Stolpersteine Prager Platz 4

Hausansicht Prager Platz 4

Diese von den Familien Russell/Powers/Barner/Bierich gespendeten Stolpersteine sind am 27.8.2014 verlegt worden.

Stolperstein Fritz Arthur Wolfsohn

HIER WOHNTE
FRITZ ARTHUR
WOLFSOHN
JG 1887
DEPORTIERT 26.2.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Irene Wolfsohn

HIER WOHNTE
IRENE WOLFSOHN
JG 1922
DEPORTIERT 19.4.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Pia Wolfsohn

HIER WOHNTE
PIA WOLFSOHN
GEB. ZIELINSKY
JG 1897
DEPORTIERT 26.2.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Alfred Wolfsohn

HIER WOHNTE
ALFRED WOLFSOHN
JG 1928
DEPORTIERT 26.2.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Thekla Wolfsohn

HIER WOHNTE
THEKLA WOLFSOHN
GEB. SIMON
JG 1861
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
16.3.1943

Fritz Wolfsohn wurde am 25. September 1887 in Berlin geboren. Seine Eltern waren Albert und Thekla Wolfsohn, geborene Simon, der Vater war Bankier.

Fritz Wolfsohn war Bankier und Handelsrichter, er wohnte bis zu seiner Heirat in Berlin-Charlottenburg, Mommsenstraße 56. Ab 1935 durfte er seinen Beruf als Handelsrichter nicht mehr ausüben.
Fritz Wolfsohn heiratete am 19.4.1919 Hilda Rosenbaum, Tochter von Gustav und Elise Rosenbaum. Sie hatte Jura studiert und war Doktor des Rechts. Hilda starb 1922 bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Irene, sie liegt im Familiengrab Rosenbaum-Wolfsohn in Weißensee begraben.
Am 12.2.1925 heiratete Fritz Wolfsohn Pia Käthe Zielinsky, 1928 wurde der gemeinsame Sohn Alfred geboren.

Seit der Heirat mit Hilda Rosenbaum wohnte Fritz Wolfsohn mit seiner Familie am Prager Platz 4, wo die wohlhabende Familie seiner Frau vier Häuser besaß. Während alle Geschwister seiner verstorbenen ersten Frau versuchten zu emigrieren und die meisten unter ungeklärten Umständen verschwanden, blieb Fritz Wolfsohn mit seiner Familie in Berlin. Im Berliner Adressbuch war er bis 1938 unter der Adresse am Prager Platz 4 aufgeführt, dann musste die Familie in die Innsbrucker Straße 54 umziehen.
Am 26. Februar 1943 wurde er zusammen mit seiner Frau Pia und seinem Sohn Alfred nach Auschwitz deportiert und ermordet. Er war 55 Jahre alt.

Außer wenigen Fotos, auf denen Fritz Wolfsohns erste Frau Hilda Rosenbaum als junge Frau zu sehen ist, und einigen Unterschriften auf Heirats- und Sterbeurkunden ist von der Familie Wolfsohn nichts geblieben.
Das Haus am Prager Platz 4, in dem die Wolfsohns lebten, sowie auch die anderen Häuser der Familie Rosenbaum am Prager Platz 1, 2 und 3 wurden schon in den 1930er Jahren verkauft und im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Pia Käthe Wolfsohn wurde als Pia Zielinsky am 12. Januar 1897 in Berlin geboren. Vor ihrer Heirat wohnte sie in Berlin-Charlottenburg, in der Wohnung ihrer Eltern, Meinekestraße 11. Ihr Vater war der Kaufmann Max Zielinsky.
Am 12. Februar 1925 heiratete sie Fritz Wolfsohn und zog an den Prager Platz 4. Am 11. März 1928 wurde der gemeinsame Sohn Alfred geboren.
1938 musste die Familie in die Innsbrucker Str. 54 ziehen.
Pia Wolfsohn wurde zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sie war 46 Jahre alt.

Alfred Wolfsohn wurde am 11. März 1928 in Berlin geboren. Er wurde nach seinem Onkel, Alfred Rosenbaum, genannt. Alfred hatte eine sechs Jahre ältere Halbschwester, Irene Wolfsohn.
Am 26. 2. 1943 wurde er zusammen mit seinen Eltern in einem Reichsbahnzug vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald zusammen mit 913 Menschen nach Auschwitz deportiert und ermordet. Er war 14 Jahre alt.

Irene Wolfsohn wurde am 16. April 1922 in Berlin geboren. Ihre Mutter Hilda starb einen Tag nach ihrer Geburt. Irene wuchs bei ihrem Vater und der Familie ihrer Mutter am Prager Platz 4 auf. Als sie drei Jahre alt war, heiratete der Vater erneut, drei Jahre später kam ihr Halbbruder Alfred zur Welt.

