„Wir sind in einer Phase, in der es keine Entschuldigungen und Ausflüchte mehr gibt. Die Reformen müssen jetzt umgesetzt werden, und da hoffe ich auf den Gestaltungswillen der Politik“, fordert Prof. Robert Vehrkamp, Senior Advisor zur Zukunft der Demokratie bei der Bertelsmann Stiftung. „Es müssen alle Parteien ein Interesse daran haben, die Reformen durchzusetzen. Es wäre fatal, wenn jetzt nichts passiert. Wahlen sind der wichtigste Akt in einer funktionierenden Demokratie“, sagt Prof. Christian Waldhoff, Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Beide äußerten sich in der ersten Folge von „Wir haben die Wahl“, dem neuen Podcast des Landeswahlleiters für Berlin Prof. Stephan Bröchler. Anlass: Vor einem Jahr, am 6. Juli 2022, wurde der Bericht der Expertenkommission „Wahlen in Berlin“ zum Wahldebakel 2021 Innensenatorin Iris Spranger und der Öffentlichkeit vorgestellt. Robert Vehrkamp, Christian Waldhoff und Stephan Bröchler waren Mitglieder der Kommission und haben den Bericht maßgeblich formuliert.
Die zentrale Erkenntnis der Expertenkommission war, dass die damaligen Wahlpannen kein zufälliger oder einmaliger Unfall gewesen seien, so Robert Vehrkamp: „Das Debakel war Ergebnis von defizitären Strukturen innerhalb der Berliner Verwaltung. Die dringend nötigen Strukturveränderungen liegen immer noch vor uns, die haben wir noch nicht geschafft in Berlin.“
Die Wiederholungswahlen im Februar sowie der Volksentscheid im März seien im „Reparaturmodus“ und unter hohem finanziellen Einsatz seitens des Landes Berlin sowie dank großem persönlichen Engagement aller Beteiligten erfolgt, so Landeswahlleiter Bröchler: „Wir sind noch gar nicht zu den erforderlichen strukturellen Reformmaßnahmen gekommen. Doch bis zu den nächsten Wahlen ist nicht mehr viel Zeit. Es wird möglicherweise eine Wahlwiederholung zum Deutschen Bundestag geben, 2024 steht die Europawahl an, dann im folgenden Jahr die nächste Wahl zum Deutschen Bundestag. Jetzt wäre ein Zeitfenster offen, um Reformen anzugehen.“
Die Expertenkommission habe konkrete Empfehlungen für Reformen gegeben, erinnert Christian Waldhoff. Als erstes sollte ein Landeswahlamt eingerichtet werden, so der Jurist: „Bisher wurden Wahlen mit sehr geringen personellen Ressourcen organisiert – das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Wahlen und Abstimmungen die wichtigsten Artikulationsformen des Volkes in der Demokratie sind.“ Ferner müsse das Zusammenspiel zwischen Senatsebene und Bezirken verbessert und der Informationsfluss abgesichert werden. Zudem müsse dringend eine Standardisierung der konkreten Wahlorganisation in den Bezirken erfolgen. Robert Vehrkamp: „Im Abschlussbericht haben wir konkrete Rechte beschrieben, die der Landeswahlleiter haben sollte, um in einer großen Unabhängigkeit sein Amt sachgemäß ausüben zu können. Dazu gehören Koordinationsrechte, Informationsrechte, Zugangsrechte zum Senat und zur Innensenatorin. Wir haben konkret Änderungen in der Landeswahlordnung ausformuliert, die aber bis jetzt noch nicht umgesetzt wurden.“
Das komplette Gespräch ist hier zu hören:
Die Podcast-Reihe richtet sich an alle, die sich rund um das Thema Wahlen in Berlin informieren möchten. Landeswahlleiter Stephan Bröchler diskutiert mit Experten, wie Wahlen in Berlin bestmöglich organisiert werden können und was nötig ist, um ein gelungenes Fest für die Demokratie zu feiern.
Weitere Informationen zum Thema Wahlen und Abstimmungen finden sich im Internetangebot des Landeswahlleiters.