Martina Becker berichtet vom Europäischen Verwaltungsaustausch in Wien

Aussicht über Wien 2023

Woche 1: Erste Einblicke in die Stadtplanung für Wien Innen und Südwest

Interessiert und freundlich begrüßt durch den Abteilungsleiter Herrn Dipl.-Ing. Dr. Steger hospitiere ich seit dem 18.September 2023 in der Magistratsverwaltung Wien, Abteilung MA21A. Im Dezernat 3 werden für die Bezirke 4 Wieden, 4 Margareten und 10 Favoriten die Stadtteilplanung, Flächenwidmungs- und Bebauungspläne erarbeitet sowie Projekte gesteuert. Ermöglicht wurde der Wissenstransfer im Rahmen von LoGo! Europe durch das Engagement der Dezernatsleiterin Frau Dipl.-Ing. Winkler.

Dank der sehr guten Vorbereitung und der offenen, interessierten Mitarbeiter*innen wurde ich schon am ersten Tag zu Terminen mitgenommen, konnte mit Kolleg*innen fachsimpeln und erste Einblicke in die Organisationsstruktur, Arbeitsschwerpunkte und Arbeitsweise sammeln:

  • Es gibt einen eingespielten Modus, Homeoffice und Büroanwesenheit in eine gute Balance zu bringen.
  • Bezirke in Wien haben organisatorisch eine gänzlich andere Struktur und Bedeutung.
  • Planung wird proaktiv angestoßen und umfassend abgestimmt.
  • Flächenwidmungs- und Bebauungspläne werden auf Grund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen (Landesrecht, kein Bundesrecht) bei aller Ähnlichkeit wesentlich konzentrierter sowie (!) in der elektronischen Akte (ELAK) bearbeitet.
  • Da das Stadtgebiet zu ca. 98 % beplant ist, ist ein Instrument vergleichbar unseres §34 Baugesetzbuch zur Genehmigung von Vorhaben unbekannt.
  • Auf die Herausarbeitung von Zielqualitäten und Mehrwerten wird sehr geachtet.
  • Planerische Themen, die uns in Lichtenberg bewegen, sind auch in Wien in der Diskussion, weshalb großes Interesse an einem Austausch vergleichbar unserem Berliner LoGo! Europe-Programm besteht.

Gerne stelle ich Euch kurz die wichtigsten Planungsthemen vor, in die ich bislang eingeführt wurde.

Altes Landgut / Verteilerkreis

Ziel ist die Auslobung eines internationalen städtebaulich-freiraumplanerischen Wettbewerbs. Die ca. 4 ha große öffentliche Verkehrsfläche, die der Republik Österreich gehört, soll in den umgebenden Stadtraum integriert und ein urbaner Ort, der auch am Wochenende belebt ist, werden. Das vorliegende städtebauliche Leitbild wird überarbeitet und Möglichkeitsräume sowie Nutzungsvarianten untersucht. Ökologisch-klimatische Kriterien, Schallbelastung, Verkehr/ Mobilität, zeitliche Abhängigkeiten von Bauabläufen etc. werden ermittelt und umfassend abgestimmt. Neben Qualitäten, die in Wien Standard sind, wird intensiv über Mehrwerte wie beispielsweise hochwertige Architektur und Platzgestaltung, ökologische Mobilitätsangebote und deren Sicherung diskutiert.

Zur Inspiration wurde das Neubauprojekt TrIIIple Towers (Architektenteam Henke Schreieck) auf dem Gelände des ehemaligen Zollamts besichtigt. Der Bereich ist über die U-Bahn direkt angebunden. Die drei Hochhäuser mit ca. 1900 Wohnungen (zwei frei finanziert, eines für Studierende) werden durch einen Sockel verbunden, der eine Kita, Gastronomie und Nahversorgungsangebote beinhaltet. Der hochwertig gestaltete Freiraum ist, mit einem fahrradgeeigneten Aufzug mit dem Donaukanal verbunden ist, auf einem dafür gebauten Autobahndeckel angeordnet. Der Blick von den Gemeinschaftsterrassen in den Wohnhochhäusern auf Wien ist fantastisch!