Ihre Tante Käthe Rosenbaum (später Russell), die mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen auch am Prager Platz wohnte, hatte ein enges Verhältnis zu ihrer Nichte, der Tochter ihrer verstorbenen engsten Freundin und Schwägerin. Als sie 1933 ihre beiden Söhne über Schweden nach England schickte und 1938 selbst nach London emigrierte, hätte sie ihre Nichte Irene gern mit nach England genommen, aber das wollte wohl der Vater nicht.
Käthe Rosenbaum hat später immer wieder von ihrer Nichte und deren traurigem Ende erzählt, was schließlich dazu führte, dass die überlebenden Verwandten Nachforschungen betrieben und Stolpersteine für die Familie Wolfsohn legen ließen.

Irene war vom 25. Juli 1941 bis zu ihrer Deportation im April 1943 im Landwerk Neuendorf, einem Ausbildungslager der Hachschara-Bewegung, wo junge jüdische Frauen und Männer für die Ausreise nach Palästina vorbereitet wurden. In der Vermögenserklärung wird sie als Fremdsprachenkorrespondentin und Gartenarbeiterin genannt, sie arbeitete in dieser Zeit beim Gartenbau Lehmpfuhl in Fürstenwalde.
Im April 1943 wurde Irene zusammen mit den letzten Mitstreitern und Mitstreiterinnen aus dem Landwerk Neuendorf nach Berlin in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße gebracht und von dort am 19. April 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ihre Familie hat sie nicht mehr wiedergesehen.

Trotz dieses schrecklichen und traurigen Endes war es möglicherweise tröstlich, dass sie bis zum Ende mit den Freundinnen und Freunden aus Neuendorf zusammen war.
Anneliese Ora-Borinski, eine der Überlebenden aus den Landwerken Ahrendsdorf und Neuendorf beschreibt in ihren Erinnerungen, wie stark diese Gruppe in dem Sammellager in der Großen Hamburger Straße wirkte:

„Seltsame Atmosphäre, die in diesem Haus herrscht. Mischung von hoffnungsloser Verzweiflung und ein wenig Sarkasmus, von einem letzten Auflodern des Lebenwollens, und einer Begierde, noch einmal alles auszukosten, was dieses Leben bieten konnte. Eine Art »Zauberberg«. Und dazwischen stehen jetzt wir, mit unserer vielleicht ein wenig zu bewußt zur Schau getragenen Kraft und Sicherheit und unserem Wohlgerüstet-Sein. Am Morgen machen wir unseren Appell auf dem Flur, die Kommandos schallen durchs Haus. Wir machen Frühsport, nachdem wir die Erlaubnis dazu von dem für uns verantwortlichen SS-Chef bekommen haben, in dem kleinen Garten, der zum Haus gehört. – In dem wir außerdem jeden Tag eine halbe Stunde, zwei und zwei hintereinander, spazieren gehen dürfen. Und an dem angrenzend der kleine, alte Friedhof liegt, in dem sich das Grab Moses Mendelsohns befindet. – Es mutet einen an wie eine Art tragischer Ironie. Einmal machen wir dort unten auch einen ganz offiziellen Singkreis, wir singen unsere Lieder und die Gestapo hört zu, und wenn sie es verstehen, dann lächeln sie vielleicht über diese Toren, die in dieser Situation singen: »Wir formen ein neues, starkes Geschlecht! Wir fordern die jüdische Ehre! Wir kämpfen für Freiheit, Gleichheit und Recht!«. Und Abend für Abend sitzen wir eng nebeneinander auf unserem Gang und singen. – Manche von den anderen kommen dazu und hören mit. … Auf unsere Chewrah wirkt die Atmosphäre der Großen Hamburger Straße in eigener Weise. – Man ist weicher, vertrauter, offener, einer dem anderen gegenüber. Vieles wurde gesagt, was im alltäglichen Leben aus Scham – oder auch nur aus Mangel an Zeit – nicht ausgesprochen war. – Das war gut so, denn es band uns noch fester.“
Am Freitag feierten sie den letzten Schabbath in der Großen Hamburger Straße, Montag sollte sie abgeholt werden. Sie rezitierten einen Sprechchor aus Neuendorf, beschwörten das Überleben. „Wir sind die Letzten hier und müssen überstehen, soll unsere Jugend nicht sinnlos verloren gehen!“ Es war Irene Wolfsohns 21. Geburtstag.

ztiziert aus: Anneliese Ora-Borinski, Erinnerungen 1940 – 1943, Kwuzat Maayan-Zwi, Israel 1970

Thekla Wolfsohn wurde am 17. April 1861 als Thekla Simon im sächsischen Sangerhausen geboren. Später wohnte sie in Berlin.
Nach der Deportation ihres Sohnes Fritz und dessen Familie, mit der sie in den letzten Jahren zusammen wohnte, beging sie am 16. März 1943 Selbstmord.
Sie war 81 Jahre alt.

Texte: Nora Bierich
Quellen: Dokumente der Familie; Bundesarchiv