Vertrauensgesellschaft e.V.
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„I. Ziel des Gesetzes
Ziel dieses Gesetzes ist die Erforschung der Wirkung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit verschiedener Varianten des bedingungslosen Grundeinkommens bezogen auf die Bevölkerung des Landes Berlin im Rahmen eines wissenschaftlichen Modellversuchs.
II. Problem und Lösung
Die Wirkung, Akzeptanz und die Umsetzbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens sind umstritten. Mit dem Gesetz wird die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Erforschung dieser Fragen geschaffen sowie Rahmenbedingungen und Ausgestaltung zur Umsetzung eines Modellversuchs geregelt.
Dadurch bildet das Gesetz die Grundlage dafür, nach Abschluss und Evaluation des Modellversuchs darüber zu entscheiden, ob eine Verlängerung und/oder Ausweitung des Modellversuches durchgeführt werden soll und/oder aufgrund der Erfahrungen und Erkenntnisse eine flächendeckende, dauerhafte Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens geplant wird.
In der öffentlichen Diskussion werden verschiedene Vorschläge zur Ausgestaltung eines bedingungslosen Grundeinkommens vorgebracht. Diese unterscheiden sich untereinander teils erheblich und erschweren die Diskussion über die Einführung, da nicht nur entschieden werden muss, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden soll, sondern auch in welcher Form.
Um eine breite und überparteiliche Zustimmung zum geplanten Vorhaben zu erhalten und eine differenzierte Entscheidungsgrundlage zu schaffen, fordert das Gesetz daher, verschiedene Varianten eines bedingungslosen Grundeinkommens parallel zu erproben. So können detaillierte Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Varianten des Grundeinkommens welche Effekte haben und welche somit zu bevorzugen sind.
III. Alternativen
Bestehende internationale Studien beantworten die Frage nach Wirkung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit verschiedener Varianten des bedingungslosen Grundeinkommens bezogen auf die Bevölkerung des Landes Berlin nur begrenzt, da sie entweder in einem nicht vergleichbaren gesellschaftlichen Kontext durchgeführt wurden, nur erwerbslose Personen an der Studie teilnehmen durften und/oder die Zahl der Teilnehmenden sehr gering und damit nicht statistisch aussagekräftig war.
Es könnten Befragungen durchgeführt werden, bei denen Betroffene mögliche Veränderungen selbst einschätzen. Diese sind jedoch ebenfalls in ihrer Aussagekraft stark begrenzt, da Selbsteinschätzungen kein belastbarer Indikator für tatsächliches Verhalten sind.
Statt eines Modellversuchs könnten weiterhin Mikrosimulationen durchgeführt werden. Diese sind jedoch ebenfalls in ihrer Aussagekraft begrenzt, da hier nicht die tatsächliche Wirkung auf echte Menschen und die aus diesen Wirkungen resultierenden veränderten Entscheidungen untersucht werden, sondern lediglich eine computergestützte Simulation dieser Entscheidungen durchgeführt wird.
Die genannten Alternativen können daher die Durchführung eines Modellversuchs in Berlin nicht ersetzen. Sie können jedoch zur Vorbereitung einer Erprobung und zum Eingrenzen der zu untersuchenden Varianten dienen.
IV. Zulässigkeit/Gesetzgebungskompetenz
Bei einer Erprobung eines bedingungslosen Grundeinkommens liegt die Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 70 ff. GG bei den Ländern. Aus den in Betracht kommenden Kompetenztiteln der „öffentlichen Fürsorge“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) oder dem „Gebiet der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) lässt sich eine Zuständigkeit des Bundes nicht herleiten.
Sowohl das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 27.10.2016 „Rechtliche Voraussetzungen für Pilotprojekte zum Grundeinkommen“, als auch das Gutachten von RA Katja Pink vom 19.08.2019 „Stellungnahme zu den Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages – Einführung eines Grundeinkommenspiloten“ stellen dies übereinstimmend fest.
Auch wenn das Bundessozialgesetzbuch die Erbringung von Sozialleistungen als öffentliche Fürsorge abschließend geregelt hat, sind staatliche Leistungen zum Zwecke der sozialen Sicherheit außerhalb des Bereichs der öffentlichen Fürsorge gerade nicht Gegenstand der Bundessozialgesetzgebung. Dies betrifft insbesondere auch Geldzahlungen zum Zwecke des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns im Rahmen eines Forschungsvorhabens, wie sie von diesem Gesetz vorgesehen sind.
Da das Grundeinkommen zudem ausschließlich aus Steuergeldern und nicht aus Beiträgen finanziert wird, besteht auch kein Versicherungselement, das für den Kompetenztitel der Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 erforderlich wäre (vgl. BVerfG 11, 105, [111]).
Die Erprobung eines bedingungslosen Grundeinkommens läuft weiterhin, anders als das zitierte Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 27.10.2016 behauptet, nicht dem Grundsatz des Forderns in § 2 SGB II als höherrangiges Bundesrecht zuwider. Wie die zitierte Stellungnahme von RA Katja Pink ausführt, können staatliche Leistungen zum Zweck der sozialen Sicherheit nach Bundesrecht und nach Landesrecht gewährt werden; dabei können dem Leistungsempfänger jeweils unterschiedliche Verpflichtungen auferlegt werden. Es handelt sich insofern um unterschiedliche Regelungsgegenstände.
Bezieht ein erwerbsfähiger Sozialhilfeleistungen, ist er nach Maßgabe des § 2 SBG II verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen; bezieht eine erwerbsfähige hilfsbedürftige Person hingegen ein Grundeinkommen nach diesem Gesetz, besteht keine solche Verpflichtung.