Für Insider: von 9 Wohnungen pro Etage sind 6 über Eck angeordnet, Nordwohnungen gibt es (selbstverständlich) nicht; wegen der bodentiefen Fenster wurde neben sturmfesten Jalousien ein Kühlsystem eingebaut, das mit Flusswasser funktioniert.

Flächenwidmung / Bebauungsplan für die Erweiterung und Modernisierung eines Schulstandorts in der Laimäckergasse

Planungsziel ist die bauliche Ergänzung der denkmalgeschützten Schule durch einen Neubau. Ein architektonischer Entwurf für die Schule liegt als Ergebnis eines EU-Weiten offenen Wettbewerbs vor. Der Bedarf wird durch den Zuzug von Familien ausgelöst. Da keine andere geeignete Fläche zur Verfügung steht, wird diese Fläche (Erholungsgebiet/ Sport-/ Spielfläche) insbesondere unter Beachtung von Baumschutz, Gebäudehöhen des Umfelds und dem vorgelegten Projekt zum Bauland gewidmet. Die Wiener Bildungsinfrastrukturinitiative 2025 fördert die Vergrößerung und Modernisierung bestehender Schulstandorte. Bis Freitag befand sich der Plan für 6 Wochen in der öffentlichen Auflage, im Internet und vor Ort in der Servicestelle der Stadtplanung einzusehen.

In der kommenden Woche werde ich zum Masterplan Gehen und zum Thema Citylogistik berichten.

Woche 2: Es geht über die Stadtplanung für Wien Innen und Südwest hinaus

In dieser Woche sind die bezirklichen Masterpläne Gehen ein spannendes Thema zur Förderung einer umweltgerechten Verkehrsart.

Die Ausgangslage Wiens ist sehr gut, da der Anteil der Fußwege mit ca. 35 % (2022) sehr hoch liegt und im Schnitt ein Drittel der Wege zu Fuß erledigt werden.
Seit 11 Jahren gibt es eine Wiener Beauftragte für den Fußverkehr. Anfangs verfügte sie über keine eigenen finanziellen Mittel und keine strategische Planung, der Fußverkehr war immer irgendwie mitgemeint. Eine grundlegende Veränderung trat während der Corona-Krise durch die größere Wertschätzung des öffentlichen Raums als Aufenthaltsort, durch Klimaschutzaspekte und neu aufgelegte Förderprogramme auf Bundesebene und in Wien ein.

Über das Förderprogramm „klimaaktiv mobil“ des Bundes werden Investitionen für eine fußverkehrsfreundliche Umgestaltung des öffentlichen Raums, bauliche, raum- und siedlungsplanerische Ziele (beispielsweise die Vernetzung von Freiräumen), aber auch bewusstseinsbildende Aktivitäten zur Stärkung des Fußverkehrs gefördert. Ergänzend dazu kann das Wiener Programm „Lebenswerte Klimamusterstadt“ für Umbaumaßnahmen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und der positiven Beeinflussung des Mikroklimas herangezogen werden

Die von den Bezirken beschlossenen Masterpläne Gehen sind zwingende Voraussetzung, um diese Förderprogramme zur Umsetzung baulicher Maßnahmen in Anspruch nehmen zu können. In 2021 hat die MA 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung – übergeordnete, räumlich-strategische Planungen in den Themenfeldern Raumplanung und Mobilität) für dieses Förderkonstrukt geworben, die Kompetenz für die Masterpläne liegt jedoch ausschließlich bei den Bezirken, von denen drei umgehend in die Planung gingen. Das Verwaltungsverfahren ist so geregelt, dass die vom Bezirk ausgewählten Maßnahmen durch die MA 28 (Straßenverwaltung und Straßenbau) beantragt und im Fall der Förderzusage umgesetzt werden. Eingebunden ist die Wiener Beauftragte für Fußverkehr, da Öffentlichkeitskampagnen ein wichtiger und förderfähiger Bestandteil der Maßnahmen sind.

