4.Woche (05.10.-09.10.) in der MA13 Fachbereich Bildung und Jugend
Die letzte Woche meiner Hospitation im Rahmen von Logo Europe war vom Abschied nehmen geprägt. Das war schwerer als erwartet, denn die Menschen hier im Fachbereich Jugend sind mir ans Herz gewachsen und die Stadt Wien selbst auch. Ich habe mich im Februar für das LoGo Austauschprogramm beworben, um die Möglichkeit des Wissenstransfers zwischen europäischen Verwaltungen zu nutzen und meinen fachlichen Horizont zu erweitern. Rückblickend stelle ich fest, dass ich in den vier Wochen viele Eindrücke sammeln konnte, interessante Menschen kennengelernt habe, spannende fachbezogene Gespräche geführt habe und viele unterschiedliche Angebote der OKJA besuchen dürfte.
Die letzte Woche meiner Hospitation habe ich genutzt, um meine Fragestellungen bezüglich der Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu klären.
Vielseitige Partizipationsmöglichkeiten werden in der Stadt Wien sehr groß geschrieben und sind fest in den Professionen der einzelnen Bereiche verankert, wo Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene präsent sind. Kurz gesagt, lebt Wien Bürger:innenbeteiligung auf Augenhöhe und für jede Altersspanne und macht die Prozesse und Ergebnisse sichtbar. In der Schule finden jährliche Workshops zur Implementierung von Kinder- und Jugendparlamenten statt und werden von Mitarbeiter:innen der Vereine organisiert, durchgeführt und begleitet. Für die Umsetzung der Wünsche von Kindern und Jugendlichen stellen die Bezirksvorsteher:innen (insg. 23 -pro Bezirk eine:r) ein individuelles dezentrales Budget zur Verfügung.
Im Rahmen der OKJA ist Partizipation eine Förderbedingung der Subventionen von der MA13, was dazu führt, dass die Vereine ganz unterschiedliche Methoden anwenden und sehr kreativ sind, um ihr Programm nach den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe auszurichten. In den Projekten selbst konnte ich die Ergebnisse von partizipativen Methoden betrachten und den Umgang mit Wünschen und Interessen mit dem Fachpersonal besprechen. Das bedeutet in der Praxis, dass es Pommes im Snackangebot von einigen Jugendzentren gibt und Wochenpläne, die ständig neu nach aktuellen Bedarfen ausgerichtet werden.
Seit 2014 ist Wien Stadt der Menschenrechte, darin eingeschlossen sind auch die Kinderrechte und daraus ist entstanden, dass im Juni 2020 die Wiener Kinder- und Jugendstrategie vom Gemeinderat der Stadt Wien beschlossen wurde. Die Inhalte dieser Strategie wurden in 1.309 Workshops in Schulen, Jugendzentren, Kitas und Hort mit Kinder und Jugendlichen erfragt und gesammelt. Unter dem Motto „Wien muss zum TÜV“ konnten die Teilnehmer:innen Themen benennen, die in oder an ihrer Stadt repariert und verbessert werden sollen. Vom Team „Werkstatt junges Wien“ wurden die Ergebnisse der Workshops zu einem Strategiepaket formuliert. Bis 2025 sollen die Maßnahmen der einzelnen Themenpunkte möglichst gut umgesetzt werden und dazu beitragen, dass sich heranwachsende Menschen in Wien wohlfühlen und sich als aktiven Teil ihrer Stadt verstehen. Insgesamt haben sich neun Themenschwerpunkte herauskristallisiert, die mit Zielen untersetzt sind und an erster Stelle stehen Natur und Umwelt.
Zum Ende 2024 wird es eine Form der Rückkopplung an die Kinder und Jugendlichen geben, welche Maßnahmen umgesetzt worden sind, welche nicht und welche Maßnahmen im Prozess sind.
Seit 2007 können Jugendliche ab 16 Jahren in Wien wählen, vorausgesetzt sie haben die österreichische Staatsbürgerschaft. Dies trägt auch dazu bei, dass junge Menschen als Zielgruppe für politische Bildung ernstgenommen werden und z.B. im Wahlkampf der Parteien direkt adressiert werden. Im Großen und Ganzen hat die Stadt Wien verstanden, dass Kinder und Jugendliche die Zukunft sind und von Anfang an in der Gestaltung ihres Lebensraumes miteinbezogen werden sollten. Hier ist auch allen bewusst, dass die Umsetzung der Wünsche an Budget gebunden ist und das hält niemanden davon ab, sich für Mitbestimmung einzusetzen. Ganz im Gegenteil. Meine Kolleg:innen der MA13 verstehen sich als Sprachrohr für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen und argumentieren in Budgetverhandlungen um die dezentralen Mittel mit den Bezirksvorsteher:innen ganz klar für die Interessen der heranwachsenden Generation.
Was mich wirklich nachhaltig beeindruckt hat, ist die Vielseitigkeit der geschlechtsspezifischen Angebote, denn jedes Projekt für Kinder und Jugendliche unterbreitet spezielle Angebotszeiten für Jungen und Mädchen. In der Praxis sah das so aus, dass es einen Nachmittag pro Woche nur für Mädchen und einen Nachmittag für Jungs in dem jeweiligen Jugendzentrum gab. Ich konnte auch das Mädchencafé Flash besuchen und einen lebendigen Dialog mit der pädagogischen Leitung über den Stand der parteilichen Mädchenarbeit in Wien führen. Ich habe das Gefühl, dass die Wiener Verwaltung in Sachen Gender Mainstreaming fortschrittlicher ist, denn meine Kolleg:innen gendern ganz selbstverständlich und stellen die Notwendigkeit von geschlechtsspezifischen Angeboten nicht in Frage.
Meine Wiener Kolleg:innen haben das Glück, dass die Jahresbudgets für die OKJA seit vielen Jahren stabil sind von Kürzungen verschont wurden. Aber auch hier wächst die Unsicherheit, ob die Steuerausfälle wegen der Corona- Pandemie eventuelle Auswirkungen auf die zentralen und dezentralen Förderungen haben könnten. Insgesamt hat die Jugendförderung hier einen hohen gesamtstädtischen Stellenwert und die Stadt Wien ist mit Recht stolz darauf. Im Gegenzug für eine auskömmliche Förderung haben Politik und die Mitarbeiter:innen vom Fachbereich Jugend der MA13 einen hohen Anspruch an die Qualität der Angebote im Bereich der OKJA.
Die grundlegendste Erkenntnis meines Wissenstransfers ist, dass bedarfsgerechte Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche eine wichtige Form der Prävention sind und zum gesellschaftlichen Miteinander aktiv beitragen können. Die fachliche Steuerung der Jugendförderung in ganz Berlin- und besonders in Lichtenberg- sollte mehr Bedeutung erlangen und die Notwendigkeit dieser sollten nicht in Frage gestellt werden. Pädagogische Fachkräfte in der Praxis und in der Verwaltung der Jugendförderung sollten aus meiner Sicht viel mehr politischen Rückenwind und Wertschätzung erfahren.