Ich heiße Thomas Tesarz und bin seit 6 Jahren von SenStadt im Rahmen der Wohnungsbauinitiative in den Bezirk Lichtenberg im Stadtplanungsamt für die Bauleitplanung entsendet worden. Zu meiner Arbeit gehört auch die Planung der sozialen Infrastruktur, wie Schulen und Kitas, Parkanlagen und Sportflächen.
Als uns Anfang des Jahres die Möglichkeit angeboten wurde, einen Monat im europäischen Ausland zu hospitieren und dafür eine Projektidee zu entwickeln, wurde ich neugierig, wie benachbarte Länder und Städte mit anderem Planungsrecht und Mentalität die Bürgerbeteiligungen durchführen.
Wie gehen wachsende Städte bei der Nachverdichtung mit dem Flächenmangel und den Interessenkonflikten z. B. mit den Bürgern um? Gibt es Ideen oder bereits eine Umsetzung von Mehrfachnutzungen von Flächen? Ich hatte in Berlin-Lichtenberg den Eindruck wachsender Bürokratie, festgefahrener Fronten und die fehlende Bereitschaft oder Mut neue Wege zu gehen.
Bebauungspläne brauchen in Lichtenberg (Berlin?) immer noch im Schnitt 6 Jahre bis zur Festsetzung; und die Corona-Maßnahmen der letzten drei Jahren waren nicht hilfreich.
Ich suchte mir Städte raus, die ich erst kürzlich, also 2020 und 2021 besucht und kennengelernt hatte, die englisch als Arbeitssprache akzeptieren und durch ihren Boom und ihre Größe als Metropole oder Teil einer Metropole mit Berlin vergleichbar sind.
Nachdem Rotterdams Stadtverwaltung lange zögerte, um letztlich abzusagen, wurde es für die zweite Bewerbung sehr knapp. Es begann alles von vorne, auch die Suche der Unterkunft. Mehrere Akteure in Malmö hatten es trotz der langen schwedischen Ferienzeit im Sommer sehr kurzfristig ermöglicht, mir Anfang August zuzusagen. Ich hatte eigeninitiativ Ansprechpartner bei der Stadtplanung in Malmö gesucht und stieß durch projektbezogene Veröffentlichungen auf Lars Böhme im Stadtplanungsamt Malmö. Ich kann jetzt schon sagen, dass Lars sich wirklich viel Zeit nimmt, mich in das Kollegium einzubinden und über Projekte zu informieren. Mein Terminkalender ist mittlerweile voll; kleine Ergänzungen kommen noch, v. a. durch Außentermine. Termine ergeben sich auch durch zufällige Begegnungen und Gespräche während der „Fika“, in Schweden eine wichtige Tradition, siehe weiter unten.
Kurzportrait Malmö
Malmö ist eine südschwedische Arbeiterstadt (Werften) im Wandel zur Dienstleistungsmetropole, die wie die Region Schonen lange von Dänemark aus regiert wurde. Erst vor ca. 300 Jahren wurde man ein Teil Schwedens, was dieser Region und seiner Hauptstadt Malmö eine eigene Identität gibt.
Durch die Öresundbrücke gibt es wieder eine engere Verbundenheit mit Kopenhagen und dem Kontinent. „Nur wenige“ Zugstunden von Hamburg entfernt, hat die Stadt seit vielen Jahren einen konstanten Zuzug erfahren und ist neben Stockholm und Göteborg die dritte schwedische Metropole, mit nun ca. 360.000 Einwohnern.
Sie ist fast mit der Universitätsstadt Lund fast zusammengewachsen. Dadurch kommt man bereits jetzt auf eine halbe Million Einwohner.
Langfristig sollen innerhalb der Stadtgrenzen und kompakt innerhalb des Außenrings eine halbe Million Menschen leben.
Mit Kopenhagen (Hauptstadtregion), das in 30 Minuten erreichbar ist, sind es dann über 2 Millionen Menschen einem urbanen Ballungsraum.
Reiseverbindungen Berlin-Malmö & Anreise
Es gibt 3 Möglichkeiten, die preislich keine großen Unterschiede machen (150 bis 200 Euro hin und zurück). Da ich mein Klapprad mitnehmen wollte, schied der Flug nach Kopenhagen mit Öresund Zuganschluss an mein Quartier in Malmö aus. Für die Hinfahrt wählte ich den Zug über Hamburg. Zurück soll die Fähre von Trelleborg nach Rostock den Hauptteil der Reiseroute bestimmen.
Am letzten Augusttag ging es von Berlin aus abends los. Ich transportierte sattes Übergepäck, da eine große Ikea-Tasche auch Gastgeschenke wie drei Flaschen Hochprozentiges – und Berliner Luft wiegt schwer – und über ein Kilo Ritter Sport, einen englischsprachigen Berlinreiseführer und weitere Gastgeschenke des Bezirksamts enthielt. Sportlich und logistisch einen Herausforderung. Mein 70er Jahre Klapprad „Regina“ brach unter 117 Kilogramm Gesamtgewicht nicht zusammen. Gutes Reisewetter, die Frisur sitzt und der Abschnitt von Berlin nach Hamburg mit Übernachtung bei Freunden verlief mit harmloser Verspätung. Was am 1. September folgte, entwickelte sich zu einer 12-stündigen Odyssee mit drei Umstiegen, statt eines angenehmen Reisetages mit entspanntem Zwischenstopp für architektonische Entdeckungen in Kopenhagen (mit nur fünfeinhalb Stunden gesamter Fahrtzeit). Da mein WG-Gastgeber Joel bereits zur Arbeit war, ließ er mich über eine mobile Fernbedienung
in den Hof herein und dann mit einem am Rad versteckten Schlüssel samt Chip selbst einchecken. Ein schönes großes Altbauzimmer erwartet mich. Als Möllevangen – Bohéme pries Joel es im Airbnb an… und ich fühle mich von Anfang an wohl – mit Joel, der Wohnung und der Nachbarschaft.
Erstes Wochenende
Vor allem der Samstag mit sommerlichem Wetter und der Tipp meines Mitbewohners Joel regten mich an, nicht das touristische Malmö zu besuchen, sondern das Norra Grängesbergsgatan – Festivals: „NGBG“. In einem Industriegebiet mit 40 Bühnen in Garagen, Autowerkstätten und Hallen wird Livemusik geboten. Auch seine Band spielt dort, allerdings so spät, dass ich sie verpasse.
Ich entdecke einige andere Besonderheiten, die mich für mein Projekt interessieren. Das außergewöhnlich gute Radnetz mit einer umfangreichen Infrastruktur. Viel alternative Kultur und ein hoher Anteil an Zuwanderung. Dabei sind z. B. der Teil aus Dänemark und der Teil aus nordschwedischer Landflucht für mich nicht erkennbar. Graffiti und Streetart sind auch einige interessante Auftragsarbeiten. In der Freizeit und bei Ausflügen gibt es so viele Entdeckungen und Begegnungen, die auch Themen meiner Arbeit berühren bzw. inhaltlich ergänzen.