Inzwischen sind diese Masterpläne Gehen in 10 Bezirken abgeschlossen. In weiteren 10 Bezirken sind diese in Bearbeitung oder für 2024 terminiert, drei Bezirke sind noch unentschieden. In 2023 wurde eine Empfehlung in Form eines Bearbeitungsrahmens für die Masterpläne zur Verfügung gestellt. Dieser soll einen effizienteren Einsatz personeller Ressourcen bei der Mittelbeantragung ermöglichen.

Stadterkundung

Die MA 18 ist strategisch mit den Bezirken im Austausch. Die Einschätzung geht dahin, dass die dezentrale Bearbeitung auf Bezirksebene schneller zu konkreten Baumaßnahmen geführt hat. Ein zentral entworfenes stadtweites Konzept hätte dies so nicht leisten können. Insofern war dies ein wichtiger erster Schritt hin zur klimafitten Stadt. In der aktuellen Phase wird von der MA 18 eine Diskussion mit den Bezirken über Themen der Koordinierung mit anderen straßenraumbeanspruchenden Planungen wie beispielsweise der Radwegplanung, die Erfolgskontrolle mit Blick auf Mehrwerte und eine Strategie für die nächsten 10 Jahre angestrebt. Zur Messbarmachung sind Indikatoren noch zu entwickeln. Effektiv und wünschenswert wäre, wenn in jedem Bezirk eine feste Ansprechpartner:in für den Fußverkehr vorhanden wäre. Zudem wird die MA 21 (Stadtteilplanung und Flächenwidmung) eingebunden, um die Ziele der Masterpläne Gehen frühzeitig in deren Planungen berücksichtigen und mit den Zielen der Masterpläne rückkoppeln zu können. Für die anstehenden Phasen ist die Schaffung einer Schnittstelle zusammen mit den federführenden Bezirken in Diskussion.

Bei meinen Stadterkundungen sind mir viele dieser Straßenumbauten angenehm aufgefallen. Die unterschiedlichen Gestaltungselemente – Grüninseln, Sitzmöbel, Trinkbrunnen (mit Schalen für Hunde), Luftbefeuchter, Super-Grätzl (Kiezblock), Gehwegvorstreckungen – bewirken bei heißem Spätsommerwetter attraktive Gehbedingungen. Begegnungszonen und Neugestaltung von Kreuzungen zu Plätzen steigern darüber hinaus die Aufenthaltsqualität.

Müllverbrennungsanlage

Als Ergänzung unserer Hospitation in den Dienststellen wurde eine sehr beeindruckende, dreistündige Führung durch die hochmoderne Müllverbrennungsanlage (MVA), das Abfalllogistikzentrum und die Biogasanlage Pfaffenau organisiert. Die Stadt Wien hat die komplette Abfallentsorgung in der öffentlichen Verantwortung behalten – zuständig ist die bekannteste Dienststelle Wiens mit eigenem Logo, die MA 48 (Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark). Wien verfolgt ein dezentrales Standortkonzept für Restmüllentsorgung; um die Fahrwege kurz zu halten sind drei MVA über das Stadtgebiet verteilt. Die bekannteste ist die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete MVA Spittelau.

Am Standort Pfaffenau werden die Synergien zwischen den verschiedenen Müllverwertungsanlagen und der benachbarten Behandlungsanlage für Verbrennungsrückstände genutzt und ein Abfalllogistikzentrum aufgebaut. Der Autobahnanschluss ist ein wesentlicher Standortfaktor aller Anlagen, insbesondere aber wichtig in Pfaffenau auf Grund der Biogasanlage, die die innerstädtische Biotonne und Reste aus Gastronomie, Hotels und Handel verarbeitet. An diesem Standort werden Gas, Fernwärme und Strom hergestellt und in die entsprechenden Versorgungsnetze eingespeist. Das Ziel der Verkehrsvermeidung wird durch die Konzentration der verschieden Müllverwertungsanlagen erreicht. Dies erspart zuvor erforderliche LKW-Fahrten durch das Stadtgebiet; ein Transportband über die Straße zur benachbarten Anlage ersetzt diesen LKW-Verkehr.