Die sich aus dem Sozialgesetzbuch oder diesem Gesetz jeweils ergebenden Verpflichtungen beruhen nicht auf demselben Sachverhalt, da das Grundeinkommen allein aufgrund der Teilnahmeberechtigung an der experimentellen Erprobung gewährt wird. Die gewährte Zahlung ist gerade keine Sozialhilfeleistung. Dieses Gesetz tritt damit nicht in Widerspruch zu den Rechtsfolgen der Sozialgesetzgebung, da die gleichzeitige Anwendung dieser beiden Vorschriften auf denselben Sachverhalt nicht möglich ist.
Dem Teilnehmenden an der Erprobung des Grundeinkommens steht ein Anspruch auf Sozialleistungen im Sinne einer Grundsicherung für Erwerbsfähige mangels Bedürftigkeit nicht (mehr) zu. Eine erwerbsfähige hilfsbedürftige Person hat wie jede andere in Berlin wohnenden Person einen Anspruch auf ein Grundeinkommen, sofern sie gemäß dem vorgesehenen Verfahren ausgewählt wurde und die Verpflichtung übernommen hat, an den Befragungen teilzunehmen. Bedürftige Personen, die kein Grundeinkommen nach diesem Gesetz beziehen, sind weiterhin auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nach dem Bundesgesetz verwiesen. Die Verpflichtung zur Beendigung oder Verringerung der Bedürftigkeit nach § 2 SGB II bleibt daher unberührt.
V. Kosten und Verwaltungsaufwand
Durch das Erprobungsgesetz entstehen Kosten und Verwaltungsaufwand.
Es entstehen insbesondere Kosten und Aufwand für:
- die Planung der Erprobung und die Auswahl des Forschungspartners (ggf. durch Einbindung eines Projektträgers)
- die wissenschaftliche Begleitung des Modellversuchs, unter anderem folgende Punkte umfassend:
- die Festlegung der Ausgestaltung des Modellversuchs
- die Schätzung der Gesamtkosten des Modellversuchs
- die Durchführung der Befragungen
- die wissenschaftliche Auswertung und deren Veröffentlichung
- die Auswahl und die Rekrutierung der Teilnehmenden am Modellversuch
- die Durchführung des Zahlungsverkehrs
- die im Rahmen des Modellversuchs gezahlten Geldzahlungen und Aufwandsentschädigungen für die Teilnahme an den Erhebungen
- ggf. Anteile an den Gemeinkosten des Forschungspartners
Die zu erwartenden haushaltswirksamen Gesamtkosten hängen maßgeblich vom Inhalt des nach dem Inkrafttreten des Gesetzes auf dem Verordnungsweg festgelegten Forschungskonzepts ab, insbesondere von der Modellierung der erprobten Varianten des Grundeinkommens. Um dennoch bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Abschätzung der maximalen Kosten durchführen zu können, enthält das Gesetz eine Kostengrenze.
Gängige Modellierungen ergeben Kosten in Höhe von 200 bis 1.200 Euro pro teilnehmender Person und Monat, je nach Höhe des Grundeinkommensanspruchs und ggf. gegengerechneter Abgaben. Diese Kosten können unter Zuhilfenahme der Ergebnisse von bereits in anderen Ländern durchgeführten Modellversuchen zum bedingungslosen Grundeinkommen sowie durch im Vorfeld des Modellversuchs durchgeführte Modellrechnungen, Mikrosimulationen und/oder Befragungen abgeschätzt werden.
Da die monatlichen Kosten für die Geldzahlungen von der Lebens- und Erwerbssituation der Teilnehmenden abhängt und sich diese während des Modellversuchs stärker ändern können, als im Vorfeld abgeschätzt, könnte u. U. eine Abweichung von den erwarteten Kosten eintreten. Im Fall einer Erhöhung der Kosten kann die zuständige Senatsverwaltung die Dauer des Modellversuchs entsprechend verkürzen, so dass die Kostengrenze gewahrt bleibt.
Die Gesamtkosten liegen daher bei höchstens 70 Millionen Euro. Sie verteilen sich auf insgesamt acht Haushaltsjahre. Der Hauptteil der Kosten fällt dabei in den Jahren drei bis fünf nach Inkrafttreten des Gesetzes an. Einer Ausweitung der Erprobung in Umfang und/oder Dauer durch ein weiteres Gesetz steht nichts entgegen.
VI. Länderkooperation
Das Gesetz ermöglicht es, die Erprobung in Kooperation mit weiteren Partnern, insbesondere anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Bund, Ländern oder Kommunen), durchzuführen. Dies bedeutet insbesondere, dass die Erprobung in Kooperation mit weiteren Bundesländern erfolgen kann.
Vorteil einer solchen Kooperation ist, dass die gemeinsame Gestaltung der in den jeweiligen Ländern durchgeführten Modellversuche die Anzahl der Teilnehmenden über alle Länder hinweg vergrößert. Dies erhöht die wissenschaftliche Aussagekraft der Erprobung und ermöglicht beispielsweise die Erprobung einer größeren Anzahl von Varianten bei gleichbleibender Aussagekraft der Ergebnisse der Erprobung.
Des Weiteren kann es auch durch eine mit weiteren Partnern gemeinsam angelegte Erprobung zu einer Kostenersparnis kommen. Beispielsweise, indem ein gemeinsames Forschungskonzept erarbeitet und nur ein gemeinsamer Bericht veröffentlicht wird.”