Kurfürstendamm entwickelt. In den 1920er Jahren wurde sie zur pulsierenden, international berühmten City West mit großen Uraufführungskinos, Boulevard- und Revuetheatern, Galerien, Einkaufstempeln, Hotels, Cafés und Restaurants.
Die City West verkörperte das moderne, internationale Berlin und bot schon damals eine große Vielfalt an Attraktionen. An dieser Vielfalt hatten auch besonders viele jüdische Unternehmer, Geschäftsleute, Intellektuelle, Künstler und Mäzene einen großen Anteil.
Charlottenburg und Wilmersdorf waren die beiden Berliner Bezirke mit dem höchsten Anteil jüdischer Bevölkerung. In beiden Bezirken lebten jeweils rund 27.000 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Sie wurden seit 1933 von den Nationalsozialisten aus der deutschen Gesellschaft ausgeschlossen, diskriminiert, vertrieben und schließlich ermordet.
Deshalb ist das Motto so treffend, mit dem Berlin in diesem Themenjahr an die Machtübernahme der Nationalsozialisten vor 80 Jahren am 30. Januar 1933 und an die Pogromnacht vor 75 Jahren am 9. November 1938 erinnert. Das Motto lautet: “Zerstörte Vielfalt”.
Heute hat unser Bezirk wieder eine große Vielfalt an Einrichtungen und Attraktionen zu bieten, und die Schulen spielen dabei eine wichtige Rolle.
Das Schiller-Gymnasium ist eine der beliebtesten und damit ersten Adressen in unserem Bezirk und weit darüber hinaus. Die Schule ist der Vermittlung von Werten verpflichtet, durchaus im positiven Sinne konservativ und zugleich weltoffen und tolerant. Selbstverständlich repräsentiert die Schülerschaft eine Vielfalt der Nationalitäten, wie sie in Charlottenburg-Wilmersdorf üblich ist.
Ich habe die Zeit als Schüler des Schiller-Gymnasiums von 1972 bis 1979 als Zeit des Aufbruchs erlebt. Junge Lehrkräfte ergänzten auf spannende Weise die älteren, erfahrenen. Die Schule erzog uns zur Demokratie. Ich empfand den Religionsunterricht als große Bereicherung und war begeistert von Französisch. In Biologie lernten wir die Vielfalt der Lebensformen kennen, und am Projekttag erlebten wir Zeitzeugen, die uns einen lebendigen Eindruck der Geschichte vermittelten.
Bis heute wichtig für die Schule ist der Förderverein, der viele Aktivitäten und Projekte unterstützt.
Ich wünsche dem Schiller-Gymnasium und vor allem seinen Schülerinnen und Schülern auch für die Zukunft viel Erfolg und alles Gute.