Ausgehend von der Endstufe des Konsums, des Mülls, lässt sich die Konferenz der europäischen Industrie- und Handelskammern „Wege zu einer nachhaltigen urbanen Logistik“ in den Kreislauf einordnen. Urbane Logistik umfasst die Ver- und Entsorgung in dicht bewohnten städtischen Räumen. Schwerpunkt dieser Abschlussveranstaltung ist die nachhaltige Gestaltung des innerstädtischen Lieferverkehrs, dessen Anforderungen an die städtische Infrastruktur und an die allgemeinen Logistikprozesse. Die Betrachtung aus verschiedenen fachlichen und politischen Blickwinkeln zeigt, dass über die CO2-Freiheit der Lieferverkehre hinaus Konzepte zu Grobstandorten, Feinverteilung, Zustellgeschwindigkeit, Kostenentwicklung durch eine zweite Zustellung, Erwartungshaltung der Bestellenden und Bedeutung des stationären Handels für die Urbanität der Städte erforderlich sind.

Die Diskussion reicht von Vorgaben der EU-Verordnungen bis zur Breite von Radwegen für innovative Lasten-E-Bikes, von einer veränderten Erwartung an Bestellgeschwindigkeit, nachhaltige Verpackung und flexible Zustellformen bis zu Anlieferzonen im Straßenraum und „Drohnenüberflugräumen“. Deutlich wurde, dass Konzepte die sogenannte „letzten Meile“ hinsichtlich Effizienz, Umweltverträglichkeit und Entlastung der städtischen Verkehrssysteme steigern sollten, ohne jedoch zu Scheinlösungen zu führen.

Wiener Randnotizen:

  • Es dauerte genau 15 Tage bis ich auf den ersten E-Scooter auf einem Gehweg stieß.
  • In den Öffis wird der Fahrgast mittels regelmäßiger Durchsagen „gelobt“, dass er dieses klimafreundliche Verkehrsmittel gewählt hat – und zur Achtsamkeit gegenüber Personen, die einen Sitzplatz dringender benötigen, aufgefordert.
  • Es gibt unwahrscheinlich viele Zebrastreifen, lediglich als Fahrbahnmarkierungen ohne Beschilderung, an allen Einmündungen und Kreuzungen, was das zu Fuß gehen beschleunigt – wobei die langen Wartezeiten an Ampeln viel Geduld erfordern.
  • Zur Wiener Mobilitätsagentur geht es unter www.mobilitaetsagentur.at und dort ist das Projekt „LiDo geht“, das in den Bezirken links der Donau stattfand, sehr spannend.

Woche 3: Und überall steckt Mobilität drin

Stadtplanung und Mobilitätsplanung schaffen die Grundlage für Veränderungen in unserem Mobilitätsverhalten. Doch wie kommen zukunftsfähige urbane Konzepte klimagerechter Mobilität bei den Bürger:innen an?
Dazu einige Wiener Projekte und Planungen, die ich kennen lernen konnte.

LiDo geht

(www.wienzufuss.at)
Zwei Bezirke links der Donau (LiDo), Floridsdorf und Donaustadt, haben sich auf Initiative der Wiener Fußverkehrsbeauftragten im Herbst 2021 auf den Weg gemacht, neben der Förderung des Gehens auch ihr Image zu verbessern. Die Bezirke werden relativ autoorientiert bewohnt und ein wichtiger Ansatzpunkt war daher, die Menschen zum zu Fuß gehen anzuregen. Es wurde mit einem riesigen Luftbildteppich, einem Wegewurm für die Darstellung von 30 Minuten Laufzeit und den Hausschlapfen-Radien für zügige und langsam Gehende gearbeitet. Beispielsweise wurden in Einkaufszentren Schulklassen, Passanten und Einkaufende erreicht. Durch organisierte Spaziergänge und Großaktionen konnten die Wohngebiete, Naturräume, Sport- und Erholungsmöglichkeiten an der Donau gemeinsam zu Fuß ergangen werden.

Da die Begeisterung vieler sowie die Unterstützung und das Engagement der politisch Verantwortlichen in beiden Bezirken fortdauert, geht es links der Donau mit der Erarbeitung von Masterplänen Gehen weiter. In der Abschlussveranstaltung für das eine Projekt wurde der Startschuss für die nächste Wegstrecke gegeben – und für jeden Bezirk eine:n Beauftragte:n benannt, die das Erreichte weiterführen wird.
Der sehr schöne Veranstaltungsort „Kulturgarage“ in der Seestadt Aspern liegt im EG und Untergeschoss einer Parkgarage und ist super mit den Öffis oder zu Fuß zu erreichen.

Woche 3 Bild 1
Woche 3 Bild 2
Woche 3 Bild 3

Projekt Am Kempelenpark und Tangentenpark

(www.amkempelenpark.at/page.asp/-/39.htm; www.wien.gv.at/stadtplanung/tangentenpark#)

Das Projektgebiet liegt zwischen Sonnenwendviertel und Böhmischem Prater. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände soll ein Wohngebiet mit ca. 1.100 Wohnungen, davon zwei Drittel gemeinnützig finanziert, entstehen. Das Quartier wird ergänzt um großzügige Freiräume, Gewerbeflächen, Nahversorgung sowie eine Volksschule und einen Kindergarten. Der ausgelobte Architekturwettbewerb befindet sich derzeit in der Endphase. Der Baubeginn ist, nach Abbruch des bestehenden Gebäudes plus Parkgarage, ab 2026 vorgesehen. Bis dahin kann die seit 2014 etablierte vielfältige Zwischennutzung weitergeführt werden.

Der von der Stadt Wien geplante Tangentenpark (6 ha) verbindet das bestehende sowie das künftige Wohngebiet mit dem Südbereich des Bezirks Favoriten. In Vorbereitung der Baumaßnahme wurde bereits der nie in Betrieb genommene Autobahnanschluss Simmering abgebaut und der Lagerplatz der ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft; Eigentümerin Österreich; überwiegende Finanzierung durch Einnahmen aus Maut und Vignette) geräumt. Start der Baumaßnahme des Tangentenparks soll noch in 2023 sein, so dass dieser Ende 2024 den Bewohner:innen übergeben werden kann.

Die Stadt Wien richtet für einige Projektgebiete sogenannte Stadträume ein. Diese stellen vor Ort Informationsräume für die Anwohner:innen dar. Sie stellen die Planung mit Modell aus, organisieren Informationsveranstaltungen und bilden die Schnittstelle zwischen Verwaltung, Projektentwickler und Bewohner:innen während des Planungsprozesses.

An diesem Nachmittag waren Interessierte zu einem Stadtspaziergang über das Projektgelände und zum künftigen Tangentenpark mit Start im Stadtraum eingeladen. Die Vertreterin der Stadtplanung Wien erläuterte den letztlich abgestimmten Entwurf und nahm Hinweise entgegen. Herzstück der Grünraumkonzeption ist die Integration einer übergeordneten Rad- und Fußverkehrsverbindung und die Schaffung einer Querungsmöglichkeit über die Bahnanlagen. Dies wurde sehr positiv aufgenommen und weitere Wünsche zur schnelleren Erreichung von Straßenbahnhaltestellen jenseits der Gleise gegeben. Das Thema Parken der Neuhinzuziehenden war ein unbedeutendes Randthema im Vertrauen darauf, dass der Bedarf über Parkgaragen gedeckt wird.

RothNEUsiedl – Leuchtturm für den Klimaschutz

(www.rothneusiedl.wienwirdwow.at; www.zukunftshof.at/rothneusiedl)

Das Stadtentwicklungsgebiet Rothneusiedl liegt im Süden von Wien, an der Landesgrenze zu Niederösterreich. Das Umfeld ist von städtischer Landwirtschaft, alten Dorfstrukturen und dicht bebauten Gebieten geprägt. Beplant werden 124 ha vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen.

Nach der Seestadt Aspern soll hier das größte Entwicklungsgebiet in Wien entstehen. Geplant ist ein Klimavorzeigestadtteil mit 9.000 Wohnungen für 21.000 Menschen, davon mindesten 2/3 geförderter Wohnraum und ergänzende Arbeitsplätze. Als klimawirksame Grün- und Freiflächen sind 1/3 vorzusehen, davon 25 ha als öffentliche Grünfläche. Konzepte für eine urbane Landwirtschaft und Energiekreisläufe sind zu entwickeln. Die Identifikation mit und die Lebendigkeit im Stadtteil soll durch soziale, kulturelle und Bildungseinrichtungen sowie Angebote für Sport und nicht-kommerzielle Nutzungen geschaffen werden. Die verkehrliche Anbindung ist für alle Verkehrsträger gut oder sie wird hergestellt; so sind die Verlängerung der U1 und die Einbindung ins Busliniennetz sowie die Förderung umweltschonender Verkehre Voraussetzungen und Bestandteil der Quartiersplanung. Der Baubeginn ist für 2030 vorgesehen.

Bereits der Stadtentwicklungsplan 2025 weist den Planungsraum als Gebiet mit Entwicklungspotential Wohnen und Arbeiten aus. Im Juli 2019 wurde zur Erarbeitung eines Stadtteilentwicklungskonzepts, das den gesamten Südraum Favoriten umfasst, mit breiter Beteiligung der Öffentlichkeit gestartet. 2021 wurde dieses von der Stadtentwicklungskommission beschlossen und stellt die Grundlage für die weiteren Planungsprozesse dar.

Die ökologischen Zielsetzungen wurden in einer Charta für Rothneusiedl verankert und Zielvorgaben formuliert. Diese planerischen Überlegungen für einen Klimavorzeigestadtteil wurden um eine Öffentlichkeitsbeteiligung, die neue Maßstäbe setzt, ergänzt. Bereits zur Entwicklung des Leitbilds auf relativ abstrakter Maßstabsebene und im Vorfeld eines europaweit ausgeschriebenen Wettbewerbs, wurde ein aufwändiges Beteiligungsverfahren begonnen. Das vor Ort befindliche historische Gehöft wurde als Zukunftshof im Rahmen von Veranstaltungen in das Beteiligungsverfahren eingebunden. Ein Zukunftsteam aus Fachleuten und ausgelosten Interessierten kommuniziert zwischen Bürger:innen und Verwaltung. In der Wettbewerbsjury war eine Gruppe aus dem Zukunftsteam vertreten.

Nach der ersten Wettbewerbsphase werden aktuell vier Arbeiten (von 26) hinsichtlich der Entwicklung der Leitlinien für das neue Quartier diskutiert und weiterbearbeitet. Die Entwürfe wurden an einem langen Wochenende der Öffentlichkeit erläutert, einmal durch die Wettbewerbsteams selbst, danach durch die Mitarbeiter:innen der MA 21. Dies ermöglichte ein vertieftes Verständnis für die unterschiedlichen Konzeptideen und mündete in der Formulierung von Aufgaben für die weitere Bearbeitung. Die Arbeiten konnten selbstverständlich online eingesehen und Hinweise abgegeben werden.
Während der Veranstaltung wurde immer wieder die noch abstrakte Ebene der Arbeiten und das weitere Verfahren erläutert. Im März 2024 wird die zweite Phase des Wettbewerbs entschieden sein und das künftige Leitbild feststehen. Danach geht es in die Konkretisierung des Leitbilds und die Ausarbeitung konkreter Entwürfe, weiterhin mit breiter Öffentlichkeitsbeteiligung durch die MA 21.

Woche 3 Bild 4

Auswahlkriterien, die für dieses Gebiet sprachen, waren die überwiegend zum Wohnen genutzten Gebäude, ein niedrigerer Kfz-Besitz, die Schule als Mittelpunkt, der ÖPNV in der Randlage. Von der Bevölkerungsstruktur her gab es viele Menschen, die auf ihr Wohnumfeld stärker angewiesen sind (Ältere, Kinder) und ein für das Supergrätzl engagierter Bezirksvorsteher. Eine Bürger:inneninitiative vor Ort gab es nicht.

Die Pilotphase startete im Juli 2021. Im Juni 2022 wurde begonnen, die neue Verkehrsorganisation auch baulich umzusetzen. Erste Erkenntnisse waren, dass Fahrbahnmarkierungen nicht ausreichend sind, sondern oftmals ignoriert werden. Zudem wirkt die enge Abstimmung mit der Feuerwehr und der MA 28 (Müllabfuhr) im Vorfeld beschleunigend. Der Wegfall von ca. 10 % der ca. 680 Parkplätze im öffentlichen Straßenraum hat zu keinen Protesten der Anwohner:innen geführt. Künftig werden nach Umbau ca. 30% weniger Parkplätze zur Verfügung stehen. Schleichverkehre und überhöhte Geschwindigkeiten konnten erfolgreich unterbunden werden.
Die Pilotphase war von einem intensiven Beteiligungsverfahren begleitet. Der Container vor der Schule in der Herzberggasse, die als Fußgänger:innenzone umgestaltet ist, diente als Informationspunkt und zweimal in der Woche wurden von hier aus Aktionen für die Aneignung des Straßenraums und die Bildung von Nachbarschaften veranstaltet. Zudem gab es weitere Informationsveranstaltungen.

Folgende Nachfragen wurden gestellt:

  • Warum wurde ein Supergrätzl nicht da eingerichtet, wo es bereits Initiativen gibt? Ausschlaggebend waren die städtebaulichen Kennwerte und der politische Wille auf Bezirksebene
  • Im Grätzl ist es viel ruhiger geworden, aber außerhalb hat der Verkehr zugenommen – was wird hier unternommen? Es findet eine Evaluierung statt, danach wird man sehen
  • Kann ich eigene Möbel etc. zum Chillen aufstellen? Nein, es soll sich keine Gruppe den Raum aneignen, sondern alle sollen eingeladen sein, sich aufzuhalten
  • Steigen die Mieten durch diese verkehrsberuhigenden Maßnahmen und die verbesserte Wohnqualität? Es wird nicht erhoben; informell gibt es erste Anzeichen bezüglich gesteigertem Interesse von Makler:innen an Wohnungsankäufen
  • Werden die Anwohner:innen in die Gestaltung einbezogen und / oder werden identitätsstiftende, ortsbezogene Gestaltungselemente entwickelt? Der Entwurfsprozess steht erst am Anfang; bislang ist eine Beteiligung der Anwohner:innen nicht vorgesehen, es werden ortsbezogene Materialien, Bäume und Möglichkeiten für urban Gardening gewählt
  • Gibt es einen Namen für das Supergrätzl? Ich wohne im…? Nein, aber das Logo mit dem die Eingänge markiert sind, wurde entwickelt
  • Wie viel hat die Pilotphase gekostet, wie viel wird der Umbau kosten und wer bezahlt dies? Die Pilotphase kostete ca. 250.000 € (mit Beteiligungsverfahren, Spezialfarben für Markierungen, etc.), der Entwurf für den Umbau steht noch nicht fest; da dies ein Pilotprojekt ist, trägt der Magistrat die Kosten; die Kosten für den Umbau können noch nicht benannt werden
  • Geht die Bürger:innenbeteiligung weiter? Nein, diese ist abgeschlossen

Auf meinem Rückweg konnte ich feststellen, dass die am Rand liegende, übergeordnete Gudrunstraße extrem stark im Stop-and-Go befahren war und die Grünphase für Fußgänger:innen an der Ampel ungemein kurz, die Wartezeit dagegen sehr lang war. Insofern ist die Evaluierung bezüglich der Verlagerung von Verkehrsmengen interessant und wie mit den an ein Supergrätzl angrenzenden Wohngebieten und den in Randlage liegenden, stark befahrenen Straßen umgegangen werden wird. Maßnahmen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität für die dort Wohnenden und Möglichkeiten für eine bequeme Querung für den Fuß-/ Radverkehr könnten zur Akzeptanzsteigerung beitragen.